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Israelisches Gericht ordnet an, dass die Hand einer krebskranken Tochter amputiert wird.

Tel Aaviv - "Schweren Herzens" habe er sich zu einem Urteil durchgerungen, schrieb diese Woche Richter Jehoram Schaked. Verständlich, schließlich gab er Anweisung, einem 13 Jahre alten Mädchen aus Tel Aviv die Hand zu amputieren - gegen den Willen ihrer alleinerziehenden Mutter. Ärzte hatten Anfang des Jahres ein Osteosarkom, einen bösartigen Knochentumor, in ihrem Arm entdeckt. Diese Form von Krebs bedeutet ohne Eingriff den sicheren Tod. Die Diagnose ließ für die Mediziner nur eine Schlussfolgerung zu: Im April erklärte der Onkologe Dr. Dror Levin Mutter und Tochter: "Eine Amputation in Verbindung mit der richtigen Chemotherapie gibt die Aussicht auf eine Überlebensquote von rund 60 Prozent. Es ist ihre einzige Chance."

"Die Reaktion der beiden war schwer", sagte eine Sozialarbeiterin, die beim Gespräch anwesend war, später vor Gericht aus. Das Kind war einsichtig: "Ich verstehe, dass ich keine andere Wahl habe." Doch die Mutter reagierte empört. Die Operation käme auf keinen Fall infrage: "Da ist schon besser, sie stirbt!" Über Monate weigerte sie sich, ihre Tochter in Behandlung und zu einer Operation zu bringen, und riskierte so ihr Leben. Die Mutter handle nicht aus Böswilligkeit, sagte Levin im israelischen Fernsehen, nachdem sein Krankenhaus das Gerichtsurteil erzwungen hatte: "Ich bin davon überzeugt, dass sie nur das Beste für ihre Tochter will."

Kulturelle Barrieren gewöhnt

In Israel sind Ärzte kulturelle Barrieren gewöhnt. Juden aus mehr als 70 Ländern wanderten seit Staatsgründung ein. Jeder brachte seine Kultur, und damit sein Verständnis von Krankheit und adäquater Behandlung mit. Bei Äthiopiern manifestiert sich Depression oft als unergründlicher Bauchschmerz, russische Einwanderer - vom Unfall in Tschernobyl traumatisiert - weigern sich, bestrahlt zu werden, Orthodoxe verweigern wegen ihres Glaubens an die Wiederauferstehung Organspenden.

In diesem Fall handelt es sich um ultra-orthodoxe Juden aus Äthiopien: "Sie kennen die islamische Gesetzgebung aus ihrem Herkunftsland. Dort werden Menschen Hände amputiert, wenn sie etwas gestohlen haben", sagte Levin. "Diesen Makel will die Mutter ihrem Kind ersparen." "Es handelt sich um eine stolze, völlig verarmte Frau, die an Religion und Tradition festhält", sagte die begleitende Sozialarbeiterin vor Gericht: "Sie behält alle Probleme für sich und vertraut sich nur der Klagemauer an. Heil kann man nur mit Beten und Fasten erlangen. Ich glaube nicht, dass sie den Ernst der Lage wirklich versteht."

Die Ärzte gingen vor Gericht: "Die Mutter weigert sich weiterhin, ihre Tochter operieren zu lassen, und setzt alle ihre Hoffnungen auf den Himmel", fasste Richter Schaked zusammen. In seinem Urteil stützte er sich auch auf rabbinische Gesetzgebung und legte fest: "Eltern verfügen zwar über ihre Kinder, haben jedoch nicht das Recht, ihren Tod herbeizuführen." Der Wert des Lebens habe Vorrang vor körperlicher Unversehrtheit. Auf seine Anweisung hin wurde das Mädchen jetzt in das Tel-Hashomer-Krankenhaus bei Tel Aviv eingeliefert. Dort soll dem Kind kommende Woche der Arm abgenommen werden.