Die Schweizer Islamkritikerin Saida Keller-Messahli hofft „fest“, dass es mit der EU-Finanzierung des umstrittenen Islamophobie-Reports „ein Ende hat“. Foto: Privat

In einem offenem Brief an die neue Chefin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, fordern Prominente, das Ende der EU-Finanzierung für Erdogans umstrittenen „Islamophobie-Report“.

Stuttgart - Prominente Islamkritiker und Reformmuslime haben ein Ende der EU-Finanzierung des umstrittenen „Islamophobie-Reports“ gefordert, der von einer der Regierung von Präsident Erdogan nahe stehenden Stiftung herausgegeben wird. In einem offenen Brief an die Chefin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, beklagen rund ein Dutzend Unterzeichner, dass in dem Bericht „undifferenziert viele Persönlichkeiten und Institutionen aus ganz Europa als ‚islamophob’ und als Vertreter und Beförderer von sogenanntem ,antimuslimischem Rassismus’“ an den Pranger und in „eine Reihe mit Rechtsradikalen, Rassisten und deren Netzwerke gestellt“ werden. Zu den Unterzeichnern des Briefes, der unserer Zeitung vorliegt, gehört die Anwältin Seyran Ates und die Expertin Saida Keller-Messahli.

Deshalb fordere man einen Stopp der Zusammenarbeit mit und der finanziellen Unterstützung für „türkische Organisationen, die ihre Aufgabe darin sehen Bürgerinnen und Bürger Europas, die sich öffentlich und kritisch mit der türkischen Regierungspolitik und politisch-islamischen Strömungen in Europa beschäftigen, in regelmäßigen Denunziationsberichten anzuprangern“.

Seehofer auf dem Titelbild

Im Oktober hatte die Veröffentlichung des Europäischen Islamophobie-Reports für Kritik gesorgt. Er listet antimuslimische Übergriffe auf – in einer Reihe mit angeblich islamophoben, also islamfeindlichen Wissenschaftlern und Journalisten. Der Bericht wird von der türkischen „Stiftung für politische wirtschaftliche und gesellschaftliche Forschung“ (Seta) herausgegeben, die eng mit der Regierungspartei AKP Erdogans verbunden ist. Der Bericht wurde mit 126 951 Euro aus dem EU-Programm „Zivilgesellschaftlicher Dialog zwischen der EU und der Türkei“ gefördert. Die EU finanziert auch Workshops und Internetaktivitäten des Projekts. Auf dem Titelbild des Berichts ist auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) abgebildet.

Keller-Messahli, Mitautorin des offenen Briefs, die in dem Bericht ebenso wie der Psychologe Ahmad Mansour, der Reformtheologe Mouhanad Khorchide oder die Frankfurter Ethnologie-Professorin Susanne Schröter als „islamophob“ bezeichnet wird, versteht nicht, warum die EU diese Denunziation von Kritikern finanziert.

„Dass die EU eine solche Hetze auf kritische Bürger mit Geld unterstützt, ist ein Skandal und zeigt, wie weit politisch-islamische Organisationen es mit ihrer Lobby-Arbeit in Brüssel gebracht haben.“ Sie und ihre Mitstreiter hoffen „natürlich fest, dass es damit ein Ende hat“. „Es gehört zur islamistischen Rhetorik, Andersdenkende zu disqualifizieren und und den eigen Opferdiskurs ins Zentrum der Debatte zu rücken“, so Keller-Messahli. Damit wolle man Kritiker innerhalb und außerhalb des Islams mundtot machen. „Angesichts des Mobilisierungspotenzials türkisch-nationalistischer und islamistischer Kreise“ stellten die Berichte der Seta-Stiftung auch „eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die darin genanten Personen dar“, schreiben die Kritiker in ihrem Brief.

EU lehnt Verantwortung ab

Die EU-Kommission lehnt jede Verantwortung ab. „Der Inhalt des Reports liegt allein in der Verantwortlichkeit der Empfänger der Fördergelder“, sagte eine Sprecherin im Oktober. Man befürworte den Inhalt nicht. Das Programm werde vom türkischen Außenministerium verwaltet.

Die Herausgeber Farid Hafez und Enes Bayrakli reagierten nicht auf Anfragen. Bayrakli hatte zuletzt in einem gelöschten Tweet Israels Premier Benjamin Netanjahu den „Kopf eines Apartheidstaats“ genannt. Die Autorin des Deutschland-Teils, die Politologin Anna-Esther Younes, hatte vor Jahren erklärt, „dass mit der Gründung Israels ein weiteres Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurde“.