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Der Berliner Psychologe und Islamexperte Ahmad Mansour, Teilnehmer der Islamkonferenz an diesem Mittwoch, wendet sich gegen „Sonderrechte“ für seine Glaubensbrüder. Er blickt skeptisch auf den Gastgeber der Islamkonferenz.

Stuttgart - - Der Berliner Psychologe Ahmed Mansour, 1976 als Sohn arabischer Israelis geboren, arbeitet mit jungen Muslimen und leitet Programme gegen Radikalisierung. Er hofft, dass die Konservativen nicht wieder die Islamkonferenz dominieren.

Herr Mansour, was erwarten Sie von dieser neuen Runde der Islamkonferenz?

Ich hoffe auf tiefgreifende Änderungen. Wir brauchen einen aktiven Staat, der im eigenen Interesse versuchen sollte, liberale Kräfte zu unterstützen. Wir müssen Alternativen schaffen zu den aus dem Ausland gesteuerten Verbänden. Wir müssen ermöglichen, dass Moscheen entstehen, die unabhängig von ausländischen Geldgebern sind. Heute ist das kaum möglich. Auf diese Weise gewinnt der konservative Islam viel mehr Einfluss, als er haben dürfte. Wir müssen gewährleisten, dass Imame und Gefängnisseelsorger in Deutschland ausgebildet werden. Zudem sollten endlich auch die Probleme dieser Religion angesprochen werden: Radikalisierungstendenzen, Antisemitismus und sehr problematische Geschlechterrollen. Diese Probleme beschäftigen Schulen, Sozialarbeiter und die Polizei im Alltag, wenn sie mit Muslimen zu tun haben. Das darf bei einer solchen Konferenz nicht unter den Tisch fallen. Wir dürfen das nicht tabuisieren. Das ist in den vergangenen Jahren passiert.

Welche Versäumnisse und Fehler gab es bisher?

In den vergangenen vier Jahren hat der Staat nur mit dem konservativen Islam verhandelt. Liberale Stimmen waren nicht am Dialog beteiligt. Ein großes Ziel wäre es, den Islam in seiner ganzen Heterogenität wahrzunehmen. Dazu müssten liberale Stimmen mehr Gehör finden. Die Islamverbände repräsentieren ja nur eine Minderheit, aber sie werden von der Politik gehört, als seien sie die einzigen legitimen Stimmen. Damit wird die Realität verzerrt. Die konservativen Verbände haben sich als unfähig erwiesen, die eigenen Probleme zu reflektieren. Und der ehemalige Innenminister Thomas de Maizière hat die Auseinandersetzung mit ihnen über Konfliktthemen gescheut. Er ist den einfachen Weg gegangen.

Ist Horst Seehofer ein akzeptabler Gastgeber? Er meint, der Islam gehöre nicht zu Deutschland . . .

Seehofer ist problematisch, nicht nur wegen dieser Aussage. Ich halte es für ebenso problematisch, pauschal zu behaupten, der Islam gehöre zu Deutschland. Entscheidend ist doch: Welchen Islam wollen wir hier haben? Salafismus gehört doch sicher nicht zu Deutschland. Das Problem mit Seehofer ist, dass er geschwächt ist und nicht in der Lage ist, tiefgreifende Veränderungen anzugehen. Dazu fehlt ihm die Autorität.

Welcher Islam gehört zu Deutschland?

Ein Islam, der ohne Wenn und Aber hinter Demokratie und Menschenrechten steht. Wir brauchen einen Islam, der Antisemitismus verurteilt, Gleichberechtigung unterstützt, der die Menschen mündiger macht und ihnen keine Angst einjagt, der Barmherzigkeit in den Mittelpunkt rückt. Ein solches Islamverständnis brauchen wir nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt.

Sie sind gegen „Sonderrechte für Muslime“. Was meinen Sie damit?

Na ja, da meine ich: Befreiung vom Schwimmunterricht, Burkinis im Schulsport, spezielle Gebetsräume, eine besondere Pausenregelung für Muslime, Lehrerinnen mit Kopftuch und so weiter. Ich wünsche mir einen Islam, der die Säkularität des Staates respektiert und Religion im Privaten praktiziert – einen Islam, der die Nichtmuslime nicht ständig überfordert.