Ein Mann betet auf der Straße vor dem Tatort in Nizza. Foto: dpa/Daniel Cole

Ein 47-Jähriger soll mit dem mutmaßlichen Attentäter von Nizza in Kontakt gestanden sein. Er wurde von französischen Einsatzkräften verhaftet. Derweil werden in Frankreich Rufe nach verschärften Sicherheitsgesetzen laut.

Nizza - Nach dem mutmaßlich islamistischen Anschlag von Nizza mit drei Toten hat es in Frankreich eine weitere Festnahme gegeben: Ein 47-Jähriger wird verdächtigt, vor dem Messerangriff in der Basilika von Nizza mit dem mutmaßlichen Täter in Kontakt gestanden zu haben, wie die Ermittler am Freitag mitteilten. Am Rande einer Krisensitzung unter Präsident Emmanuel Macron wurden Rufe nach deutlich verschärften Sicherheitsgesetzen laut.

Nach Angaben von Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin war der 21-jährige Tunesier Brahim Aouissaoui, der als Täter festgenommen wurde, weder der Polizei in Frankreich noch in anderen europäischen Ländern bekannt. Er war demnach erst im Oktober über die italienische Insel Lampedusa nach Frankreich gelangt. Offenbar hielt er sich illegal im Land auf, auch einen Asylantrag stellte er nicht.

Tatwaffe: 30 Zentimeter langes Messer

Für den Anschlag in der Kirche nutzte er nach Angaben der Anti-Terror-Staatsanwaltschaft ein 30 Zentimeter langes Messer mit einer 17 Zentimeter langen Klinge. Zudem hatte er zwei weitere Messer in einer Tasche sowie einen Koran bei sich. Die Ermittler gehen davon aus, dass er noch viel mehr Menschen töten wollte, wie Staatsanwalt Jean-François Ricard sagte.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte die tödliche Attacke bei einem Besuch in Nizza als „islamistischen Terroranschlag“ bezeichnet. Innenminister Gérald Darmanin sagte, das Land befinde sich „im Krieg gegen die islamistische Ideologie“, die „eine Form des Faschismus im 21. Jahrhundert“ sei. 

Bischoff fordert zur Versöhnung auf

Der Bischof von Nizza, André Marceau, wies die Kriegsrhetorik dagegen zurück und rief im Sender BFM-TV zur „Versöhnung“ zwischen den Religionen auf. Vor der Basilika Notre-Dame legten viele Menschen ungeachtet des seit Freitag geltenden Lockdowns Blumen ab und zündeten Kerzen an.

Seit der erneuten Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen durch die Satirezeitung „Charlie Hebdo“ hatte sich die Stimmung in muslimischen Ländern gegen Frankreich aufgeheizt. Zuletzt griff der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Staatschef Macron scharf an, weil er die Karikaturen nach dem tödlichen Anschlag auf einem Lehrer bei Paris verteidigt hatte, der die Zeichnungen im Unterricht gezeigt hatte.

Tunesien ermittelt in dem Fall

Die tunesische Staatsanwaltschaft teilte mit, sie habe eigene Ermittlungen in dem Fall eingeleitet. Die Familie des mutmaßlichen Attentäters wurde von der Polizei befragt. Der Tunesier selbst schwebte weiter in Lebensgefahr, nachdem die französische Polizei ihn angeschossen hatte.

Der Angreifer war der Polizei zufolge am Donnerstag gegen neun Uhr morgens in die katholische Basilika Notre-Dame im Zentrum von Nizza eingedrungen. Dort tötete er einen 55-jährigen Küster und schnitt einer 60-jährigen Frau so tief die Kehle durch, „dass es einer Enthauptung gleich kommt“, wie der Staatsanwalt sagte. 

Große Bestürzung auf der ganzen Welt

Eine weitere Frau konnte zunächst in eine Bar flüchten, wo sie jedoch ihren Verletzungen erlag. Die Mutter von drei Kindern war brasilianische Staatsbürgerin. „Sagen sie meinen Kindern, dass ich sie liebe“, sagte die 44-Jährige laut dem französischen Fernsehsender BFM vor ihrem Tod.

In Frankreich wurden nach der grausamen Tat Rufe nach drastischen Gesetzesverschärfungen bis hin zu Verfassungsänderungen laut: Der Bürgermeister von Nizza, Christian Estrosi, und andere Vertreter der konservativen Republikaner forderten schärfere Flüchtlingskontrollen und eine landesweite Nutzung der elektronischen Gesichtserkennung. Die Rechtspopulistin Marine Le Pen rief die Regierung auf, verdächtige Muslim-Verbände aufzulösen und Gefährder abzuschieben. 

International rief der Anschlag große Bestürzung hervor, die EU-Länder sicherten Frankreich ihre Solidarität zu. Die UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet verurteilte alle „Aufrufe zum Hass“. Auch die Türkei, der Iran und andere muslimische Länder verurteilten die Tat. Marokko rief dazu auf, „das angespannte Klima rund um die Religion zu überwinden“.