Ein Mitglied der militant islamistischen Taliban ist am Explosionsort in der Nähe des Kabuler Flughafens. Foto: dpa/Saifurahman Safi

Der islamisch motivierte Terror war und ist nicht besiegt und lässt sich nur durch beherztes Handeln stoppen, meint unser Autor Franz Feyder.

Stuttgart/Kabul - Zwei zeitlich und räumlich aufeinander abgestimmte Bombenattentate, ein paar Salven aus Sturmgewehren dazu – das war das Konzept, mit dem die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) den Flughafen in der afghanischen Hauptstadt Kabul angriff. Es ist auch das Konzept, mit dem islamisch motivierte Terroristen schon bald wieder den Westen angreifen werden. Längst warnen Terrorexperten in den USA und Israel davor, dass Al-Kaida und der IS in ihrem Wettstreit um Kämpfer, Anhänger und vor allem um die Vorherrschaft in der muslimischen Welt den Siegesrausch der Taliban ausnutzen und in den USA und/oder Europa zuschlagen werden.

Vieles spricht dafür, dass es genauso kommen wird. Deshalb müssen die Regierungen von Washington bis Berlin die Frage beantworten: Sind wir vorbereitet? Viele Staaten haben die Bedrohung durch islamisch motivierte Terroristen ausgeblendet, nachdem allen voran Kurden in Syrien den IS seit 2016 in den Untergrund gekämpft haben.

Akteure und Finanziers mögen sich verändert haben, Strukturen nicht

Nirgendwo wie in Deutschland sind dadurch frei werdende Ressourcen für Aufklärung, Ermittlungen und Anti-Terror-Kampf so leichtfertig verschwendet worden: Experten im Bereich des Islamismus sahen sich unvermittelt mit Ermittlungen im Bereich des Rechtsextremismus und -terrorismus befasst. Statt mehr in Polizei und Verfassungsschutz zu investieren, um die Pause zu nutzen, der Bedrohung durch Islamisten besser begegnen zu können und gleichzeitig Rechtsterrorismus zu bekämpfen, wurde nur umgeschichtet.

Die Folge: Wissenschaftlich begleitete Analysen von Entwicklungen im islamisch motivierten – wie im rechten – Terror sind bei Inlandsgeheimdiensten wie der Polizei Mangelware. Stattdessen gibt es Überlegungen in deutschen Sicherheitsbehörden, die Spezialisierung auf die Phänomenbereiche Links- und Rechtsextremismus und Islam aufzugeben. So geht Expertise verloren. Wie die heute dringend benötigte um Waffenhandel und -schmuggel während des bosnischen Bürgerkriegs in den 1990er Jahren. Erkenntnisse nach den Attentaten in Paris im Jahr 2015 und Belgien 2016, dass Bosnien unverändert ein waffenstarrendes Land ist, aus dem nicht nur islamisch motivierte Terroristen in Frankreich, Großbritannien und Belgien für Attentate beliefert wurden, führen nicht dazu, altes Wissen zu sichern. Akteure und Finanziers mögen sich verändert haben, Strukturen nicht.

Wie vorbereitet ist Baden-Württemberg?

Auf mehrere, zeitlich aufeinander abgestimmte Anschläge wie jetzt am Flughafen Kabul sind Bundesländer wie Baden-Württemberg wenn überhaupt dann nur am Rande vorbereitet. Spezialisierte Verbände wie die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE) sind nicht dafür ausgebildet und -gerüstet, das Spezialeinsatzkommando (SEK) zu unterstützen: Terroristen so lange zu bekämpfen, bis in anderen Einsätzen gebundene Kräfte des SEK frei werden. Oder das SEK bei sich über Tage hinziehenden Einsätzen wie im Juli 2020 bei der Suche nach einem Bewaffneten im Ortenau-Kreis zu verstärken. Alleine schon, um dessen Einsatzkraft zu erhalten. Moderner Terrorismus lässt sich nicht in zwei Wellen, erst mit Streifenpolizisten, dann mit dem SEK, bekämpfen. Bundesländer wie Bayern, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben das erkannt. Baden-Württemberg nicht.

Kabul lehrt uns zwei Dinge. Erstens: Der islamisch motivierte Terrorismus war und ist nicht besiegt. Zweitens: Nur wenn in Deutschland die Regierungen schnell und beherzt reagieren, werden sie ihm auch begegnen und Menschenleben retten können. Wenn es eine Konsequenz aus der deutschen Schande von Fehleinschätzungen, Totalversagen und der fehlenden Strategie in Afghanistan gibt, dann die: Jetzt handeln!