Der größte Islam-Dachverband in Deutschland steht in der Kritik. Foto: dpa

Die Ditib, größter Islam-Dachverband in Deutschland, steht schon seit Längerem in der Kritik. Vor allem wegen seiner Nähe zum türkischen Präsidenten Erdogan. Jetzt könnte der Inlandheimdienst ins Spiel kommen.

Köln/Berlin - Berichte über eine sich möglicherweise anbahnende Beobachtung der Ditib durch den Verfassungsschutz haben zu neuen Diskussionen über den größten Islam-Dachverband in Deutschland geführt. CDU-Innenpolitiker Christoph de Vries sagte am Freitag, er sehe bei der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) verfassungsfeindliche Tendenzen. „Es ist gut, dass Ditib auf Bundesebene nun ins Visier des Verfassungsschutzes genommen wird. Die Linken-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen aus Bochum nannte es „überfällig, dass die Sicherheitsbehörden vor Ditib warnen“. Der Verband sei „gemeingefährlich“.

Die Ditib in Köln äußerte sich auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur zunächst nicht. In wenigen Tagen kommt der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan nach Deutschland und will dabei auch die Ditib-Zentralmoschee in Köln eröffnen.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) prüft laut „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR eine Beobachtung der Ditib-Zentrale in Köln. Das BfV habe ein Dossier mit Ditib-Informationen an die Länder verschickt, die bis Mitte Oktober Material und eine Stellungnahme übermitteln sollten.

Große Nähe zu Erdogan

Beim Inlandsgeheimdienst hieß es: „Im Zusammenhang mit aktuellen Geschehnissen (insbesondere mit Blick auf die türkische Militäroperation in Nordsyrien) hat das BfV festgestellt, dass einzelne Ditib-Moscheegemeinden verfassungsfeindliche nationalistisch-religiöse Aktivitäten entwickelten und entsprechende Äußerungen tätigten.“

Den Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland verwundert die angebliche Prüfung einer Ditib-Beobachtung durch das BfV nicht. „Nach den letzten Entwicklungen überrascht mich das nicht“, sagte Gökay Sofuoglu der Deutschen Presse-Agentur. Die Ditib war in der Vergangenheit unter anderem wegen ihrer große Nähe zu Erdogan sowie wegen einzelner Imame, die Spitzeldienste für Ankara geleistet haben sollen, unter Beschuss geraten.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete de Vries mahnte nun, die Länder sollten an einem Strang ziehen. Der Verband nehme unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit seit geraumer Zeit mit nationalistischer und religiös-fundamentalistischer Propaganda Einfluss auf Muslime in Deutschland. In Ditib-Gemeinden würden Kriege glorifiziert. Die Integration von Menschen mit türkischen Wurzeln werde verhindert. Falls die Ditib vom Verfassungsschutz zum Beobachtungsfall erklärt werde, gehöre zwingend auch die Mitgliedschaft des Verbandes in der Deutschen Islamkonferenz auf den Prüfstand, sagte er der dpa.

Berichte über Kinder, die Kriegsszenen spielen, sorgen für Unruhe

Die Ditib untersteht der Religionsbehörde Diyanet in Ankara, die schon per Satzung starken Einfluss nehmen kann. Sie entsendet alle Ditib-Imame in den gut 900 Moscheegemeinden und bezahlt sie. Zuletzt hatten Berichte für Unruhe gesorgt, denen zufolge Kinder in Uniformen und mit türkischen Fahnen in Ditib-Gemeinden Kriegsszenen nachspielen sollten. Der Dachverband war lange zentraler Ansprechpartner der deutschen Politik in Fragen der Integration. Das hat sich in den vergangenen zwei Jahren aber deutlich geändert.

Der Bund fördert keine Projekte in Ditib-Trägerschaft mehr, wie das Innenministerium kürzlich mitgeteilt hatte. Nordrhein-Westfalens Landesregierung hat ihre Kooperation mit dem Bundesverband auf Eis gelegt. NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) sucht aber das Gespräch mit Reformkräften in den Ditib-Moscheegemeinden, die vor Ort oft wertvolle Arbeit leisteten.

Sofuoglu merkte an, den Zeitpunkt der Berichte über die BfV-Pläne halte er für „allerdings überraschend“. Es werfe Fragen auf, warum man Spekulationen über eine Ditib-Beobachtung ausgerechnet kurz vor dem Besuch Erdogans in Deutschland Nahrung gebe. Aber: „Ich möchte keine Bewertung abgeben und auch mein Vertrauen in die deutschen Behörden nicht verlieren.“