Mord als IS-Propaganda: Der US-Journalist Steven Sotloff in einem Video der Terrormilizkurz vor seiner Enthauptung Foto: ISLAMIC STATE

Um ihre Todesurteile zu rechtfertigen, berufen sich die Terroristen des Islamischen Staates auf den Koran und auf saudische Theologen. Vor allem ein Berater des saudischen Königshauses empfahl Enthauptungen, um gefangene Ungläubige zu töten. Seine Schriften und Predigten verbreitet das Religionsministerium bis heute.

Um ihre Todesurteile zu rechtfertigen, berufen sich die Terroristen des Islamischen Staates auf den Koran und auf saudische Theologen. Vor allem ein Berater des saudischen Königshauses empfahl Enthauptungen, um gefangene Ungläubige zu töten. Seine Schriften und Predigten verbreitet das Religionsministerium bis heute.

 

Riad/Stuttgart - Der Mann in der schwarzen Maskerade eines Ninja-Kämpfers fuchtelt mit seinem Kampfmesser herum: „Solange Du, Obama, den Muslimen das Recht verweigerst, unter dem Recht des islamischen Kalifats zu leben, solange vergießen wir das Blut Deines Volkes“, sagt ein Mann mit britischem Akzent an den US-Präsidenten Barack Obama gerichtet. Sein Messer stößt er mehrfach in Richtung der Videokamera, mit der die barbarische Szene gefilmt wird, die dann folgt: Der Maskierte enthauptet den Journalisten James Wright Foley.

Hunderte Male haben bislang Terroristen des Islamischen Staates (IS) Menschen enthauptet. Und berufen sich dabei auf den Koran. Ihr Handeln sehen sie durch die Sure 8, Vers 12, gerechtfertigt: „Da dein Herr den Engeln offenbarte: ‚Ich bin mit euch; so festiget denn die Gläubigen. In die Herzen der Ungläubigen werde Ich Schrecken werfen. Treffet (sie) oberhalb des Nackens und schlagt ihnen die Fingerspitzen ab!’“

Der 1953 verstorbene indische Islamgelehrte Abdullah Yusuf Ali ergänzte in einer englischen Übersetzung desselben Verses die Passage: „. . . terrorisiert und enthauptet jene, die an andere Schriften als den Koran glauben“. Koranübersetzungen Alis vertreibt das saudi-arabische Religionsministerium bis heute. Übersetzungen, in der die Sure 43, Vers 4, des Korans mit diesem Wortlaut weiterverbreitet wird: „Wenn ihr (in der Schlacht) auf die stoßet, die ungläubig sind, trefft (ihre) Nacken; und wenn ihr sie so überwältigt habt, dann schnüret die Bande fest. Hernach dann entweder Gnade oder Lösegeld, bis der Krieg seine Waffen niederlegt. Das ist so. Und hätte Allah es gewollt, Er hätte sie Selbst strafen können, aber Er wollte die einen von euch durch die andern prüfen. Und diejenigen, die auf Allahs Weg getötet werden – nie wird Er ihre Werke zunichte machen.“ Beide Koran-Passagen machen sich die Henker des Islamischen Staates zu eigen, um in unmenschlicher Weise Menschen zu töten.

Ethische wie moralische Schützenhilfe bekommen sie dabei aus Saudi-Arabien. Dessen Justizminister Mohammed al-Isa verteidigte erst im Juni 2014 in einer Rede in Washington noch solche Bestrafungen. Ausdrücklich erwähnte er die Enthauptung und das Abschneiden der Hände und betonte, solche „Gottesstrafen können nicht verändert werden, weil sie im islamischen Recht verankert sind. Diese Bestrafungen beruhen auf göttlichen Texte – und wir können sie nicht verändern“.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kam am 7. August diesen Jahres auch der frühere Kommunikationsminister Saad bin Tafla al Ajami Kuwaits. In einem Gastbeitrag für die katarischen Tageszeitung „Al-Sharq“ schrieb er unter der Überschrift „Wir alle sind ISIS“: Die Dschihadisten „sind nicht von einem anderen Planeten, sie sind nicht ein Produkt des ungläubigen Westen oder einer vergangenen Orient“. Weiter schreibt er, die Mörder des damals noch Islamischer Staat im Irak und Syrien heißenden „ISIS“ haben „in unseren Schulen gelernt, in unseren Moscheen gebetet, unsere Medien, Bücher und Texte gelesen. Sie folgen unseren religiösen Vorgaben.“

Solche Fatwas haben eine lange Tradition unter den selbst ernannten Gotteskriegern. Ihre Blutspur reicht von Afghanistan über Bosnien und das Kosovo bis nach Syrien und den Irak. Gerechtfertigt auch durch den saudischen Fernseh- und Internetprediger Scheich Aaidh ibn Abdullah al-Qarni . Im Staatsfernsehen des Wüstenstaates forderte er in einer Lesung über den Koran und Dschihad 2006: „Kehlen müssen durchgeschnitten und Schädel zerschmettert werden – das ist der Weg zum Sieg!“ Der 54-jährige beruft sich auf Vorgaben seines Lehrers, des einflussreichen Gelehrten Muhammad ibn Salih al-Uthaymi. Der 2001 verstorbene Scheich stand dem saudischen Königshaus nahe. 1999 lehnte er es ab, Großmufti des Landes zu werden. Bis zu seinem Tod beriet al-Uthaymi die Regierung seines Heimatlandes in religiösen und rechtlichen Fragen.

Er war überzeugt: „Wir haben Allah gebeten, die Muslime unter der Wahrheit zu vereinigen und ihnen gegen ihre Feinde zu helfen. Wir haben ihn gebeten uns zu lehren, wer unsere Feinde wirklich sind: Alle Nicht-Muslime sind Feinde des Islam ungeachtet wer sie sind.“

Für den Umgang mit ihnen hatte al-Uthaymi klare Vorstellungen: „Sie müssen getötet werden, wie immer auch das im Einzelnen geschieht. Die Enthauptung ist dabei sicherlich die einfachste Art und Weise.“ Von einem Schüler wurde der Scheich daraufhin gefragt, ob er ihnen gerade ein Gleichnis erzählt habe. Nein, antwortete al-Uthaymi, „niemals: Du sollst nicht seine Hände und Füße abhacken. Schneide seinen Hals ab und er wird auf der Stelle sterben.“

Der als 76-jähriger verstorbene Gelehrte gilt bis heute als einer der einflussreichsten Kleriker innerhalb des salafistisch-dschihadistischen Bewegung. Seine Lehren und Predigten werden von muslimischen Fundamentalisten in der arabischen Welt ebenso verehrt wie von denen im Westen. Zumal al-Uthaymi beste Beziehungen zu Vordenkern der Terrorgruppe El-Kaida wie Osama bin Laden und seinem Nachfolger Aiman az-Zawahiri unterhielt.

Der amerikanische Islamwissenschaftler Ron Hassner ist sich sicher, dass der Anführer des Islamischen Staates, Abu Bakr al-Baghdadi, stark von dem Saudi beeinflusst wurde: „Deshalb ist für mich heute die Frage, wie solche Phänomene von Anführern der Radikalen wie al-Baghdadi innerhalb des Islam genutzt und weiterentwickelt werden.“ Zumal, ist der Professor der Universität von Berkeley überzeugt, brutale Bestrafungen wie Enthauptungen von der Mehrzahl der Muslime abgelehnt werden. Deren Islam sei nicht so, wie der, den IS-Terroristen brutal in die Öffentlichkeit rückten.