In einem Video auf der Videoplattform Youtube erzählt Ashwaq von der Begegnung mit ihrem Peiniger. Foto: Screenshot/Youtube

Eine Jesidin will in Schwäbisch Gmünd ihren Peiniger aus der IS-Gefangenschaft gesehen haben. Weil sie ihre Sicherheit nicht gewährleistet sieht, fliegt sie zurück in den Irak – und erhebt nun Vorwürfe gegen die Polizei.

Schwäbisch Gmünd/Erbil - Als Ashwaq am 21. Februar dieses Jahres durch die Innenstadt von Schwäbisch Gmünd nach Hause geht, verfolgt sie ein Mann. Er holt die 19 Jahre alte Frau ein, hält sie fest und fragt, ob sie Ashwaq sei. Die junge Jesidin blickt in das Gesicht des Schreckens. Es soll das bärtige Gesicht jenes Mannes sein, der sie als Mitglied der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat (IS) im Nordirak gekauft und gepeinigt haben soll. Ashwaq rennt davon, flüchtet sich in einen Supermarkt.

Sie habe so viel Angst gehabt, dass sie nichts habe sagen können. Der Mann habe ihre Adresse gehabt und gewusst, seit wann und wo sie mit ihrer Mutter und ihrem Bruder in Deutschland lebe, beklagt sie jetzt in einem Video, das sich in diesen Tagen im Internet über den Kurznachrichtendienst Twitter und die Videoplattform Youtube verbreitet hat. Auch anderen Frauen, die der verfolgten religiösen Minderheit der Jesiden angehören, sei es wie ihr ergangen. Auch sie hätten IS-Mitglieder getroffen, die sie gefangen gehalten hätten. Niemand unternehme was dagegen, wirft sie den baden-württembergischen Sicherheitsbehörden vor.

Für das LKA ist die Frau nicht erreichbar

Das Landeskriminalamt (LKA) erklärt, man habe am 13. März die Ermittlungen übernommen. Man könne sie jedoch nicht fortführen, weil die Zeugin für Rückfragen „aktuell nicht erreichbar“ sei. Nach Informationen unserer Zeitung liegt das daran, dass die junge Frau Mitte März – kurz nach dem ersten Termin im Stuttgarter LKA, bei dem ein Phantombild erstellt wurde, ein Psychologe eine weitergehende Vernehmung aber abbrach – nach Erbil im Irak geflogen und seither nicht mehr nach Deutschland zurückgekehrt ist.

Offensichtlich ist Ashwaq nach wie vor in Erbil. Dem Nachrichtenportal „Basnews“ schilderte sie jedenfalls vor wenigen Tagen ihre ganze Geschichte. So sei sie Anfang August 2014 bei einem Angriff von Terroristen des sogenannten Islamischen Staats auf ihr Dorf in der Region Sindschar erst verschleppt und später in Mossul als Sexsklavin für 100 US-Dollar an einen der IS-Soldaten, Abu H., verkauft worden. Sie sei von dem Mann gezwungen worden, zum Islam zu konvertieren. Und er habe sie drei Monate lang Tag für Tag missbraucht, erzählt die Kurdin.

Über Kretschmanns Sonderkontingent nach Baden-Württemberg

Ashwaq hatte jedoch Glück, konnte fliehen – und wurde Juni 2015 als eine von 1100 besonders schutzbedürftigen IS-Opfern aus dem Nordirak für ein Sonderkontingent des Staatsministeriums ausgewählt und nach Baden-Württemberg geholt.

Gemeinsam mit ihrer Mutter und zwei ihrer Brüder lebte sie in Schwäbisch Gmünd im Ostalbkreis, ging dort zur Schule – bis sie ihrem Peiniger begegnet sein will. Ashwaq behauptet, die Polizei habe ihr gesagt, der Mann sei ein Flüchtling wie sie auch und man könne nichts machen. Für den Notfall habe sie nur eine Telefonnummer erhalten. Deshalb sei sie nach Kurdistan geflohen, sie wolle nie wieder nach Deutschland kommen.

Bis zu 95 Millionen Euro für Jesiden-Hilfsprogramm

Doch läuft etwas schief, wenn eine als besonders schutzbedürftig eingestufte Frau das Leben im Irak als sicherer erachtet als das im Südwesten? Das Staatsministerium, das für das erst vor kurzem bis ins Jahr 2021 verlängerte und bis zu 95 Millionen Euro teure Hilfsprogramm für Frauen jesidischen Glaubens verantwortlich ist, verweist nur auf das Innenministerium. Und jenes Ressort bestätigt lediglich die Ermittlungen des LKA und teilt mit, dass sich die Betroffene nach Kenntnisstand der Polizei im Irak aufhält.

Weil es sich bei dem Verdächtigen um ein mutmaßliches Mitglied des sogenannten Islamischen Staats handelt, führt inzwischen der Generalbundesanwalt in Karlsruhe die Ermittlungen. Leider seien die Angaben der jungen Frau nicht sehr präzise gewesen und der Name, den sie nannte, habe sich keiner Person zuordnen lassen, so eine Sprecherin. Im Juni habe man versucht, die Jesidin erneut zu befragen. Zu diesem Zeitpunkt sei sie allerdings schon bei ihrer Familie im Irak gewesen.

Ohne dass Ashwaq kooperiert, dürfte es aber schwierig werden, Abu H. zweifelsfrei zu identifizieren.