Der Bezirksvorsteher Peter-Alexander Schreck sagt, er habe die Praxis, die nun zu Irritationen führt, so einst übernommen. Foto: Archiv Simone Bürkle

Eher beiläufig erfahren die Bezirksbeiräte in Stuttgart-Sillenbuch von einer formalen Regel, die sie ziemlich erstaunt: Die Stadt muss ihre mündlichen Anfragen nicht zwangsläufig beantworten. Der Grund und die Reaktionen stehen hier.

Sillenbuch - Es ist die Sitzung des Sillenbucher Bezirksbeirats Ende Juni. Der SÖS/Linke-plus-Vertreter Manfred Riesle bringt eine schriftliche Anfrage ein. Im Kern dreht sie sich um ein mögliches Park-and-Ride-Parkhaus in der Schwende. Ulrich Storz (SPD) reagiert genervt und verweist auf den 16. November 2016. Da hatte Riesle eine inhaltlich ähnliche Anfrage vorgetragen, und schon damals hatte Storz darauf verwiesen, dass bereits in der Sitzung im April 2016 ein ebenfalls gleichbedeutender Antrag behandelt worden und aufgrund stadtklimatologischer Gründe abgelehnt worden war.

Das sei Beschäftigungstherapie für die Stadt Stuttgart

Ein Wortgefecht entbrennt, Storz spricht von einer „Beschäftigungstherapie“, andere pflichten ihm bei. An Riesle prallt das ab. Er argumentiert vielmehr damit, dass der Verkehrsminister Winfried Hermann erst jüngst an der fraglichen Stelle ebenfalls über die Möglichkeiten eines Parkhauses gesprochen habe.

Der Bezirksvorsteher Peter-Alexander Schreck setzt dem Zank ein Ende – aber anders als erwartet. Die Stadt werde die Anfrage ohnehin nicht antworten, da sie lediglich von einem Einzel-Rat komme. Das sei Verwaltungspraxis, „und das ist auch der Grund, warum Ihre Anfrage von November nicht beantwortet wurde“, setzt er nach.

Das sitzt. Nicht nur Manfred Riesle reagiert irritiert. Das gab es doch noch nie, ist der Tenor. Philipp Kordowich (CDU) stellt in den Raum: „Wenn dem so wäre, müssten wir künftig über Anfragen abstimmen.“ Auch Knut Krüger (FDP) fordert: „Das müssen wir schriftlich bekommen.“

Bisher wurde das in Stuttgart-Sillenbuch anders gehandhabt

Fabian Mayer, der Verwaltungsbürgermeister, bringt auf Anfrage Licht ins Dunkle. „Das ist keine Verwaltungspraxis, sondern die Rechtsgrundlage, die das vorgibt.“ In der Geschäftsordnung sei verankert, dass einzelne Bezirksbeiräte – im Gegensatz zu Stadträten – kein Auskunftsrecht hätten, das haben sie nur als Kollektivorgan. Sprich: Soll eine Anfrage aus dem Bezirk im Rathaus bearbeitet werden, muss zuvor ein zumindest mehrheitlicher Beschluss erfolgen. Auch mündliche Anfragen, die abseits der Tagesordnung unter Verschiedenes anklingen, müssen rein formal in der kommenden Sitzung ordnungsgemäß auf die Tagesordnung gesetzt und zur Abstimmung gebracht werden. „Ordnungsgemäß heißt unter anderen, dass der entsprechende Tagesordnungspunkt rechtzeitig im Amtsblatt bekannt gegeben gewesen sein muss, damit die Bürger im Voraus wissen, worüber der Bezirksbeirat debattiert und abstimmt“, erklärt Fabian Mayer.

Nur: Derartige Abstimmungen gab es im Sillenbucher Gremium noch nie. Seit Jahr und Tag. Knut Krüger, mit mehr als 30 Jahren im Gremium der dienstälteste Bezirksbeirat in Sillenbuch, reagiert perplex: „Das ist bei uns noch nie so gehandhabt worden. Das ist mir vollkommen neu.“ Auch andere Räte sind auf Nachfrage ratlos, ebenso der Bezirksvorsteher. „Das war vor meiner Zeit so, ich habe das übernommen“, erklärt Schreck. Die Bezirksverwaltung habe bereits bei der entsprechenden Stelle Auskunft erbeten, denn das verkompliziere das ganze Verfahren und verhindere den Informationsfluss erheblich, moniert er. Und Riesle wiederum ist empört: „Damit ist die Demokratie ausgehebelt. Kleine Fraktionen haben bei den Mehrheitsverhältnissen keine Chance.“

Bürgermeister plant eine Info-Veranstaltung

Auch wenn viele, etwa die Möhringer und Vaihinger, sich ans Protokoll halten, bekennt der Bürgermeister: Nicht alle Gremien kennen sich mit den „zum Teil sehr komplexen Regelwerken“ aus. Daher will er in seinem Referat die entsprechenden Infos aufbereiten und plant eine zentrale Veranstaltung in der ersten Hälfte des Jahres 2018.

Dass Anfragen aber einfach – wie in Sillenbuch geschehen – gar nicht beantwortet werden und im Nirwana verschwinden, sollte laut Mayer nicht passieren. „Die Bezirksbeiräte müssen zumindest einen Hinweis bekommen, dass die Anfrage formal den Anforderungen nicht entspricht. Idealerweise haben die Bezirksvorsteher diese Kenntnis selbst.“

Manfred Riesle moniert, einen solchen Wink niemals erhalten zu haben, „das wäre man zumindest dem Ehrenamt schuldig, das immer so hochgehalten wird“. Einige seiner Anfragen seien noch offen.