Irland hat seit der Parlamentswahl Ende Februar noch keine neue Regierung. Foto: DPA

Die Sparpolitik stärkt die Wirtschaft des Landes. Doch die Wähler strafen die Regierung ab. Botschafter Collins spricht von „komplizierter Lage“.

Stuttgart - Das politische Irland steht wohl noch bis Anfang April still. Denn auf die Feiern zum Nationalfeiertag St. Patrick’s Day am 17. März folgt in diesem Jahr noch das Gedenken an den Osteraufstand vor 100 Jahren, einer wichtigen Etappe auf dem Weg zur Unabhängigkeit von Großbritannien.

Dabei bräuchte das Land rasch eine neue Regierung. Ende Februar hatten die Wähler die Koalition aus der Mitte-rechts-Partei Fine Gael und der Mitte-linken Labour-Partei unter Premier Enda Kenny abgewählt, ohne einen klaren Gewinner zu bestimmen, der die Regierung übernehmen könnte.

„Menschen in Irland wollen Stabilität“

„Eine ziemlich komplizierte Lage“, sagt Michael Collins, Irlands Botschafter in Deutschland, bei einem Besuch auf der St. Patrick’s Day-Feier des irischen Honorarkonsuls Wolfgang Häfele in Stuttgart. Eine Prognose, in welcher Konstellation sein Land weiterregiert werden kann, wagt Collins nicht. Beobachter spekulieren über eine Minderheitsregierung der Liberalkonservativen unter Kenny oder gar über baldige Neuwahlen. Nur so viel: „Die Menschen in Irland wollen Stabilität“.

Mit Blick auf die Volksabstimmung der Briten über das Ausscheiden aus der Europäischen Union, drängt die Zeit, „Irland ist gegen den Brexit“, sagt Collins. Der wäre ein „großes Problem“ für die Beziehungen mit Großbritannien, dem wichtigsten Handelspartner Irlands. In Irland sei die EU noch immer populär.

EU ist in Irland populär

Die Wahlschlappe ist bitter für Enda Kenny, der derzeit die Amtsgeschäfte weiterführt. Als er 2011 die Regierung übernahm, litt das Land noch schwer unter den Folgen der Finanzkrise von 2008. 2015 aber war die irische Wirtschaft wieder um beinahe acht Prozent gewachsen. Auch andere wirtschaftliche Kennziffern Irlands sehen schon wieder ganz gut aus: Das Schuldenniveau bewegt sich auf dem europäischen Durchschnitt von 95 Prozent des Nationaleinkommens, die Arbeitslosigkeit ging von 15 Prozent auf acht Prozent zurück. Die rasche wirtschaftliche Erholung verdankt Irland unter anderem seiner Exportstärke. Das zeigt sich auch im Außenhandel mit Deutschland. So beläuft sich der deutsch irische Handel auf 23 Milliarden Euro. 40 Prozent davon entfallen allein auf den Handel mit Baden-Württemberg. Und: Mit Deutschland erzielen die Iren einen Exportüberschuss von beachtlichen sechs Milliarden Euro. Deutschlund ist der drittgrößte Handelspartner, der zweitgrößte ausländische Investor und mit 650 000 Besuchern jedes Jahr die Nummer drei im Tourismus.

Zorn trotz hervorragender Wirtschaftszahlen

Trotz all der guten Wirtschaftszahlen verfing der Slogan von Kennys Partei Fine Gael – „Lasst uns mit der wirtschaftlichen Erholung weitermachen“ – bei vielen Wählern nicht, weil sie vom Aufschwung noch zu wenig spüren. Sie sind zornig darüber, dass zwar die riesigen Schulden der Banken bedient wurden, sie aber mit noch immer mit den Folgen der Rezession zu kämpfen hatten. Obendrein wurden öffentliche Dienstleistungen zusammengestrichen. Als Wassergebühren eingeführt wurden, entstand die größte Massenbewegung in der neueren Geschichte Irlands. Den Iren, bei denen der Gedanke von sozialer Gerechtigkeit tief verwurzelt ist, missfiel, dass unter den Kürzungen besonders sozial Schwache litten.

Vor allem auf dem Land ist die Lage noch nicht gut. „Die Krise – das waren traumatische Zeiten“, meint Botschafter Collins. Davon erhole sich Irland noch immer. Und , wie es scheint, mit rasanter Geschwindigkeit.