Die „Stena Imperio“, hier im Hafen von Rotterdam, wurde von Teheran beschlagnahmt. Foto: AFP

Nach der Kaperung eines Schiffes durch die Revolutionsgarden sucht die britische Regierung nach einer angemessenen Antwort.

Tunis - Das Video ist eine Machtdemonstration. Schnellboote umkreisen den gekaperten britischen Tanker. Ein Hubschrauber rattert über dem Deck, während sich vermummte Spezialkräfte binnen Sekunden auf die „Stena Impero“ abseilen. 24 Stunden nach ihrer spektakulären Kommandoaktion in der Straße von Hormus veröffentlichten Irans Revolutionäre Garden die ersten Bilder ihres Einsatzes, der am Wochenende die Spannungen in der Region weiter anheizte. Am Persischen Golf hat der Iran das Sagen, lautet die Botschaft des kurzen Propagandafilms. Die britische Regierung dagegen drohte mit einer „robusten Antwort“ und „ernsten Konsequenzen“, sollte der in internationalen Gewässern beschlagnahmte Tanker nicht unverzüglich freigegeben werden, der jetzt bei der Hafenstadt Bandar Abbas vor Anker liegt. Das britische Kriegsschiff „Montrose“, was dem bedrängten Tanker hätte beistehen können, war zum Zeitpunkt der Kaperung etwa eine Stunde entfernt.

US-Truppen in Saudi-Arabien

Die iranische Hafen- und Schifffahrtsbehörde wirft der 23-köpfigen Besatzung vor, mit einem Fischerboot kollidiert zu sein und sich dann vom Unfallort entfernt zu haben. London forderte alle britischen Schiffe auf, die Meerenge vor der iranischen Küste bis auf weiteres zu meiden. Gleichzeitig erklärte der britische Außenminister Jeremy Hunt, man wolle die Situation nach Möglichkeit deeskalieren und diplomatisch lösen. Er werde das britische Parlament am Montag darüber informieren, was Großbritannien als Reaktion zu tun gedenke.

Unterdessen kündigte Irans regionaler Hauptrivale Saudi-Arabien an, das Königshaus werde erstmals seit 2003 wieder amerikanische Truppen auf saudischem Boden erlauben. Nach amerikanischen Medienberichten handelt es sich zunächst um 500 Soldaten, die offenbar die Verlegung eines US-Fluggeschwaders vorbereiten sollen. Die während des Kuwait-Krieges 1991 gegen Saddam Hussein stationierten US-Einheiten waren 2003 nach dem Ende des Irakfeldzugs von US-Präsident George W. Bush abgezogen worden.

Kämpfe in Teherans Führung

Aus Teheraner Sicht ist die Militäroperation im Persischen Golf eine Vergeltung für die Beschlagnahme eines iranischen Tankers durch die britische Marine nahe Gibraltar vor zwei Wochen. Am Freitag hatte dort das höchste örtliche Gericht angeordnet, der Supertanker müsse weitere 30 Tage vor Anker bleiben. Die „Grace 1“ soll Rohöl für den syrischen Mittelmeerhafen Baniyas geladen haben, was die Islamische Republik bestreitet. Der Oberste Revolutionsführer Ali Khamenei verurteilte das britische Vorgehen als „einen Akt der Piraterie“, der nicht ohne Antwort bleiben werde.

Hintergrund des Nervenkriegs am Golf ist die sich verschärfende Krise um das 2015 mit dem Iran geschlossene Atomabkommen. Nach dem Ausstieg von Donald Trump im Mai 2018 und der Reaktivierung der Sanktionen durch die USA gerät die Islamische Republik wirtschaftlich immer stärker unter Druck, auch weil die europäischen Vertragsstaaten nicht bereit sind, sich offen mit Washington anzulegen und weiterhin iranisches Öl abzunehmen. Innerhalb der politischen Elite der Islamischen Republik toben ebenfalls heftigen Kämpfe zwischen Scharfmachern und Moderaten um die künftige Strategie.

Außenminister Mohammad Javad Zarif ließ vergangene Woche bei seinem UN-Besuch in New York durchblicken, sei Land sei nicht nur bis 2023, wie im Atomvertrag vereinbart, sondern zeitlich unbegrenzt zu scharfen Kontrollen durch die Internationale Atomenergiebehörde IAEO bereit, wenn dafür die amerikanischen Sanktionen dauerhaft außer Kraft gesetzt würden. Zarifs zweite Andeutung in einem NBC-Interview, der Iran könne auch über sein Raketenarsenal mit sich reden lassen, wurde dagegen von den eigenen Hardlinern sofort dementiert. „Diese Waffen sind absolut und unter keinen Umständen verhandelbar“, erklärte ein Sprecher der iranischen UN-Mission.

Vermittlungsversuche

Nach amerikanischen Medienberichten sprach Zarif in New York erstmals mit dem republikanischen Senator Rand Paul, der von Donald Trump beauftragt worden war, Gesprächskanäle mit Teheran auszuloten. Als wichtigster europäischer Vermittler gilt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der allerdings über die provokante Verhaftung der französisch-iranischen Wissenschaftlerin Fariba Adelkhah in Teheran sehr verärgert ist. Die Bundesregierung verurteilte Irans Vorgehen als einen „nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die zivile Schifffahrt, der eine ohnehin angespannte Lage gefährlich weiter verschärft“. Dadurch könnten alle laufenden Bemühungen um einen Ausweg aus der derzeitigen Krise unterminiert werden, hieß es in Berlin.