Irans Revolutionsgardenchef drohte bereits im April mit Angriffen auf US-Schiffe. Foto: dpa

Der Iran hat fünf Öltanker auf die Reise geschickt, um dem von US-Sanktionen betroffenen Venezuela zu helfen. Washington will das Geschäft nicht zulassen. Nun droht eine militärische Konfrontation zwischen den USA und dem Iran.

Teheran/Caracas - Im Dauerstreit zwischen dem Iran und den USA droht die nächste Konfrontation – und zwar in der Karibik. Der Iran hat fünf Öltanker auf die lange Reise nach Venezuela geschickt, um dem ebenfalls von US-Sanktionen betroffenen Regime von Präsident Nicolas Maduro zu helfen. US-Kriegsschiffe könnten versuchen, die iranischen Tanker vor der venezolanischen Küste aufzuhalten. Für diesen Fall droht der Iran bereits mit Vergeltung, und die Erfahrung zeigt, dass dies keine leere Drohung ist. Erst vor wenigen Wochen hatten iranische Schnellboote im Persischen Golf amerikanische Kriegsschiffe bedrängt und beide Länder an den Rand einer militärischen Auseinandersetzung gebracht.

Wie der Iran ist Venezuela ein ölreiches Land, das mit US-Sanktionen zu kämpfen hat. Weil die amerikanischen Strafmaßnahmen die Lieferung von Zusatzstoffen und Ersatzteilen für venezolanische Raffinerien verhindern, ist Benzin dort Mangelware. Die iranischen Tanker, die laut Medienberichten Benzin für mehr als 40 Millionen Dollar an Bord haben sollen, könnten Abhilfe schaffen. Für den Iran könnte die Lieferung helfen, die Staatskasse etwas aufzufüllen, die wegen der US-Sanktionen gegen iranische Ölexporte fast leer ist.

Iran droht den USA

Washington will das Geschäft nicht zulassen. Die Administration von Präsident Donald Trump lege sich Gegenmaßnahmen zurecht, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters eine Quelle im amerikanischen Regierungsapparat. Wie diese aussehen sollen, ist unklar, doch der Iran vermutet, dass die USA ihre Kriegsmarine losschicken. Außenminister Dschawad Sarif warf den USA in einem Brief an UN-Generalsekretär Antonio Guterres vor, Kriegsschiffe in der Karibik in Stellung zu bringen, um die iranischen Tanker aufzuhalten. Ein solcher Einsatz wäre „Piraterie“ und würde Konsequenzen haben, für die allein die USA verantwortlich seien, warnte Sarif.

Der iranische Regierungssprecher Ali Rabiei ergänzte, Geschäfte zwischen dem Iran und Venezuela gingen niemanden etwas an. Die USA sollten „keinen Fehler machen“: Sein Land bereite sich auf den Ernstfall vor. In Teheran wurde der Botschafter der Schweiz, die im Iran die diplomatischen Interessen der USA vertritt, ins Außenministerium einbestellt.

Teheran will einen offenen Krieg mit den USA vermeiden, den Amerikanern aber zugleich klarmachen, dass ihre Soldaten im Nahen Osten zum Opfer iranischer Militärschläge werden könnten. Wie eine iranische Vergeltung aussehen könnte, ist seit der jüngsten Eskalationsrunde zwischen Teheran und Washington zu Jahresbeginn absehbar.

Nach dem amerikanischen Mordanschlag auf den iranischen Elite-General Qassem Soleimani in Bagdad im Januar schossen die Iraner mehr als ein Dutzend Raketen auf US-Militärstützpunkte im Irak ab. Mehr als hundert amerikanische Soldaten erlitten bei dem Bombardement Gehirnerschütterungen und andere Verletzungen. Seitdem gab es weitere Raketeneinschläge im Irak, die dem Iran oder pro-iranischen Milizen zugeschrieben wurden.

Sorgen der Vereinigten Arabischen Emirate

Im April folgten mehrere weitere Krisen. Zuerst fuhren iranische Schnellboote gefährlich nahe an US-Kriegsschiffe im Persischen Golf heran, dann schoss die Revolutionsgarde den ersten iranischen Militärsatelliten ins All. Schließlich drohte die Garde mit Angriffen auf US-Schiffe. Im vergangenen Jahr attackierte die Revolutionsgarde ausländische Öltanker im Golf mit Haftminen.

Die neue Eskalation macht die amerikanischen Verbündeten in der Golf-Region nervös. Die Ölindustrie Saudi-Arabiens wurde im vergangenen Jahr durch einen Drohnenangriff auf eine Raffinerie teilweise lahmgelegt. Neue Spannungen könnten die Bemühungen der Golf-Staaten zunichtemachen, die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie zu begrenzen. Anwar Gargash, Staatsminister der Vereinigten Arabischen Emirate, sagte der britischen BBC, alle Staaten der Golf-Region würden nach der Pandemie „schwächer, ärmer und beschädigt“ sein. Deshalb hoffe er auf einen Abbau der Spannungen. Der Streit um die Öltanker in der Karibik deutet allerdings auf das Gegenteil hin.