Die Stadt Pforzheim von oben. Foto: dpa

In keiner anderen Stadt im Südwesten leben so viele irakische Flüchtlinge wie in Pforzheim.

Pforzheim - Ob Sprachkurse, Förderklassen oder Beratungsstellen: Zwei bis drei Millionen Euro zahlt Pforzheim jedes Jahr für die Integration von irakischen Flüchtlingen. Kosten, die wachsen, denn der Flüchtlingsstrom nimmt kaum ab. Bis Mitte des vergangenen Jahrzehnts lebten in Pforzheim noch eine Handvoll irakischer Asylbewerber, bis zum Jahr 2007 war ihre Zahl bereits auf 600 angewachsen. Mittlerweile sind es 1400. Im gesamten Südwesten leben 7500 irakische Asylbewerber.

Doch warum gerade Pforzheim? Es ist die Sogwirkung, die viele Iraker dorthin zieht. Familienväter holen ihre Ehefrauen und Kinder nach Pforzheim, neue Asylbewerber kommen, weil dort schon Freunde, Bekannte und Verwandte wohnen. Die meisten Iraker in Pforzheim sind Jesiden, eine Religionsgemeinschaft, die bekannt ist für ihre zusammengeschweißte Clan-Gesellschaft. Und genau diese Clan-Gesellschaft macht den Pforzheimer Verantwortlichen zu schaffen. „Viele Familien sehen keine Notwendigkeit, Hilfe von außen in Anspruch zu nehmen“, sagt Pforzheims Sozialbürgermeisterin Monika Müller. Die Hilfe, ob in Person von Übersetzern oder Nachhilfelehrern, würde sich meist innerhalb der Familie finden. „Vor allem an die erwachsenen Frauen kommen wir fast nicht ran“, sagt Monika Müller.

Eine Liste für Ministerin Öney

Ein Problem, das auch im Integrationsministerium bekannt ist. „Die jesidischen Iraker leben sehr traditionell orientiert in Clan-Strukturen und weisen eine große Distanz zur Mehrheitsbevölkerung auf“, sagt Ministerin Bilkay Öney (SPD). Die nach Pforzheim kommenden irakischen Jesiden verfügen meist über wenig Schulbildung, oft fehlt jede Grundlage des Lesens und Schreibens. Viele Frauen werden nach Expertenaussage bereits im Alter von 16 Jahren verheiratet, oft sind es arrangierte Ehen innerhalb der eigenen Kaste. „Für spezielle Zuwanderergruppen muss es spezielle Förderkonzepte geben“, fordert Monika Müller.

Vor wenigen Monaten sei Öney zu Gast in Pforzheim gewesen. Dabei habe man ihr eine Liste überreicht, auf der Projekte stehen, die das Land unterstützen soll, sagt Monika Müller. Unter anderem ein Deutsch-Programm für Mütter, bei dem die Kinder zur selben Zeit betreut werden. Oder ein umfassendes Integrationskonzept. Gemeldet hat sich das Integrationsministerium bisher nicht. „Die beteiligten Ministerien prüfen derzeit, welche weiteren Fördermöglichkeiten bestehen“, heißt es dort. Denn bereits jetzt würde der Stadtkreis Pforzheim von „Finanzmitteln für die Integrationsförderung und durch Maßnahmen im Bereich der Schule“ profitieren – 11.000 Euro jedes Jahr (ab diesem Jahr: 15.000 Euro) für die „soziale Beratung und Betreuung von Spätaussiedlern und bleibeberechtigten Ausländern“ sowie weitere 28.500 Euro zur Finanzierung von Integrationsprojekten.