Fünf Jahre nach dem Tod des einstigen Präsidenten Hugo Chávez taumelt Venezuela in den Abgrund. Foto: AFP

Tobias Federkeil, Experte für politische Risiken, sieht mehrere Länder Lateinamerikas am Scheideweg. Darauf sollten sich Investoren einstellen.

Stuttgart - In Krisenregionen Geld zu investieren ist unter Umständen schwierig – denn im schlimmsten Fall ist die Invesition verloren. Damit das nicht passiert, gibt es Versicherungen. Tobias Federkeil, Experte für politische Risiken, erklärt, worauf es dabei ankommt.

Herr Federkeil, wie bewerten Sie die Risiken für Investitionen in Nicaragua?

Anfang des Jahres war die Welt aus der Ferne betrachtet noch in Ordnung, mittlerweile hat sich die Risikolage deutlich verschärft. Allerdings war Nicaragua auch schon vor den Unruhen bei Versicherern für politische Risiken nicht sonderlich beliebt, das gleiche gilt für andere Länder in der Region wie Ecuador oder El Salvador.

Wie bewerten Sie die politischen Risiken?

Unsere Bewertung basiert auf einer Einschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeit im Sinne des Länderrisikos und dem Schadenpotenzial. Wir empfehlen unseren Kunden, sich rechtzeitig mit dem Thema zu beschäftigten und dabei immer eine mehrjährige Perspektive ins Auge zu fassen. Wenn erst einmal „Rauch aufsteigt“, reagieren Versicherer aber auch schnell und bieten gegebenenfalls keine neuen Deckungen mehr an. Es ist schwierig, noch etwas zu machen, wenn das Haus schon brennt.

Brennt es derzeit in Nicaragua?

Das würde ich so nicht sagen. Es handelt sich um eine schwere Krise mit entsprechender Verschlechterung des politischen und wirtschaftlichen Ausblicks. Aber Venezuela ist in diesem Sinne ein „brennendes Haus“. Politische Risiken sind dort schon seit mehreren Jahren nicht mehr versicherbar.

Welche Risiken muss ein Unternehmen, das in instabilen Regionen investiert, einkalkulieren?

Da gibt es grob gesagt drei Kategorien. Erstens Sachschäden aufgrund von unmittelbarer politischer Gewalt. Dazu gehören Terror, soziale Unruhen, separatistische Bewegungen, Bürgerkriege und Kriege. Die zweite Kategorie ist Rechtssicherheit, etwa die Frage, ob es ein unabhängiges Rechtssystem gibt und ob ein Unternehmen seine Rechte vor Gericht durchsetzen kann, sich zum Beispiel gegen staatliche Eingriffe wie Enteignungen zur Wehr setzen kann. Solche Fälle gab es in der jüngeren Vergangenheit etwa in Bolivien und Ecuador, aber auch in Argentinien. Die dritte Kategorie sind Währungsrisiken. Damit sind nicht die üblichen Wechselkursschwankungen gemeint, sondern die Gefahr, dass sich beispielsweise ein Importeur in Venezuela keine Dollar-Devisen mehr beschaffen kann, um die Rechnung für eine gelieferte Maschine zu bezahlen.

Sie sehen in Lateinamerika generell einen Trend zu politischer Instabilität. Wieso?

In etlichen Ländern fanden 2018 Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. In der Folge haben sich dort die kurzfristigen politischen Risikobewertungen verschlechtert. Ein aktuelles Beispiel ist Brasilien. Die strittigen Aussagen des neuen Präsidenten, Jair Bolsonaro, sind zunächst einmal Worte und noch keine Taten. Davon auszugehen, dass das Land auf dem Weg in die Militärdiktatur ist, wäre verfrüht. Unternehmen müssen sich allerdings auch mit diesen Entwicklungen auseinandersetzen.

Gibt es auch Lichtblicke in der Region?

Das sind Länder wie Panama oder Costa Rica. Kuba, wo man vor wenigen Jahren noch mit einer wirtschaftlichen Öffnung rechnen konnte, ist aber mittlerweile von seinem kranken Bruder Venezuela im Stich gelassen worden und die Beziehungen zu den USA haben sich wieder verschlechtert. Das gilt in ähnlicher Form auch für Nicaragua.