Die Asiatische Tigermücke kann viele Krankheitserreger übertragen – etwa das Dengue-Virus. Foto: dpa

Immer häufiger tauchen hierzulande neue, exotische Insekten- und Tierarten auf. Zuletzt zum Beispiel die Falsche Witwe oder die Hyalomma-Zecke. Das Problem: Sie haben kaum natürlichen Feinde. Welche Zuwanderer gibt es – und wie gefährlich sind sie?

Stuttgart - Sie sehen der Schwarzen Witwe zum Verwechseln ähnlich: Zwei Populationen der Spinnenart Falsche Witwe haben sich in Deutschland angesiedelt – in Gartencentern. Heimisch ist diese Art eigentlich auf der portugiesischen Insel Madeira und auf den Kanarischen Inseln. Doch über den Pflanzenhandel hat sie sich inzwischen weltweit verbreitet, reiste vor allem mit Kakteen weiter. Immerhin: Wirklich gefährlich wird sie den Menschen nicht. „Ihr Biss tut weh, macht aber weiter keine Probleme“, sagt Rainer Oehme vom Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg.

Das Phänomen ist nicht neu: Gütertransporte und Reisende bringen immer wieder neue Tier- und Insektenarten hierher. Und auch das wärmer werdende Klima sorgt dafür, dass sich exotische oder früher nicht heimische Arten auf einmal hier ausbreiten können. Die räumliche Verbreitung von Tier- und Pflanzenarten sei ganz wesentlich vom Klima bestimmt, heißt es etwa bei der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW): Sogar die Struktur ganzer Ökosysteme könne sich verändern, wenn sich Verbreitungsgebiete verlagern oder sich Fortpflanzungs- und Konkurrenzverhalten einzelner Arten ändern.

Die Tigermücke wird sich hier einbürgern, vermuten Experten

Zum Beispiel die Tigermücke. Sie hat sich mittlerweile fest in Italien angesiedelt, doch auch in Deutschland wurde sie in manchen Gegenden vermehrt nachgewiesen. In Heidelberg etwa besiedelten die Tigermücken im vergangenen Sommer eine Kleingartenanlage. Das schwarz-weiß gestreifte Insekt gilt als extrem gefährlich, obwohl es nur wenige Millimeter groß wird. Die Mücke – wissenschaftlich: Aedes albopictus – kann mehr als 20 verschiedene Krankheitserreger aufnehmen und übertragen, darunter lebensbedrohliche Krankheiten wie das Dengue-Fieber, das Chikungunya-Fieber oder auch das Zika-Virus. Dabei reicht es theoretisch, wenn die Mücken einen infizierten Menschen stechen. In Italien erkrankten 2007 beispielsweise 200 Menschen innerhalb weniger Tage am Chikungunya-Fieber – wohl durch einen einzigen Infizierten. Die Mücke kann mehrfach direkt hintereinander stechen, das ist problematisch. Zwar gab es in Deutschland noch keine Fälle von Krankheitsübertragungen durch die Tigermücke, doch Wissenschaftler rechnen damit, dass dies kommen wird.

„Die Aedes albopictus wird sich bei uns einbürgern“, vermutet auch Rainer Oehme. „Noch halten sie sich nur in einzelnen Gebieten hier auf, aber man muss das beobachten.“ Wie eine andere Art, die asiatische Buschmücke (Aedes japonicus), reisen die Tigermücken mit Warentransporten aus Südeuropa nach Deutschland. Und weil die klimatischen Bedingungen sich verändern, können sie sich hier leichter ausbreiten. Die Buschmücke etwa ist hierzulande bereits etabliert.

Globale Handelsströme sind auch der Hintergrund, warum andere Tier- und Pflanzenarten – sogenannten Neobiota – nach Deutschland gelangen. Viele dieser eingeschleppten Arten sind nicht nur potenzielle Krankheitsüberträger, sondern können ganze Ökosysteme verändern und etwa für Schäden im Obst- und Gemüseanbau sorgen. Ein Beispiel dafür ist die marmorierte Baumwanze. Zwar ist sie schon vor einigen Jahren hier aufgetaucht, doch erst im vergangenen Jahr konnte sie sich drastisch verbreitet – dank des trockenen Sommers.

Die Amerikanische Rebzikade könnte dem Weinbau schaden

Wie man heimische Kulturpflanzen vor solchen Schädlingen bewahrt, untersucht Michael Glas, Abteilungsleiter Pflanzenschutz beim Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) in Karlsruhe. „Die Zahl der marmorierten Baumwanzen ist innerhalb eines Jahres total explodiert“, sagt er. Die Tiere sind zumindest für Pflanzen ein Problem: In Südeuropa etwa verursache die Pflanzensaft saugende Wanzenart für große Schäden im Obstbau. Und sie hat ein enormes Vermehrungspotenzial. In den USA, erzählt Michael Glas, seien mitunter ganze Hausfassaden von den Wanzen besiedelt. Denn im Herbst drängen die Tiere – wie heimische Wanzenarten auch – auf der Suche nach Wärmequellen in Häuser und Wohnungen. „Wir rechnen damit, dass die Baumwanzen in diesem Jahr auch hier in Deutschland deutlichere Schäden anrichten“ so Glas.

Die Pflanzenschutzexperten vom LTZ beobachten diese Art daher genau – und schauen intensiv nach ihrem Gegenspieler. In der Schweiz nämlich ist bereits ein Eiparasit aufgetaucht, der den marmorierten Baumwanzen Einhalt gebieten könnte. Würde er auch nach Deutschland gelangen, wäre das ein Weg, um die invasive Wanzenart zu bekämpfen. Einfach einführen kann man die faunenfremde Parasitenart nicht, da gibt es klare Arten- und Naturschutzregelungen.

Doch nicht immer findet sich ein Gegenspieler, den man fördern könnte. Da ist etwa der Asiatische Laubholzborkenkäfer, der in der Nähe von Böblingen Bäume befallen hat – und vor allem durch Rodungen bekämpft wurde. Oder die Kirschessigfliege aus Südostasien, die den europäischen Obstbauern seit einigen Jahren schwer zu schaffen macht – und meist mit Insektiziden bekämpft wird. Sorge bereitet Experten auch die Amerikanische Rebzikade, die nicht nur Weinpflanzen befällt, sondern auch Krankheiten überträgt – und die mit ersten Funden im Elsass bereits nachgewiesen wurde. „Durch die Klimaerwärmung könnte sich die Zikade bald auch hier wohler fühlen“, sagt Michael Glas. Verhindern könne man aber nicht, dass sich neue Arten in Deutschland ausbreiten und hier mitunter Probleme machen. „Es war schon immer so, dass Handelsströme fremde Arten und Krankheiten verbreitet haben.“ Vorschub leisten solle man dem aber nicht – etwa indem man unerlaubterweise Tiere oder Pflanzen aus anderen Ländern mitbringt.

Immerhin: Noch schaffen es viele Fremdlinge nicht, sich hier einzubürgern – etwa die Falsche Witwe. Bei ihr rechnen Experten hierzulande nicht mit einer weiteren Ausbreitung. Dort, wo es wärmer ist, könnte sie sich aber rasch verbreiten.