Die Chemie stimmt schon länger: der Gmünder CDU-Oberbürgermeister Richard Arnold (Mitte) mit seinen grünen Amtskollegen aus Stuttgart und Tübingen, Fritz Kuhn (links) und Boris Palmer (rechts), 2014 auf dem Landespresseball. Foto: dpa

Richard Arnold spricht Klartext: Der Gmünder CDU-Oberbürgermeister spricht sich glasklar für eine Grün-Schwarze Regierung in Baden-Württemberg aus und sagt über den ehemaligen CDU-Spitzenkandidaten Guido Wolf: „Auch Wölfe brauchen Ruhe- und Schutzräume.“

Stuttgart - Herr Arnold, Sie zählen zu den bekanntesten und unkonventionellesten CDU-Kommunalpolitikern im Land. Was raten Sie ihren Parteikollegen in Stuttgart? Eine Koalition mit den Grünen?
Aus kommunaler Sicht versteht man nicht, wo die Berührungsängste liegen. Wir Kommunalpolitiker sind pragmatisch und zupackend orientiert. Wenn wir gemeinsame Lösungen hinbekommen, dann machen wir das auch. Übertragen auf die Landespolitik heißt das: Was dem Land am meisten dient, wird jetzt gemacht. und das ist ganz klar Grün-Schwarz. Wir sind eine Gestalterpartei und keine Aushaltepartei. Wir müssen regieren und nicht Opposition aushalten.
Regieren könnte die CDU theoretisch auch mit der SPD und der FDP?
Ein völlig abwegiger Gedanke, weil das nicht der Wählerwille ist. Ich war irritiert, dass viele meiner Parteikollegen so vehement die sogenannte Deutschlandkoalition ins Spiel gebracht haben. Das kann man nur machen wenn man unter der Stuttgarter Käseglocke lebt. Dort halten sich alle in Echoräumen auf, die nur die Antwort hören, die sie gegenseitig hören wollen. Das hilft uns jetzt überhaupt nicht weiter . . .
Sondern?
Wir müssen mutig sein. Auch mit Blick auf die AfD. Sie ist nicht deshalb stark, weil es so viele rechtsradikale Wähler gibt, sondern weil viele Menschen politisch heimatlos geworden sind und sich von diffusen, oft grundlosen Ängsten bedroht fühlen. Vielen Menschen fehlt das Vertrauen in die politische Führung. Dem muss man entgegentreten und mutige klare politische Antworten haben. Die können aus meiner Sicht nur durch eine große Koalition von Grünen und CDU erfolgen.
Sehen Sie inhaltlich mehr Überschneidungen oder Gegensätze?
Grün-Schwarz, das passt – bei den Themen Integration/Flüchtlingsschutz ebenso wie bei der Infrastruktur von der Verkehrspolitik bis zum Breitbrandausbau. Auch bei der inneren Sicherheit. Und beim Umwelt- und Klimaschutz: Die eine Seite sagt dazu Nachhaltigkeit, die andere die Bewahrung unserer Schöpfung. Es kommt aber doch aufs Gleiche raus. Und es kommt noch was hinzu: In den letzten fünf Jahren hat Baden-Württemberg bei großen bundespolitischen und europapolitische Fragestellungen kaum eine Rolle gespielt. Das lag weniger an den Personen als an den Strukturen. Ein grüner Ministerpräsident kann sich auf Bundes- und Europaebene mit Niemandem so richtig verzahnen. Es war ja kein Zufall, dass Baden-Württemberg in den vergangenen Jahrzehnten unter CDU-Führung eine zentrale Rolle bei wichtigen föderalen Fragen gespielt hat. Ob Pflegereform oder europäische Verfassung – immer war es Baden-Württemberg, das für die Länder die Führung übernommen hat. Wir hatten das Vertrauen der föderalen Gemeinschaft. Mit Grün-Schwarz würde das wieder möglich.
Namhafte CDU-Politiker wollen die Parteibasis über eine Koalition mit den Grünen entscheiden lassen . . .
Eine Mitgliederbefragung wäre reine Hilflosigkeit. Wenn man regieren will, muss man mit Führung und Mut vorangehen. Bürger- oder auch Mitgliederbeteiligung heißt doch nicht, dass man schwierige und knifflige Entscheidungen einfach vor der Menge auskippt und sich aus der Verantwortung stiehlt. Jetzt ist politische Führung gefragt. Was ist denn da los bei euch in Stuttgart? Wenn ich das in Gmünd so machen würde, würden wir mit Glanz und Gloria untergehen.
Das sagen Sie so einfach . . .
Ich bin ein freier Oberbürgermeister, der der CDU angehört und sich jetzt aber einbringt, weil’s um mehr geht als um die Befindlichkeiten der CDU oder der Grünen. Es geht um unser Land.
Ist es wichtig, wer in dieser Phase an der Spitze der CDU steht?
Natürlich ist das wichtig. Es muss jemand sein, der - oder auch die - mit Mut führt. Das kann nicht jemand sein, der zaudert und zögert und taktiert. Das geht jetzt nicht.
Zaudern und zögern – das trifft auf den geschlagenen CDU-Spitzenkandiaten Guido Wolf zu.
Er hat es schwer gehabt und er hat auch gekämpft. Das war nicht einfach. Aber auch Wölfe brauchen Schon- und Schutzräume.
Viele in der CDU fürchten, eine Juniorpartnerschaft mit den Grünen, würde die Partei nur weiter schwächen. Angefangen vom früheren Ministerpräsidenten Stefan Mappus . . .
Ich weiß nicht, ob Mappus der geeignete Ratgeber ist. Wissen Sie: Alles im Leben ist mit Risiko behaftet. Es hängt immer davon ab, was man daraus macht und wer. Wenn das starke Persönlichkeiten sind, dann geht das. Unbestreitbar ist, dass Winfried Kretschmann in der Ahnengalerie baden-württembergischer Ministerpräsidenten ganz weit vorne steht. Die CDU muss es trotzdem versuchen.