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Eine Massenschlägerei mit einem getöteten 22-jährigen Mann hat vor Weihnachten Betroffenheit in Esslingen ausgelöst. Der Leiter der Sonderkommission „Obertor“, Michael Gerg, berichtet im Gespräch über die Ermittlungsarbeit.

Esslingen - Eine Massenschlägerei mit einem getöteten 22-jährigen Mann hat am Freitag vor Weihnachten Betroffenheit in der Stadt Esslingen ausgelöst. Die verfeindeten Banden der Red Legion und der Black Jackets hatten sich in der Innenstadt nahe des Obertors kurz vor Mitternacht eine Auseinandersetzung mit Messern und Schlagwerkzeugen geliefert. Eine Gruppe von mindestens 20 Mitgliedern der Red Legion hatte etwa zehn Black Jackets überfallen. Neben dem erstochenen jungen Mann wurden zehn weitere Männer teils schwer verletzt. Gestern sind zwei weitere Männer, ein 22-jähriger Iraker und ein 21 Jahre alter Türke, festgenommen worden. Damit sitzen nun zehn Tatverdächtige in Untersuchungshaft. Gestern Nachmittag ist des Getöteten unter großer Anteilnahme bei einer Trauerfeier in Ostfildern gedacht worden. Um die Tat mit mindestens 30 Beteiligten aufzuklären, wurde die Sonderkommission „Obertor“ mit 35 Beamten eingerichtet. Deren Leiter Michael Gerg spricht über die Ermittlungsarbeit und mögliche Konsequenzen, die sich aus dem blutigen Bandenkrieg ergeben.
Herr Gerg, Sie und Ihre 34 Kollegen von der Sonderkommission „Obertor“ haben sich die besinnlichen Tage sicher anders vorgestellt?
Wie Sie sich vorstellen können, hatten sich alle Kollegen kurz vor Weihnachten erholsame Feiertage gewünscht und sich auf ein gemütliches Weihnachtsfest eingerichtet. Leider mussten aber alle persönlichen Planungen zurückgestellt werden.

Wie war es Ihnen möglich, nach einer so unklaren Situation an einem Tatort mit vielen Beteiligten so schnell konkrete Ermittlungsergebnisse mit inzwischen zehn Festnahmen vorzuweisen?
Die Lage des Tatortes und die rasche Benachrichtigung der Polizei waren ein entscheidender Faktor. Überdies waren einige Personen verletzt und konnten so mit dem Vorfall in Verbindung gebracht werden. Der Überfall fand zudem im Kernbereich der Innenstadt bei Publikumsverkehr statt, sodass wir uns auf weitere Zeugenwahrnehmungen stützen konnten. Zudem wäre dieser Ermittlungsfortschritt so nicht möglich gewesen, wenn nicht so viele Kollegen die Bereitschaft gezeigt hätten, hier über die Feiertage zu ermitteln.

Wie wichtig sind dabei die Stunden und Tage unmittelbar nach der Tat?
Diese sind von elementarer Bedeutung. So müssen etwa Spurensicherungsmaßnahmen so schnell wie möglich vorgenommen werden, um die Spuren vor Vernichtung oder Veränderung zum Beispiel durch Regen zu schützen.

Ist es nicht auch von Bedeutung, eventuelle Zeugen zeitnah zu vernehmen?
Natürlich müssen Zeugenaussagen so schnell wie möglich erhoben werden, um etwa eine Beeinflussung der Aussagen durch Gespräche mit anderen Zeugen zu vermeiden. Auch die Beeinflussung durch eine Medienberichterstattung, die möglicherweise nicht deckungsgleich mit der eigenen Wahrnehmung der Zeugen ist, soll so gering wie möglich gehalten werden. Dass es für das Verfahren wichtig ist, die an der Tat beteiligte Personen rasch festzunehmen, erschließt sich von selbst.

Hätten Sie sich noch vor ein paar Jahren vorstellen können, dass Übergriffe durch Banden wie der Red Legion und den Black Jackets solch gewalttätigen Ausmaße mit schlimmen Folgen annehmen?
Wir haben ja schon im Jahr 2009 einschlägige Erfahrungen durch das Ermittlungsverfahren zu dem Black-Jackets-Überfall auf eine Gruppe junger Männer im Innenhof der Esslinger Waisenhofschule sammeln können. Das was wir jetzt aber erlebt haben, hat hinsichtlich des massiven Einsatzes von Stichwaffen und den verursachten schweren Folgen mit einem Getöteten eine neue Qualität.

Wie bewerten Sie die Gefahr für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger, die von diesen Schlägern ausgeht?
In der Grundausrichtung findet diese Kriminalitätsform zwischen den Gruppen statt. Das heißt, dass auch nur in diesen rockerähnlichen Gruppen organisierte Personen davon betroffen sind. Insofern ist die Gefahr für den unbeteiligten Bürger als eher gering einzuschätzen.

Zurückliegende Prozesse, beispielsweise gegen Mitglieder der Black Jackets, haben gezeigt, dass die Ermittler in diesem Milieu oft auf eine Mauer des Schweigens stoßen. Kann diese jetzt, nachdem ein Mensch sein Leben verloren hat, gebrochen werden?
Wir sind jetzt noch in einem sehr frühen Stadium des Ermittlungsverfahrens, in dem sich hier noch keine konkrete Aussage dazu treffen lässt.

Glauben Sie, dass diese Art der Bandenkriminalität weiter auf dem Vormarsch ist?
Sicher ist es bedauerlich, dass es in Esslingen im Zeitraum von lediglich vier Jahren erneut zu einem gewaltsamen Konflikt zwischen zwei Gruppierungen gekommen ist. Allein daraus lässt sich aber keine Entwicklung ableiten.

Was kann die Polizei präventiv gegen solche organisierten gewaltbereiten Gruppierungen unternehmen? Ist hier nicht auch die Politik gefragt?
Vor dem Ruf nach der Politik ist es in erster Linie natürlich die Aufgabe der Polizei und auch anderer Behörden, das vorhandene rechtliche Instrumentarium voll auszuschöpfen. Dies findet derzeit statt, indem wir alles daran setzen, diese Tat so schnell wie möglich und in vollem Umfang aufzuklären. Ebenso wird in einem weiteren Vorgehen auf Landesebene zu prüfen sein, wie weitere Maßnahmen, etwa ein Vereinsverbot, zum Tragen kommen können.