Kleiner Piks – Nebenwirkungen sind nach Impfungen möglich, auch ernste Foto: dpa

Der Mediziner Klaus Hartmann ist Experte für Impfkomplikationen. Die Verträglichkeit neuer Impfstoffe sei oft schlecht belegt, sagt er – und greift damit  eines der Themen beim Forum Gesundheit der StN auf. Hier geht's zur kostenlosen Anmeldung.

Stuttgart. - Herr Hartmann, auch Eltern, die vom Nutzen des Impfens überzeugt sind, haben oft ein mulmiges Gefühl angesichts der möglichen Nebenwirkungen, die auf dem Beipackzettel stehen. Ärzte und Gesundheitsbehörden sagen, Impfstoffe gehörten zu den sichersten Arzneimitteln. Sie kritisieren dagegen immer wieder, dass es über mögliche Nebenwirkungen zu wenig gesichertes Wissen gibt. Wie begründen Sie das?
Wir wissen einfach nicht genug über mögliche unerwünschte Nebenwirkungen des Impfens. Jeder, der sich ernsthaft mit der Thematik befasst, weiß, dass Zulassungsstudien zur Verträglichkeit von neuen Impfstoffen nur einen kleinen Teil der Realität abbilden. Komplikationen treten dann auf, wenn die Zulassung da ist und wirklich Millionen von Menschen mit einem neuen Impfstoff behandelt werden. Aber das wird nicht mehr richtig überwacht.
 
 
Wieso nicht?
Es gibt dann nur noch die sogenannte Spontanerfassung durch Ärzte. Das heißt, registriert werden Komplikationen, die Ärzte an das zuständige Paul-Ehrlich-Institut melden. Das wird genutzt, um Risiken zu identifizieren.
Was ist daran schlecht?
Das Problem ist, dass Ärzte so gut wie nichts dorthin melden, weil sie über seltene Möglichkeiten von Komplikationen keine Informationen haben. Die Zulassungsstudien liefern dazu keine Hinweise. Dort heißt es, das Produkt ist sicher, und das wird den Ärzten über die Pharmavertreter in die Praxen getragen. Und mehr ist zu diesem frühen Zeitpunkt nach der Zulassung ja auch nicht zu sagen über die Sicherheit des Präparats.
Was müsste geändert werden?
Es müssten Langzeitstudien durchgeführt werden, um zu prüfen, ob ein Produkt wirklich sicher ist. Hersteller haben daran naturgemäß kein Interesse, und auch sonst forscht niemand darüber. Ich bin der Meinung, es ist letztlich eine staatliche Aufgabe, dafür zu sorgen, dass ein unabhängiges Institut parallel zur Einführung über die Sicherheit eines neuen Produkts forscht. Wenn das dauert, dann dauert es halt. In aller Regel ist Deutschland ja nicht von irgendeiner Seuche massiv akut bedroht.
Was passiert, wenn es aus der Spontanerfassung doch mal einen Hinweis auf ein mögliches Risiko gibt?
Da lässt man vielleicht einen großen Datenpool von einer Firma auf bestimmte Parameter hin untersuchen, die darauf spezialisiert ist. In der Regel kommt dabei am Ende im Zusammenspiel der diversen Entscheidungsinstanzen bis hin zur europäischen Arzneimittelagentur das heraus, was man belegen will – nämlich, dass ein Risiko nicht klar identifiziert werden kann. Das gilt dann als Beleg der Sicherheit eines Impfstoffs – und ist natürlich völlig unbefriedigend. Das war ein wichtiger Grund für mich, 2003 meine Tätigkeit im Paul-Ehrlich-Institut zu beenden.
Sie haben neue Impfwirkstoffe angesprochen. Wie ist das aber zum Beispiel mit dem Masernimpfstoff, den es schon sehr lange gibt?
Seit mehr als 40 Jahren wird gegen Masern geimpft, deshalb ist die Sicherheit des Wirkstoffs relativ gut belegt. Es handelt sich um einen Lebendimpfstoff, der im Prinzip eine abgeschwächte Infektion auslöst. Es gibt keine Zusatze, die die Wirkung verstärken, und keine Konservierungsstoffe. Die Masernimpfung hat immer meine volle Zustimmung. Wenn Kinder immunologisch gesund sind, kann man sie ohne Bedenken impfen.
Ihre Kritik bezieht sich demnach auf neue Impfungen wie die Immunisierung von Mädchen gegen HPV (Humane Papillomviren)?
Ja, das ist ein sehr gutes Beispiel, weil Sicherheit und Nutzen dieser Impfung wissenschaftlich wirklich schlecht belegt sind. In Japan ist das Produkt wegen massiver Nebenwirkungen längst wieder vom Markt verschwunden, in Israel wird gerade diskutiert, ob man die Impfung noch empfehlen kann. In Deutschland passiert im Prinzip gar nichts, hier gilt der Impfstoff als sicher, die Ärzte impfen munter. Aber gerade einen solchen Impfstoff müsste man zunächst einmal ganz intensiv überwachen. Das ist im Interesse der Menschen, die sonst vielleicht einen Impfschaden erleiden.
Sie beraten Patienten, die sich als Opfer einer Impfkomplikation sehen, und treten auch als Gutachter auf. Welche Erfahrungen machen Sie?
Es ist ein Dilemma. Als Gutachter in Impfschadensfällen habe ich oft erlebt, dass den Betroffenen keiner mehr hilft, wenn erst mal etwas passiert ist. Da stehen sie plötzlich ganz alleine da und haben vielleicht eine schwere Autoimmunkomplikation. Diese Dinge passieren selten, aber wie selten, das wissen wir nicht genau. Ärzte und viele Gutachter wiegeln häufig ab und behaupten, es gebe keinen Zusammenhang zwischen Impfung und Erkrankung. Dabei gibt es inzwischen Studien, die gewisse Wahrscheinlichkeiten plausibel erscheinen lassen. Unter Verdacht stehen insbesondere die sogenannten Adjuvantien (Wirkverstärker, d. Red.), die in Impfstoffen enthalten sind. Sie können bei einigen Menschen im Immunsystem etwas auslösen, was nicht mehr auszuschalten ist.
Wie schwer ist es, einen Impfschaden vor Gericht anerkannt zu bekommen?
Das ist äußerst schwer. Der Kenntnisstand ist niedrig, weil zu wenig geforscht wird. Richter wollen auf derart unsicherem Terrain meist keine Präzedenzfälle schaffen. Sie wollen auch das Impfen nicht diskreditieren. Aber die Tatsache, dass in Deutschland jährlich nur sehr wenige Impfschadensfälle anerkannt werden, belegt aus meiner Sicht überhaupt nicht die Sicherheit der Produkte, die bei uns millionenfach eingesetzt werden. Die Folge ist, dass wir immer weiter neue Impfstoffe mit schlecht belegter Sicherheit etablieren.
Wie steht es um die Möglichkeiten für Laien, sich unabhängig zu informieren? Es gibt ja eigentlich nur knallharte Impfbefürworter und radikale Impfgegner, Letztere oft mit einem Hang zur Esoterik.
Es ist wirklich sehr mühsam etwa für Eltern mit kleinen Kindern, sich Informationen zu beschaffen. Befürworter und Gegner treten oft mit einem Absolutheitsanspruch auf, der eine Diskussion kaum zulässt. Das erschwert die Entscheidung natürlich, wobei ich bei gesunden Kindern ausdrücklich für die Standardimpfungen werbe. Ich habe drei Kinder – alle sind geimpft.