Die kritische Begleitung von Stuttgart 21 habe vieles bewirkt, meint Winfried Hermann. Foto: dpa

„Oben bleiben“ - dieser Schlachtruf gegen den geplanten S-21-Tiefbahnhof tönt schon seit Jahren durch die Landeshauptstadt. Zwar hat die Bewegung den Bau nicht stoppen können, doch ihre Ziele sind nicht ungehört verhallt, meint Verkehrsminister Winfried Hermann.

„Oben bleiben“ - dieser Schlachtruf gegen den geplanten S-21-Tiefbahnhof tönt schon seit Jahren durch die Landeshauptstadt. Zwar hat die Bewegung den Bau nicht stoppen können, doch ihre Ziele sind nicht ungehört verhallt, meint Verkehrsminister Winfried Hermann.

Stuttgart - Anfang nächster Woche feiern die Gegner des Bahnprojektes Stuttgart 21 die 200. Montagsdemonstration. Die kritische Begleitung des Projektes habe vieles bewirkt, meint Winfried Hermann (Grüne). Der Grünen-Politiker gehört zu den Gegnern des Milliarden-Vorhabens.

Macht es wirklich noch Sinn, dass Tausende Menschen jeden Montag gegen Stuttgart 21 auf die Straße gehen?

In der Demokratie hat jeder das Recht, seine Meinung zu sagen und auf die Straße zu gehen - selbst wenn eine Mehrheit anders entschieden hat. Viele Demonstranten sind der Meinung, bei der Volksabstimmung zu Stuttgart 21 seien die Menschen belogen worden und es werde zu technischen Pannen kommen. Sie sagen: Wir können nicht akzeptieren, dass so viel Steuergeld rausgeworfen wird. Es tut allerdings weh, wenn wir Grünen-Politiker, die das Projekt offenkundig nicht durchgedrückt haben, sondern nur dem Ergebnis des Volksentscheids folgen, als Lügenpack beschimpft werden.

Können Sie sich mit einigen Kritikpunkten identifizieren?

Als Minister einer Regierung, die sich dem Votum der Bevölkerung gestellt hat, kann ich das nicht. Die Verträge zu Stuttgart 21 gelten weiterhin. Mein Job ist es nicht, rumzumäkeln, sondern das Projekt kritisch zu begleiten und sicherzustellen, dass das Land nicht mehr als vertraglich festgelegt zahlt. Der Kostendeckel gilt. Selbst wenn mir das Projekt als solches nicht passt, muss ich dafür sorgen, dass die Belastung der Bahnkunden und der Bürger in der Stadt durch die Bauarbeiten nicht endlos dauert.

Welche Verdienste hat denn diese Bewegung?

Das allergrößte Verdienst ist, dass heute jeder in Deutschland weiß, so wie in Stuttgart kann man nie mehr ein Großprojekt durchdrücken, nämlich ohne die Bürger vorher zu fragen. Die Landesregierung hat deshalb einen Planungsleitfaden vorgelegt, der grundsätzlich Vorinformation und frühzeitige Einbeziehung von Bürgern in die Planung von Großprojekten vorsieht. Wir wollen auch die Hürden für die direkte Demokratie im Südwesten runtersetzen. Die Protestbewegung in Stuttgart hat das historische Verdienst, das unsere Demokratie verbessert und erweitert wird.

Wie hat sich die Landeshauptstadt verändert?

Das Image der Stadt Stuttgart hat sich enorm verbessert. Früher hielten viele Stuttgart für eine verschnarchte Gesellschaft, heute spricht man eher anerkennend von einer interessanten Stadt, deren Bürger sich selbstbewusst in die Politik einmischen.

Hat sich auch bei der Bauherrin Bahn etwas verändert?

Ja, die Proteste haben zu etwas geführt, was die Kritiker eigentlich gar nicht angestrebt haben: Das Projekt wurde viel besser und genauer gerechnet, Risiken werden wenigstens benannt und zum Teil reduziert. Die ständige Kritik von außen hat die Bahn in einer bislang ungekannten Weise gefordert. Eine Folge ist unter anderem die Gründung der neuen Projektgesellschaft, in der die Verantwortung für das Vorhaben gebündelt wird.