Minderjährige Flüchtlinge beim Sprachunterricht in Stuttgart. In der Kriminalstatistik fallen sie nicht sonderlich auf, heißt es aus dem Rathaus. Foto: dpa

Es gebe in der Stadt keine signifikante Zahl von Straftaten durch minderjährige Flüchtlinge, betont Heinrich Korn vom Jugendamt. Hintergrund ist eine Studie zur Kriminalität durch Flüchtlinge in Deutschland.

Stuttgart - Eine Studie wirft Fragen auf. Sind zugewanderte junge Männer krimineller als deutsche und schon länger hier lebende Ausländer? Die Untersuchung legt nahe, dass vor allem Männer aus bestimmten Ländern und ohne Bleibeperspektive auffällig sind. Heinrich Korn vom Jugendamt in Stuttgart rät im Interview zu einer differenzierten Betrachtung.

Herr Korn, der neuen Studie aus Niedersachsen zufolge ist es vor allem durch junge und männliche Flüchtlinge zwischen 2014 und 2016 zu einem spürbaren Anstieg von Gewalttaten gekommen. Haben Sie das auch in Stuttgart beobachtet?
Für die Gruppe der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, in Stuttgart handelt es sich etwa um 500, kann ich aus der Praxis sagen, dass Straftaten vorkommen, etwa Rauschgiftdelikte oder Diebstähle. Einige Flüchtlinge fallen auch durch ein höheres Aggressionspotenzial auf. Aber dabei handelt es sich um Einzelfälle, das sind keine signifikanten Größen.
Was unternehmen Sie in solchen Fällen?
In manchen Fällen werden Jugendliche, die besonders aggressiv sind, in einem anderen Haus untergebracht. Es werden ganz klassische sozialpädagogische Maßnahmen ergriffen. Jugendhilfe heißt ja, dass die Sozialpädagogen einen Blick auf die Minderjährigen haben und zum Beispiel darauf achten, dass sie die Schule besuchen. Die Jugendlichen sind ganz anders eingebunden als zum Beispiel ein 20-Jähriger in einem Flüchtlingsheim. Manche Flüchtlinge sind froh darüber und wollen etwas erreichen, andere tun sich schwerer mit dem Einbinden und können sich nicht so gut anpassen. Das ist ganz normaler sozialpädagogischer Alltag.
Laut der Studie fallen Syrer, Iraker und Afghanen selten auf , junge Männer aus Marokko, Algerien und Tunesien hingegen häufiger. Können Sie das bestätigen?
Ja, das kann ich aus meiner Erfahrung bestätigen.
In der Studie heißt es, ein Grund dafür sei der Aufenthaltsstatus – die Flüchtlinge aus Nordafrika würden eher aggressiv, weil ihnen die Bleibeperspektive fehle. Teilen Sie diese Einschätzung?
Es ist schwierig, die Gründe zu benennen. Ich könnte mir vorstellen, dass das auch an deren Netzwerken liegt. Da gibt es ein kriminalisiertes Milieu, das vielleicht gezielt junge Landsleute sucht und sie einbindet. Aber das ist alles nur Spekulation.
In den vergangenen Jahren haben einige schwere Gewaltverbrechen, die von jungen Migranten begangen wurden, bundesweit Schlagzeilen gemacht. Erschweren solche Fälle Ihre Arbeit?
Zurzeit ist die Alterseinschätzung ja ein großes Thema. Bei der vorläufigen Inobhutnahme gibt es eine solche Einschätzung, die Alterskommission tagt zweimal die Woche. Dabei stellt sich heraus, dass ein Drittel der Flüchtlinge, die behaupten, sie seien minderjährig, in Wirklichkeit volljährig sind. Ich denke schon, dass das Alter der meisten Flüchtlinge richtig eingeschätzt wird, auch wenn das häufig hinterfragt wird. Das müssen wir klarstellen. Problematisch finde ich auch, dass in der öffentlichen Diskussion mehrere Gruppen durcheinandergemischt werden, etwa Jugendliche und junge Volljährige. Die Taten einzelner Gewalttäter dürfen nicht den Blick auf die Ziele und die Arbeit der Jugendhilfe verstellen.

Das Gespräch führte Thea Bracht.