Sie sind süß, flauschig - und im Internet der Hit: kleine Katzenbabys Foto: Alena Ozerova/Fotolia

Katzen-Videos sind im Netz der totale Hype. Doch warum ist das eigentlich so? Die Berliner Autorin Christiane Frohmann erklärt im Interview, warum Grumpy Cat und Co. eine solche Faszination auf die Internetuser ausüben.

Stuttgart - Frau Frohmann, wie erklären Sie sich den Video-Boom im Netz?

Internet-Videos sind das moderne Opium des Volkes. Das Angebot hat sich in den letzten Jahren extrem verbreitert. Es sind nicht mehr nur Katzen, sondern niedliche Tier-Videos.
Warum kommen Hunde im Netz schlechter weg als Katzen, obwohl sie doch ähnlich hohe Klickzahlen haben?
Mit Hunden kann man draußen auf der Wiese andere Menschen und Hunde treffen. Man sieht sich, tauscht sich aus. Katzenbesitzer haben diese Möglichkeit nicht. Sie sitzen mit ihrer Katze allein zuhause rum. Nicht umsonst haben Nerds, die nicht gerne rausgehen, besonders oft Katzen. Inzwischen haben sich im Netz aber auch Menschen auf die Niedlichkeit von Katzen eingelassen, die im Real Life (im wirklichen Leben) mit Haustieren nichts am Hut haben.
Was ist Ihr Lieblings-Katzen-Mem im Netz?
Grumpy Cat, die auf dem Schoß von Jesus sitzt. „I died for your sins“ („Ich starb für deine Sünden“). „Good“ („Gut“), erwidert Grumpy Cat.
Was macht die Faszination von Cat-Content aus?
Der Mensch ist evolutionär auf bewegte Bilder ausgerichtet. Er kann gar nichts anders als hinstarren, wenn ein Video kommt. Egal, wie doof sein Verstand es findet. Katzen-Videos haben keine inhaltliche Bedeutung, sie sind Unsinns-Content. Es geht ihnen nicht darum, eine Geschichte zu erzählen, sie erzeugen Atmosphäre, Stimmung, Gefühle.
Jeder Hype erledigt sich irgendwann. Warum ist das mit Cat Content nicht so?
Trendbewusste Leute auf Twitter mit vielen Followern, die vor zwei, drei Jahren noch wie wild ihre eigene Katze posteten, haben das wieder sein lassen. Die Katzen haben sich wieder ins Privatleben zurückgezogen. Aber Cat Content ist immer noch da. Es hat sich im Mainstream, als Massenphänomen etabliert. Da scheinen die Kätzchen nun relativ stabil für eine große Zahl von Menschen zu funktionieren.
Verändern sich solche Internetphänomene?
Die Entwicklung bei Cat Content ist typisch für Produkt- und Trendzyklen. Eine kleine Gruppe spürt etwas in sich oder schnappt etwas auf. Dann wird es von den Leuten, die offen für Trends sind aufgenommen. Es kommt zu einer Über-Identifikation, bei der plötzlich alle die Sache ganz toll finden. Ein Phänomen wie Cat Content hat es vor dem Internet nicht gegeben: Sogar die klassischen Feuilletons haben sich damit beschäftigt. Früher waren Katzen in der Kunst kitschige Unberührbare. Die Videos haben dies geändert. Sie haben Katzen ästhetisch cooler gemacht.
Mit dem wirklichen Katzenleben haben die Videos nicht zu tun. Stört Sie das als Katzenbesitzerin?
Internet-Katzen und physisch reale Katzen haben nichts miteinander zu tun. Das Ganze ist eine Art neue Freak-Show. Viele berühmte Internet-Katzen haben eine nicht thematisierte Fehlbildung – wie Grumpy Cat, die kleinwüchsig ist. Man lacht da faktisch über Behinderte.
Die Machart der Internet-Videos scheint immer ähnlich zu sein.
Viele Katzen-Videos sind wie Pannen-Videos produziert. Nur dass hier nicht Kinder die Rutsche runtergeschubst werden, damit es lustig aussieht, sondern Katzen. Man wartet nicht auf den magischen Moment, wie das Tierfilmer früher machten, sondern die Katze wird zu Aktionen genötigt. Grumpy Cat, die jetzt dem Disney Konzern gehört, durch die Welt fliegt und in New Yorker Boutiquen mit Stars fotografiert wird, findet ihr Leben bestimmt nicht toll. Das ist ein armes kleines Tier.
Warum ist Cat Content so beliebt - und das wahrscheinlich auch in Zukunft?
Cat Content ist zu einem leicht zugänglichen Wellness-Produkt geworden. Nach dem Motto: Jetzt waren wieder drei Tage so hässliche Geschichten in den Medien, ich brauche jetzt was Nettes zum Einlullen - Realitäts-Detox (Entgiftung von der Wirklichkeit). Katzenvideos sind nur auf den ersten Blick banal, sie erzählen uns ganz viel über das Netz und die Gesellschaft.
 

Die Berliner Verlegerin, Publizistin Christiane Frohmann (Autorin des Buches „Internetkatzen. Ein Gespräch über Cat Content“, E-Book, Berlin 2013) und Besitzerin von Kater Laser über den Katzen-Wahnsinn im Netz. Foto: Frohmann Verlag