Ein sicherer Schütze: Der deutsche Biathlet Simon Schempp Foto: dpa

2007 hat er den Gesamtweltcup gewonnen, nun traut Michael Greis einem deutschen Biathleten zu, es ihm nachzumachen. „Simon Schempp hat es drauf“, sagt der Olympiasieger vor dem ersten Einzelrennen der Saison an diesem Mittwoch.

Stuttgart - Herr Greis, die Biathleten sind am Wochenende in den Weltcup gestartet. Wie haben Sie sich denn auf den Winter vorbereitet?
Ehrlich gesagt, bin ich noch gar nicht in Winterstimmung. Dafür war es in den vergangenen Wochen einfach viel zu warm.
Ein bisschen Vorfreude haben Sie aber schon verspürt, oder?
Auf die Wettkämpfe habe ich mich gefreut. Für Eurosport bin ich bei ein paar Weltcups als Co-Kommentator dabei. Deshalb habe ich erst vor ein paar Tagen mit meinen ehemaligen Kollegen telefoniert. Ich musste mich über den Stand der Dinge informieren, damit ich im Fernsehen ein bisschen was zu erzählen habe.
Was erwarten Sie sich von den deutschen Athleten in dieser Saison?
Also erwarten muss ich mir nichts. Ich habe zwar noch Kontakt zur Trainingsgruppe in Ruhpolding, aber ich bin nicht tagtäglich beim Training. Deshalb erhoffe ich mir nur etwas.
Und das wäre?
Dass die Jungs sich weiter verbessern. Es wäre gut, wenn aus der Mannschaft, sowohl bei den Männern als auch bei den Damen, zwei, drei im Gesamtweltcup in die Top 15 kommen und wenn bei den Rennen immer mindestens einer vorne dabei ist. Für die Zuschauer ist das viel interessanter, als den anderen zuzuschauen, wie die gewinnen.
Und Ihnen als Kommentator macht es sicherlich auch mehr Spaß, oder?
Auf alle Fälle, weil dann muss man nicht ganz so kritisch sein (lacht). Deshalb war der vergangene Winter auch ganz gut.
Weil Simon Schempp Vierter im Gesamt-Weltcup war und dreimal ganz oben auf dem Podestplatz stand?
Auch deshalb. Aber auch, weil beide deutsche Staffeln bei der WM Gold gewonnen haben.
Simon Schempp konnte sich lange Zeit Chancen auf den Gesamtweltcup ausrechnen. Sie waren der letzte Deutsche, der die große Kugel gewonnen hat.
Das war in der Saison 2006/2007. Es war ein Zweikampf zwischen Ole Einar Björndalen und mir, den ich zum Glück für mich habe entscheiden können.
Hat Simon Schempp das Zeug, in Ihre Fußstapfen zu treten?
Drauf hat er es auf alle Fälle. Vor allem vom Schießen her. Läuferisch ist es schwieriger, weil Martin Fourcade momentan das Maß aller Dinge und in der Loipe einen Tacken besser als alle anderen ist. Die beiden sind auch nicht die Einzigen, die da mitreden wollen. Jakov Fak und Anton Schipulin haben bereits angekündigt, dass sie den Gesamtweltcup gewinnen wollen. Eigentlich würde ich dem Simon auch etwas ganz anderes als Zielsetzung empfehlen.
Was denn?
Der Gesamtweltcup ist zwar nett, aber ich würde ihm empfehlen zu schauen, dass er bei den beiden Heim-Weltcups vorne dabei ist und sich dann auf die WM in Oslo konzentriert. Ein Titel bei Weltmeisterschaften ist cooler als ein Sieg im Gesamtweltcup.
Wirklich?
Zu einer erfolgreichen Karriere gehört natürlich alles. Aber für einen Sieg im Gesamtweltcup ist viel Glück nötig. Wenn man da mal ein Wochenende dabeihat, an dem man krank wird, kann es schon vorbei sein. Wobei, einen Vorteil hat der Gesamtweltcup ja: Am Ende der Saison hat man wirklich die Zeit, seinen Erfolg zu feiern. Sonst ist das ja gar nicht mehr möglich. Der ist Terminplan ist gesteckt voll.
Zu voll?
Für die meisten ist es schwierig, die gesamte Saison auf ganz hohem Niveau zu laufen. Das hat im vergangenen Jahr bei der WM in Kontiolahti dazu geführt, dass beim ersten Rennen die Mixed-Staffeln nicht in Topbesetzung angetreten sind. Ich will keinen vors Schienbein treten, aber die Fans wollen einfach die besten Leute sehen. Das ist wie beim FC Bayern. Da will man auch Thiago, Thomas Müller und die ganzen Stars sehen und nicht die zweite Garde.
Ein positiver Dopingtest von Evi Sachenbacher-Stehle, kein Einzelgold und bei den deutschen Frauen überhaupt keine Medaille: Die Verantwortlichen hatten sich die Olympischen Spiele in Sotschi 2014 anders vorgestellt. Waren Sie überrascht, dass die vergangene Saison dann doch so gut lief?
Was heißt überrascht? Der vergangene Winter war sehr gut. In den Jahren zuvor konnten sie den Erwartungen nicht immer gerecht werden. Das war nicht immer ganz fair, aber in einer sehr erfolgreichen Sportart ist der Erwartungsdruck natürlich extrem hoch. Schade war nur, dass Simon bei der WM nicht noch eine Einzelmedaille gemacht hat. Nach der tollen Saison hätte er sich das verdient.
Auch bei den Frauen ging es im vergangenen Jahr trotz des Karriereendes von Andrea Henkel aufwärts. Vor der Saison hatten Sie kritisiert, dass nichts nachkommt.
Ich bin immer noch der Überzeugung, dass es sicherlich noch Potenzial geben würde. Es gab Zeiten, in der mindestens eine Dame pro Rennen auf dem Podest stand. Es sollte doch das Ziel sein, mannschaftlich wieder geschlossen so stark zu sein wie damals mit Uschi Disl, Martina Glagow, Kati Wilhelm, Katrin Apel, Andrea Henkel und Simone Hauswald. Da hat man sicherlich etwas verpasst.
Was genau?
Zu sagen, plötzlich sei kein talentierter Nachwuchs da, geht nicht. Andrea Henkel hat mit 35 Jahren aufgehört. Das kommt doch nicht von heute auf morgen. Es wurde verpasst, dementsprechend zu fördern. Ich bin natürlich nicht ganz drin, und nicht jede hat auch das Potenzial, Weltmeisterin zu werden. Aber dass es geht, zeigen Franziska Preuß und Laura Dahlmeier, die sich in jungen Jahren toll ins Team integriert haben.
Was trauen Sie dem Frauenteam künftig zu?
Zuletzt haben sie viel an der Technik gefeilt, um effizienter beim Laufen zu sein. Wenn man da ein paar Körner spart, hilft das auch über die lange Saison. Potenzial haben vor allem Franzi Preuß und Laura Dahlmeier.
Würden Sie heute eigentlich gern noch einmal das Gewehr schultern und die Skier anschnallen?
Nein, ich habe zum richtigen Zeitpunkt aufgehört. Es war damals eine Bauchentscheidung, die ich nie bereut habe.
Ihr ehemaliger Dauerkonkurrent Ole Einar Björndalen hat dagegen mit 41 Jahren noch immer nicht genug.
Er ist ein Phänomen, was Motivation und Zielstrebigkeit betrifft. Das System in Norwegen ist aber auch nicht so hierarchisch organisiert, was es Ole Einar ermöglicht hat, sein eigenes Team um sich herum aufzubauen. Medaillen sind für ihn sehr wichtig, und ich glaube, bei den Höhepunkten können wir wieder mit ihm rechnen.
Was machen Sie eigentlich, wenn Sie nicht gerade fürs Fernsehen unterwegs sind?
Ich studiere noch. Internationales Management in Ansbach. Ich muss nur noch die Bachelorarbeit schreiben.
Wann ist es denn so weit?
(Lacht) Ich arbeite gerade an der Gliederung. Anfang nächsten Jahres wird es so weit sein.
Dann sehen wir Sie nicht als Biathlontrainer?
Eher nicht. Die Trainer, die jetzt dabei sind, sind relativ jung und engagiert bei der Sache.
Ihr ehemaliger Teamkollege Ricco Groß ist als Trainer nach Russland gegangen.
Das war aber wohl auch der Plan B. Die Aufgabe ist sicherlich eine große Herausforderung, denn die Sprachbarriere und die kulturellen Unterschiede sind Faktoren, die nicht zu vernachlässigen sind. Ich wünsche ihm auf jeden Fall viel Erfolg in seiner neuen Funktion als Cheftrainer der Herren. Ich selbst habe aber auch noch sportliche Ziele in diesem Winter.
Erzählen Sie!
Ich werde den Wasa-Lauf im März mitmachen. Das ist ein Team-Langlauf-Wettbewerb über 90 Kilometer. Dafür muss ich sicherlich noch etwas tun. Und auch wenn der Herbst schön war, hoffe ich bald auf richtig viel Schnee in Ruhpolding. Dann wird auch der Weltcup hier eine tolle Sache – und ich komme doch noch in Winterstimmung.