In der Justizvollzugsanstalt Leipzig hat sich Dschaber al-Bakr erhängt. Foto: dpa

Der Suizid des terrorverdächtigen Syrers hätte in jeder deutschen Haftanstalt passieren können, meint die Psychologin Katharina Bennefeld-Kersten.

Frau Bennefeld-Kersten, die Leitung der Justizvollzugsanstalt Leipzig will keine Hinweise gehabt haben, dass der inhaftierte Terrorverdächtige Dschaber al-Bakr selbstmordgefährdet war. Dabei hat er Steckdosen manipuliert und eine Lampe beschädigt. Kann das sein? Immerhin zeugt das doch von emotionaler Aufgewühltheit.
Mit einer Bewertung des konkreten Falls halte ich mich zurück. Ich habe weder den Häftling kennengelernt noch Einblick in die Situation. Allgemein lässt sich allerdings sagen, dass derlei Handlungen eines Häftlings verschiedene Ursachen haben können. Viele frisch eingelieferte Untersuchungshäftlinge wollen in einer solchen Situation zum Beispiel einfach randalieren, um zu verstehen zu geben: „Mit mir nicht.“ In ihrer Angst und Wut fangen sie an, den Haftraum auseinanderzunehmen. Das kommt vor. Das spricht jedoch nicht zwingend für eine Suizidgefährdung.
Gibt es klare Anhaltspunkte für eine Selbstmordgefährdung, etwa die Nahrungsverweigerung?
Nein. Es ist außerordentlich schwierig zu erkennen, ob jemand suizidgefährdet ist, zumal wenn man den Gefangenen kaum kennt, er aus einer anderen Kultur kommt, man seine Sprache nicht spricht und daher alles über einen Dolmetscher läuft. Das macht es schwer, die Person auf Anhieb einzuschätzen. Aggression ist ein Signal, aber es ist nicht eindeutig. Es kann auch Verweigerung oder Protest bedeuten.
Spricht es für eine erhöhte Selbstmordgefährdung, wenn jemand eine Sprengstoff-Weste besitzt, um sich selbst bei einem möglichen Anschlag in die Luft zu jagen? Das ist ja bei islamistischen Tätern ein sehr häufiges Muster.
Da würde ich trennen. Ich persönlich wäre in diesem konkreten Fall nicht davon ausgegangen, dass der Mann suizidgefährdet ist. Die Sprengstoffweste bedeutet ja, dass er sein Leben zu einem bestimmten Zweck einsetzen und es nicht einfach beenden wollte. Vielmehr wollte er etwas damit anrichten, weil er glaubt, dadurch in den Himmel zu kommen. Da sehe ich einen Unterschied.
Sehen Sie in Sachsen strukturelle oder organisatorische Mängel im Vollzug?
Im Gegenteil. Sachsen ist bundesweit das Land mit Vorbildfunktion bei der Suizidprävention. Die haben richtig investiert in den letzten Jahren. Umso bitterer ist es, dass es jetzt dort zu einem solchen Fall gekommen ist. Das hätte in jeder anderen Haftanstalt so passieren können.

Das Gespräch führte Alessandro Peduto.