Wer wandert, rastet auch mal. Foto: falkjohann - Fotolia

Wo gingen die römischen Legionäre, wo die Kreuzzügler des Mittelalters? Deutschlands bekanntester Wanderer Manuel Andrack ist historische Wege nachgegangen und hat dabei einiges erlebt.

Herr Andrack, wie geht es Ihren Blasen?

Ach, ganz gut, warum?

Bei Ihrer Wanderung in der Ausrüstung eines römischen Legionärs samt den Sandalen haben Ihre Füße schon gelitten ...

Das stimmt, es tut schweineweh, wenn sich kleine spitze Steine in die Fußsohle bohren. Aber Blasen bekam ich keine, die bekommt man eher, wenn man schlechte Schuhe anhat, und ich hatte ja keine an.

Sie liefen barfuß?

Ja, weil eine meiner römischen Sandalen kaputtging. Die Tour auf dem Ausoniusweg war hart. Die Jungs, mit denen ich unterwegs war und die sich in ihrer Freizeit mit den Römern beschäftigen, hatten eine Digitalwaage dabei. Meine Ausrüstung samt Kettenhemd wog 36 Kilo. Es gab dann Sprüche wie „Das Kettenhemd spürt man nicht“. Oh doch, das spürt man. Da versteht man, warum die Römer die Varusschlacht verloren haben. Die waren bei spontanen Guerilla-Angriffen viel zu schwerfällig.

Verglichen mit dieser Tour war der Weg mit den Fans vom 1. FC Köln ein Spaziergang. Warum hatten Sie sich Fußballfans als Begleiter ausgesucht?

Ich fand die Analogie zu Peter, dem Einsiedler, schön, der 1095 mit seinen Kreuzzüglern in Köln ankam. Vermutlich kam er die Aachener Straße runter. Dort steht das Stadion. Ich wollte einen Bogen schlagen zwischen den Fanatikern des Mittelalters, die glaubten, einen Kreuzzug nach Jerusalem starten zu müssen, und den Fanatikern des 21. Jahrhunderts - Gott sei Dank, keine Menschen, die morden und brandschatzen, aber Menschen, die auch fanatisch sind, entsprechende Kleidung und Fahnen tragen.

Was hat Sie an der Idee gereizt, auf historischen Wegen zu gehen?

Ich wandere seit vielen Jahrzehnten und kam immer wieder an historischen Zeugnissen wie Burgen vorbei. Ob auf dem Wanderweg zur Burg die Ritter gingen, ist allerdings fraglich. Es gibt aber Wege, Stichwort Römerstraße oder Revolutionsszüge, die wirklich Schritt für Schritt so gegangen wurden. Diese wollte ich nachgehen und schauen, wie es heute aussieht.

Sie beleuchten auch dunkle Kapitel in der Geschichte, zum Beispiel die Schuhprüfstrecke im KZ Sachsenhausen ab. Was hatte es damit auf sich?

Diese Schuhputzstrecke ist kaum bekannt. Ich beschreibe viele Wege, die die Menschen nicht freiwillig gegangen sind. Das beginnt mit dem Neandertaler, der gehen musste, weil er Hunger hatte und jagen musste. Die Kreuzzügler sind gegangen, weil es keine andere Möglichkeit gab, nach Jerusalem zu kommen. Und für die Römer war es ihr Job, Tausende von Kilometern auf ihren Straßen zu gehen. All das schafften die Nazis zu toppen, indem sie das Zu-Fuß-Gehen zum Folterinstrument machten. Die vorgebliche, ich sag mal salopp, Stiftung-Warentest-Nummer wurde zur Perversion getrieben, weil es nicht darum ging, Schuhe zu prüfen, sondern darum, Menschen zu quälen und zu foltern. Auf einer 700 Meter langen Strecke marschierten die Häftlinge bis zu 48 Kilometer täglich.

Wir sind in der glücklichen Lage, aus reiner Lust gehen bzw. wandern zu können.

Das ist richtig, deshalb ist mein Buch auch kein Wanderbuch. Es ist ein Zu-Fuß-geh-Buch oder ein mobiles Geschichtsbuch.

Sie schreiben, dass die ausgewählten Strecken nicht zum Nachwandern gedacht sind. Warum nicht?

Vor manchen Strecken muss ich sogar abraten. Ich bin froh, dass ich die Tour nach Ägypten und Israel vor einem Jahr gemacht habe. Ich weiß nicht, ob ich das unter den augenblicklichen Verhältnissen noch mal machen würde. Auf meiner Homepage findet man zu manchen Touren praktische Hinweise. Im Buch habe ich sie bewusst weggelassen. Solche Hinweise suggerieren ja, alles was ich gegangen bin, könnt ihr nachwandern. Aber oft gibt es nur einen Tipp: Geht bitte nicht nach.

Zum Beispiel über die Schlachtfelder von Verdun.

Richtig, und da gibt es keine Sicherheitshinweise vom Auswärtigen Amt. Ich war im Besitz einer offiziell gültigen Wanderkarte. Vor Ort waren aber alle Wanderhinweise abmontiert. Man stößt auf Warnschilder wie „militärische Zone“ oder „Betreten verboten“.

Trotzdem stellt sich die Frage, welche Ihrer Touren am ehesten zum Nachwandern geeignet wäre?

Den Ausoniusweg von Bingen nach Trier kann man gut nachgehen. Er ist ausgeschildert und die Wegführung entspricht bis zu 95 Prozent der römischen. Ich kann auch immer die Sächsische Schweiz mit den Schwedenlöchern empfehlen, die im Dreißigjährigen Krieg eine Rolle gespielt haben.

Aber dann auf keinen Fall in römischen Sandalen.

Genau, außer man hat wirklich die Originaldinger. Die sind mit Nägeln drunter und ziemlich stabil. Aber ich hatte pakistanische Pseudosandalen, die eher als Schmuckstück, aber nicht zum Wandern geeignet sind.