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Silbermond haben am Mittwoch in der Porschearena gespielt. Wir haben die Bandmitglieder Stefanie Kloß und Thomas Stolle im Vorfeld interviewt.

Stuttgart - Silbermond singen auf dem Album "Nichts passiert" von der Sehnsucht nach Sicherheit und einem stabilen Zuhause. Am Mittwoch haben die Deutschrocker in der Porschearena gespielt. Wir haben die Bandmitglieder Stefanie Kloß und Thomas Stolle im Vorfeld interviewt.

Herr Stolle, sind Sie ein ängstlicher Mensch?

Jeder Mensch hat Angst. Also nicht die Angst während eines Horrorfilms, sondern Verlustangst beispielsweise. Oder im Flugzeug, wenn es Turbulenzen gibt.

Ist Ihre Generation von Angst geprägt?

Stolle: Es gibt schon Zukunftsangst. Aber ich kann nicht beurteilen, ob es vor 30 Jahren anders war. Wir kommen aus einer Region, in der es nicht an jeder Ecke einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz gibt.

Viele Autoren und Wissenschaftler beklagen, dass es keine echte Jugendkultur gibt. Liegt das auch an der Verunsicherung?

Stolle: Das Gegenteil ist der Fall. Es gibt Leute, die gegen den Strom schwimmen. Und je angepasster die eine Seite ist, umso krasser erscheinen einem die Gegensätze zu denjenigen, die alles anders machen wollen.

Sokrates hat den Jugendlichen seiner Zeit vorgeworfen, dass sie sich gegen Autoritäten wenden. Gibt es das noch?

Kloß: Die Frage ist: Muss man sich gegen Autoritäten auflehnen?

Verändert sich nicht nur dann etwas, wenn die nachkommende Generation etwas anders macht als die vorangegangene?

Stolle: Man findet an jeder Ecke Leute, die sich auflehnen. Das geht in der Familie los: Ein pubertärer Jugendlicher lehnt sich natürlich gegen die Autorität der Eltern auf. Das geht dann in der Schule weiter. Bei manchen setzt es sich in der Politik fort. Wenn man in Berlin ist, sieht man viele Leute, die gegen oder für irgendwas auf die Straße gehen, und da sind auch Jüngere dabei. Man sieht es auch in unserem Bandhaus: Da gibt es 80 Proberäume für 400 Bands, die ihre eigenen Songs spielen. Das ist auch eine Form von Widerstand. Es gibt immer noch Bands, die Punksongs gegen das System singen.

Sie dagegen singen "Gib mir ein kleines bisschen Sicherheit" oder "Hab keine Angst". Liefern Sie den Soundtrack für die Generation der angepassten Jugendlichen?

Kloß: Wir sind einfach das, was wir sind, und schreiben aus dem Bauch heraus, was wir gerade empfinden. Sie können Texte von Grönemeyer, den Toten Hosen oder von den Ärzten auf eine gewisse Zeit beziehen. Wenn wir "Gib mir was, das bleibt" singen, dann wollen wir einfach ein Empfinden ausdrücken. Wir sagen: Hey, es dreht sich alles so schnell, dass man sich einfach irgendwann einen Ort wünscht, wo man sich denkt: Hier ist alles wie immer. Zum Beispiel zu Hause. Da ist die Familie, ein konstanter Punkt, und das ist gut. Aber ob Silbermond der Soundtrack ist für eine Zeit, in der alle Angst haben, das sollte jeder selbst interpretieren. Wenn jemand sagt, ein Lied passt gerade total in die Zeit, dann finde ich das gut. Aber es gibt bestimmt auch Leute, die das Gegenteil behaupten.

"Nach Hause" heißt auch ein Titel Ihres aktuellen Albums. Ist da von Bautzen die Rede?

Stolle: Ja. Denn Bautzen ist die Stadt, aus der wir kommen und wo wir uns getroffen haben. Im Allgemeinen geht es in diesem Song ums Nachhausekommen.

Welche Rolle spielt es, dass Sie aus Ostdeutschland stammen?

Stolle: Keine. Kämen wir aus Stuttgart, dann würden wir genauso über zwischenmenschliche Sachen schreiben oder über Dinge, die wir im Alltag beobachten.

Sind die Menschen aus Ost und West 20 Jahre nach dem Mauerfall zu einer Gesellschaft zusammengewachsen?

Stolle: In unserer Generation auf jeden Fall. Bei der Generation darüber sind wir gerade in den Anfangsjahren auf gewisse Ressentiments gestoßen.

Auf welche?

Stolle: Bautzen ist durch den Stasiknast bekannt gewesen. Damit haben viele Leute schlechte Erfahrungen gemacht. Sie haben uns alle in einen Topf gesteckt und wollten mit uns nichts zu tun haben.

Schwaben wundert ein Umfrageergebnis: 80 Prozent der Ostdeutschen bezeichnen sich als sparsam, während es bei den Westdeutschen nur 60 Prozent sind. Sind Sie sparsam?

Stolle: Sparsamkeit kann sich auch darin ausdrücken, dass man sich mit wenig zufriedengibt. Wir brauchen keine fette Karre. Wir sind ganz normale Leute, die ein Dach über dem Kopf brauchen und gerne Musik machen.