In vielen Momenten sehr nah am Original: Rami Malek als Freddie Mercury in „Bohemian Rhapsody“ Foto: Verleih

Wie verkörpert man einen Star, den jeder kennt? Rami Malek („Mr. Robot“) erklärt, wie er sich im Spielfilm „Bohemian Rhapsody“ in den Queen-Sänger Freddie Mercury verwandelt hat.

Stuttgart - An Mut mangelt es dem ägyptischstämmigen Amerikaner Rami Malek nicht, das hat er schon in der Hacker-Serie „Mr. Robot“ bewiesen, in der er einen paranoiden Hacker spielt. Dafür bekam er einen Emmy. Im Gespräch gibt er Auskunft über seinen aktuellen Spielfilm „Bohemian Rhapsody“, über die Bühnen-Ikone Freddie Mercury, die er darin verkörpert, und und was an dieser so besonders war.

Mr. Malek, Sie geben derzeit viele Interviews, und im Mittelpunkt steht der Mann, den Sie verkörpern. Wie ist das?

Ich bin ziemlich müde. Aber keine Sorge. Dies ist mein letztes Interview, also gebe ich Ihnen das beste, Darling (lacht). Das ist ein Originalzitat von Freddie!

Wie viel wussten Sie über Freddie Mercury, als Sie die Hauptrolle in „Bohemian Rhapsody“ übernahmen?

Nicht sonderlich viel. Natürlich kannte ich seine Musik, all diese großartigen Queen-Hits. Und ich hatte einige sehr ikonische Bilder und Outfits von Freddie im Kopf. Aber über ihn als Menschen wusste ich kaum etwas. Das änderte sich erst, als ich für diese Rolle im Gespräch war und nach L.A. flog, um die Produzenten zu treffen. Da habe ich dann mit meiner Recherche begonnen und alles aufgesogen, was ich an Infos über Freddie und sein Leben finden konnte.

Haben Sie es als überwältigend empfunden, eine solche Legende verkörpern zu sollen?

Man muss versuchen, alles abzubauen, was an Mythos und Legende um ihn herum existiert. Ich kann ja keinen gottgleichen Künstler spielen, der auf der Bühne einen direkten Draht in den Himmel zu haben scheint. Daran auch nur zu denken, wirkt sich lähmend aus. Aber je mehr ich mir vor Augen geführt habe, dass unter all diesem Überbau ein Mensch aus Fleisch und Blut steckte, desto eher erkannte ich eine Aufgabe, der ich gewachsen war. Denn Menschen aus Fleisch und Blut verkörpere ich schließlich immer wieder, auch wenn manche exzentrischer sind als andere.

Welche Seiten am Menschen Freddie Mercury haben Sie fasziniert?

Ich fand es spannend, nicht nur auf diesen Ausnahmekünstler zu blicken, sondern auch auf den kleinen Farrokh Bulsara, als der er sein Leben begann. Ein kleiner Junge aus einfachen Verhältnissen, der als Einwanderer nach England kommt, wo die wenigsten aussehen wie er – und sein ungewöhnliches Gebiss macht die Sache nicht leichter. Sein Leben ist die sehr komplexe und facettenreiche Geschichte einer Suche nach Identität, nicht nur, was das Leben in einem fremden Land angeht, sondern später natürlich auch in sexueller Hinsicht.

Der Film zeigt Mercurys Beziehung zu seiner langjährigen Freundin Mary Austin, aber auch wie er später seinen Lebensgefährten Jim Hutton kennen lernt. Er selbst nennt sich an einer Stelle bisexuell, Mary sagt, er sei schwul. Welchen Blick haben Sie selbst auf seine sexuelle Identität?

Ich bewundere, dass Freddie sich in keinem Interview je dazu verleiten ließ, etwas zu sagen, was er nicht sagen wollte. Darin war er ein Meister. Er hat sich nie in eine Schublade stecken oder ein Label verpassen lassen, sondern war einfach immer nur er selbst. Das machte ihn auch zu einem solch ungewöhnlichen Performer, denn er konnte sich zu jedem Zeitpunkt in jemand anderen verwandeln und jedem einzelnen Zuschauer und Zuhörer als Identifikationsfläche dienen. All das zu zeigen, war mir wichtig – und nicht, ihn durch irgendeine Definition einzuschränken.

Sie würden auch nicht sagen, dass er sein Publikum hinters Licht geführt hat?

Oh nein, er hat ja schließlich nichts verleugnet. Sondern einfach nur nie selbst seine Präferenzen öffentlich definiert. Andere haben das immer wieder von ihm erwartet, aber er hat sich dem verweigert.

Gleichzeitig hätte es sicherlich viele Fans gegeben, für die ein öffentliches Coming Out viel bedeutet hätte. Er hätte viel tun können im Kampf gegen die Stigmatisierung von Aids-Kranken, glauben Sie nicht?

Nach allen Einblicken, die ich in seine Persönlichkeit gewinnen konnte, war der Grund dafür, dass er all das nicht wollte, weniger die Angst um seine Karriere. Er wollte nicht festgelegt werden. Ihm ging es um größtmögliche Freiheit. Heute zeige ich diese Seite von mir, morgen jene, aber immer bin ich mir selbst treu. Akzeptiert das oder lasst es bleiben, ich verbiege mich nicht! Das war sein Motto.

Versteckt hat er sich tatsächlich nie, in seinen Jahren in München hat er sich sehr frei in der schwulen Szene bewegt. Heute würde sich das ein ungeouteter Künstler vermutlich kaum trauen...

So wie ich Freddie kenne, würde er auch heute genau so leben wie er leben will. Kompromisse einzugehen war einfach nicht Teil seiner DNA, ganz unabhängig davon, wann er gelebt hat – er wäre im 16. Jahrhundert oder in der Zukunft nicht anders gewesen.

Mercurys Manager Paul Prenter war lange sein engster Vertrauter, bis es zum Zerwürfnis kam. Wie würden Sie die Beziehung der beiden beschreiben?

Ich glaube jeder, der näher mit Freddie zu tun hatte, hat sich wahrscheinlich auf die eine oder andere Weise in ihn verknallt. Wie genau es um Pauls Gefühle bestellt war, kann ich natürlich unmöglich sagen. Ich weiß nur, dass er mir immer bis zu einem gewissen Grad ein Rätsel geblieben ist, egal wie viel ich auch recherchiert und mit wem ich auch gesprochen habe. Auf jeden Fall war er jemand, der Freddie vieles besorgen konnte, was er brauchte oder wollte – und sicherlich in mancher Situation nicht nur sein Bestes im Sinn hatte.

Wie viel haben Sie mit den Queen-Mitgliedern Brian May und Roger Taylor gesprochen, die eng in die Entstehung des Films eingebunden waren? War diese Nähe hilfreich?

Es war zumindest nicht hinderlich, sagen wir es so. Aber man darf nicht vergessen, dass sie beiden einen ihrer engsten Freunde und Wegbegleiter viel zu früh an eine furchtbare Krankheit verloren haben und darunter noch immer noch leiden. Das merkt man ihnen an, sobald die Sprache auf Freddie kommt. Deswegen habe ich mir immer Mühe gegeben, nicht zu aufdringlich zu sein mit meinen Fragen. Viel aufschlussreicher als nach konkreten Details zu fragen, war es ohnehin oft, die beiden einfach erzählen zu lassen, genau zuzuhören und auf diesem Wege etwas über Freddie und das Verhältnis der Bandmitglieder untereinander zu erfahren.

Zu den stärksten Szenen gehören die Konzerte und Auftritte von Queen, in denen Mercurys Bühnenenergie spürbar wird. Wie viel Rampensau und Showman steckt eigentlich in Rami Malek?

Die größte Parallele zwischen Freddie und mir ist sicher der Wunsch nach Privatsphäre. Auch wenn ich vermutlich deutlich schüchterner und zurückhaltender wirke als er, würde ich schon auch behaupten, dass ich eine gewisse Ausstrahlung und Präsenz habe. Rampensau ist vielleicht nicht das passende Wort. Aber Showman bin ich zu einem gewissen Grad auf jeden Fall, sonst wäre ich kaum Schauspieler geworden.

Eine letzte Frage noch zu den vielen legendären Outfits von Freddie Mercury, von denen sehr viele auch in „Bohemian Rhapsody“ zu sehen sind. Welches haben Sie am liebsten getragen?

All die Anproben und die Stunden für Haare und Make-up habe ich sehr geliebt. In diesen Momenten, bevor die Kamera lief, habe ich mich Freddie besonders nahe gefühlt, denn er musste das ja auch alles ständig über sich ergehen lassen. Zu meinen Lieblingsoutfits gehört auf jeden Fall sein Harlekin-Kostüm, dieser glitzernde, schwarz-weiße enge Einteiler mit dem tiefen Ausschnitt. Und als ich das weiße Satin-Kostüm von Zandra Rhodes das erste Mal anzog, musste ich richtig kichern vor Freude, weil es so unglaublich ikonisch ist. Das war ohne Frage einer von vielen Momenten bei diesem Film, in denen ich kaum glauben konnte, dass ich sie wirklich erlebe.