Der ungarische Politikexperte Peter Kreko glaubt nicht an einen Kurswechsel der Regierung in Budapest. Foto: privat

Das EU-Parlament hat für ein Strafverfahren gegen Ungarn gestimmt. Der Politikexperte Peter Kreko rechnet nach der Europawahl mit dem Bruch der konservativen EVP-Fraktion mit der ungarischen Regierungspartei Fidesz.

Budapest - Erstmals hat im Europaparlament eine Mehrheit der christdemokratischen EVP Ungarns Premier Viktor Orban die schützende Unterstützung versagt. Im Interview erläutert Peter Kreko, der Direktor des Political Capital-Instituts in Budapest, die Folgen des sich abzeichnenden Bruchs mit der EVP in Brüssel und auf dem heimischen Parkett.

Wie reagiert Budapest auf das Votum zur Einleitung eines Strafverfahrens gegen Ungarn?

Wie erwartet. Die Abstimmung ist für die Regierung der Beweis, dass die europäischen Eliten die Handlanger von George Soros seien und Ungarn für seine Anti-Immigrationspolitik bestraften. Innenpolitisch ist das Votum Wasser auf die Mühlen der bekannten Rhetorik von Fidesz. Mit irgendeinem Kurswechsel ist in Ungarn nicht zu rechnen. Erstmals haben mehr als die Hälfte der christdemokratischen EVP-Abgeordneten gegen den bisherigen Alliierten Viktor Orban gestimmt.

Wie wird das von Fidesz in Ungarn vermittelt?

In ihren bisherigen Statements verkünden der Premier und sein Außenminister, dass Pro-Immigrations-Kräfte nun auch in der EVP in der Mehrheit seien. Lasst uns bei den nächsten Europawahlen im Mai die EVP und die europäischen Eliten ändern, so die Botschaft, die vor allem zur Mobilisierung des heimischen Publikums gedacht ist.

Ist der Verlust der Unterstützung der EVP für Fidez nicht ein Gesichtsverlust?

Von einer großen Krise für die Regierung würde ich nicht sprechen. Aber die Abstimmung zeigt, dass Fidesz sich auf europäischen Level überschätzt hat. In den Regierungsreihen wird intern bereits gestritten, wer dafür verantwortlich sei.

Wird Orban die EVP irgendwann selbst verlassen oder wartet er eher bis zum Rauswurf?

Mit Sicherheit dürfte er eher auf den Rauswurf warten. Orban hat zwar öffentlich bereits angedroht, die EVP zu verlassen. Aber ich glaube nicht, dass er das tatsächlich tun wird. Es ist für ihn nun zu spät, um vor den Europawahlen noch eine Alternative zur EVP aufzubauen. Doch die Abstimmung ist für Fidesz sicher der Anfang vom Ende in der EVP. Doch das Ende wird nicht sofort kommen. Mit dem Bruch ist eher nach den Europawahlen zu rechnen. Das Ziel von Orban, die größte konservative Gruppierung in Europa in seine Richtung zu drängen, scheint gescheitert.

Was für Ambitionen hegt er nun?

Ich glaube, er will in erster Linie noch immer die EVP ändern. Seine Hoffnung ist, dass Macron die EVP langfristig spalten werde. Er kalkuliert, dass sich die prowestlichen Kräfte und die nordeuropäischen Christdemokraten von der EVP abspalten und mit der liberalen ALDE fusionieren könnten. Und er dann in einer Law-and-Order-EVP eine gestärkte Position hätte. Aber das Votum hat gezeigt, dass diese Kalkulation nicht aufgehen dürfte. Denn es waren nicht nur die EVP-Abgeordneten aus Skandinavien und Benelux, sondern auch aus Deutschland, Frankreich und Österreich, die gegen ihn stimmten.

Was ist sein Alternativplan?

Orbans Plan B ist das Zusammengehen mit den euroskeptischen und rechtsnationalen Kräften. Und tatsächlich stehen seine Ideologie und Politik der französischen Front National wesentlich näher als der deutschen CDU/CSU. Als Rechtsaußen sitzt er in der EVP eigentlich nicht da, wo er hingehört. Aber einen Bruch erwarte ich eher nach als vor den Wahlen. Denn weder die EVP noch Fidesz haben daran nun ein Interesse.

Falls es zum Bruch kommt, gäbe es für die EVP denn einen Alternativpartner in Ungarn?

In Ungarn gibt es keine moderate Rechtspartei. Jobbik ist mit seiner rassistischen Vergangenheit für die EVP kaum akzeptabel. Die grüne LMP versucht zwar, sich verstärkt konservativ zu profilieren. Doch es ist fraglich, ob sie in das Europaparlament gelangt. Es könnte also sein, dass Ungarn in dessen größten Fraktion künftig nicht mehr vertreten ist. Für Samstag ist eine neue Großdemonstration gegen Orban in Budapest angekündigt.

Glauben Sie, dass die Opposition durch die Abstimmung beflügelt werden könnte?

Die Abstimmung könnte für die Opposition eine Chance sein. Denn sie zeigt, dass Ungarns Politik gegen die Regeln und Werte der EU verstößt. Trotz der Anti-EU-Rhetorik der Regierung befürwortet noch stets eine überwältigende Mehrheit der Ungarn die EU. Doch die Erfahrung zeigt auch, dass die Opposition derartige Gelegenheiten kaum nutzt – und zögert. Auch weil die Regierung sie als Verräter darstellt, die gegen das eigene Land stimmen.