Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) will rasch einen neuen Luftreinhalteplan einführen. Foto: dpa

Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) will jetzt rasch einen neuen Luftreinhalteplan. Und er ist überrascht über ein Detail des Urteils zum Diesel-Fahrverbot.

Stuttgart - Seit 2011 ist der Grüne Winfried Hermann (65) Verkehrsminister in Baden-Württemberg. Im Interview verrät er auch, was ihn an dem ehemaligen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ärgert.

Herr Minister Hermann, das Land hat in Leipzig vor Gericht verloren, können sie dem Urteil dennoch etwas Positives abgewinnen?
Wir sind nicht nach Leipzig gegangen, um einen Sieg oder eine Niederlage zu erzielen. Wir wollten Rechtsklarheit, und ich bin froh darüber, dass wir die jetzt haben. Auch wenn der Bund nicht handelt, müssen Land und Städte etwas tun. Wir werden unseren Luftreinhalteplan für Stuttgart umgehend so überarbeiten müssen, dass wir dem Gesundheitsschutz bei den Stickoxiden nachkommen. Dazu gehören der Ausbau des ÖPNV, mehr Radverkehr, Umstellung auf die E-Mobilität aber auch – das hat das Bundesverwaltungsgericht klar gestellt – die Einführung von Fahrbeschränkungen für ältere Diesel.
Was hat Sie an der Entscheidung überrascht?
Neu für mich war der deutliche Hinweis des Gerichts, dass die Verhältnismäßigkeit bei Fahrverboten zu beachten ist, insbesondere dadurch, dass differenziert wird beim Alter der Autos. Fahrverbote sollten zeitlich gestaffelt eingeführt werden – zunächst für Diesel mit Euro 4 und älter, später für Euro 5. Man kann nicht relativ neue Fahrzeuge kurzfristig mit Fahrverboten belegen. Das wäre unverhältnismäßig. Die gewonnene Zeit sollte man aber nutzen, etwa um Euro 5 Fahrzeuge nachzurüsten.
Wann kommen die Fahrverbote?
Das Regierungspräsidium Stuttgart wird nun in Abstimmung mit dem Verkehrsministerium den Luftreinhalteplan für Stuttgart überarbeiten und selbstverständlich auch mit der Stadt darüber sprechen. Der Plan muss ausgelegt werden, Einwände werden geprüft, dann wird er überarbeitet. Das wird schon aus formalen Gründen mindestens ein halbes Jahr dauern. Wir werden aber alles tun, damit die Grenzwerte möglichst schnell eingehalten werden.
Kommen sofort ab August 2018 Fahrverbote?
Der Luftreinhalteplan wird die Basis sein für mögliche Verkehrsbeschränkungen. Aber die könnten – wie gesagt – gestaffelt erfolgen. Beispielsweise für Diesel Euro 4 ab Ende diesen Jahres, für Euro 5 ab Ende nächsten Jahres. Das Gericht hat klargestellt, dass zonale Sperrungen möglich sind. Für diesen Fall müssten wir klären, ob wir für Stuttgart die gesamte Umweltzone nehmen oder nur die Kesselzone. Es wird oft übersehen, dass wir eine Reihe von Ausnahmen vorsehen: Lieferverkehr von Handwerk bis Pizza, Polizei, Rettungsdienste, Ärzte und andere.
Macht jetzt jede Stadt und Region in Deutschland ihre eigenen Fahrverbote?
Es ist dringend notwendig, diesen Flickenteppich zu vermeiden. Daher brauchen wir die Blaue Plakette. Dass der Bund sie ablehnt, finde ich irrational. Ex-Verkehrsminister Alexander Dobrindt hat mir mal gesagt, er wolle nicht als Verbotsminister in die Geschichte eingehen, die Fahrverbote solle ich deshalb machen. So eine Haltung finde ich verantwortungslos. Wir werden über den Bundesrat erneut einen Vorstoß für die Blaue Plakette unternehmen. Wir werden uns jetzt auch mit anderen Ländern absprechen, wie zu verfahren ist. Aber wir können mit unseren Luftreinhalteplänen nicht warten, bis wir da einen Konsens gefunden haben.