André Baumann, Jahrgang 1973, ist promovierter Biologe und war jahrelang Nabu-Landesvorsitzender in Baden-Württemberg. Seit 2016 ist er politischer Staatssekretär im baden-württembergischen Umweltministerium. Foto: dpa

André Baumann, Biologe und Staatssekretär im Stuttgarter Umweltministerium, sorgt sich um den Artenschutz.

Stuttgart – - Herr Baumann, haben wir mit dem Wolf ein neues Problemtier in unserem Land?
Ich halte den Begriff Problemtier für schwierig. Wir können doch froh sein, dass Wolf, Biber, Luchs und Kormoran bei uns wieder zurück sind. Das war vor 30 Jahren noch undenkbar. Manche sprechen schon von einem Problemtier, wenn sich eine bestimmte Eidechse auf einem Gleisvorfeld angesiedelt hat. Wir müssen in der Debatte zur Sachlichkeit zurückkehren. Der Wolf der Märchenwelt ist böse, der biologische Wolf stellt für Tiere eine Gefährdung dar. Er frisst Rehe, Wildschweine, aber auch Schafe oder Ziegen, wenn die keiner schützt. Ich halte nichts davon, jetzt nach der Waffe zu rufen. Aber klar ist: Wir müssen unseren Schäfern mit allen Mitteln den notwendigen Herdenschutz gewähren.
Warum ist Ihnen das so wichtig?
Sonst brechen uns bald Tausende Hektar Fläche an Wacholderheide auf der Alb weg. Den Schäfern im Land geht es seit Jahrzehnten schlecht – nicht erst seitdem der Wolf da ist, sondern wegen der Agrarpolitik. Daher müssen wir sachlich und konsequent die Probleme angehen, damit wir in Zukunft noch eine Schafhaltung in Baden-Württemberg haben – ob mit oder ohne Wolf. Ich bin ein großer Freund der Schäferei. Die Schäden durch den Wolf spielen für sie noch eine kleine Rolle, aber er kann das Tröpfchen sein, das das Fass zum Überlaufen bringt. Das Fass ist schon randvoll. Wir brauchen einen guten Herdenschutz gegen Wölfe und wildernde Hunde, die sind übrigens das größere Problem.
Ihr Ministerium befürwortet Herdenschutzhunde, haben die eine Chance gegen Wölfe?
In manchen Situationen brauchen wir Herdenschutzhunde. Wir müssen ermöglichen, dass Schäfer sie einsetzen können. Ich bin froh, dass Landwirtschaftsminister Peter Hauk das nun auch so zu sehen scheint. Herdenschutzhunde sind kräftige massive Hunde, die bleiben bei der eingezäunten Herde und verbellen beziehungsweise vertreiben die Wölfe. Wenn die Hunde ihren Job machen, sollte man als Mensch Abstand halten. Herdenschutzhunde gibt es in den Pyrenäen und Osteuropa, da wurden Wölfe nie ausgerottet. Diese Hunde dürfen nicht gefährlich sein für Wanderer und Jogger. Wir testen das gerade aus und sind da auf einem guten Weg.
Sehen Sie eine Wolfshysterie im Lande?
Hysterie ist ein zu starkes Wort, aber die Debatte wird emotional geführt. Wir müssen auch die drei toten Schafe ernst nehmen und die Sorgen der Schäferei. Wir können uns nicht erlauben, die Schäferei zu zerrütten, sonst können wir unsere Kulturlandschaft nicht erhalten, die Wacholderheiden sind genauso geschützt wie die Wölfe. Sie sollten von der Unesco als weltweit bedeutende Kulturlandschaft geschützt werden.