Susanne Eisenmann ist seit 2016 Ministerin für Kultus, Jugend und Sport. Nun will sie mit der CDU die Grünen als stärkste Partei im Landtag ablösen. Foto: Lichtgut/

Susanne Eisenmann, Spitzenkandidatin der CDU, lässt kein gutes Haar an Plänen der Grünen für eine radikale Verkehrswende. Gleichzeitig fordert sie von ihrer eigenen Partei mehr Klarheit in der Umweltpolitik.

Stuttgart - An diesem Samstag will die baden-württembergische CDU Susanne Eisenmann zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahl 2021 wählen. Ein Gespräch mit der Kultusministerin über Risse in der Union, den möglichen Wahlkampf gegen Winfried Kretschmann und grüne Vorschläge für eine radikale Verkehrswende.

Frau Eisenmann, warum lassen Sie sich so früh auf den Schild heben?

Wir hatten in der CDU seit längerem die Diskussion, wie wir uns für 2021 aufstellen. Wir wollen - nach zehn Jahren in der Opposition und als Juniorpartner in der Regierung - wieder stärkste Partei in Baden-Württemberg werden. Nach der Kommunal- und Europawahl 2019, die bekanntlich nicht so gut für uns ausgegangen sind, stieg die Unruhe in der Partei und es war wichtig, ein Signal zu setzen. Das haben Thomas Strobl als Landeschef und ich dann getan.

Strobl hat den Weg für Sie freigemacht. Wie tief sind die Wunden, die dieser Verzicht bei ihm und seinen Anhängern geschlagen hat?

Thomas Strobl und ich haben seit längerem und sehr intensiv miteinander diskutiert. Natürlich streitet man da auch mal. Aber ich bin sehr froh, wie wir es jetzt gemeinsam hinbekommen haben: Strobl bleibt Landesvorsitzender und schlägt mich als Spitzenkandidatin vor. Wir wollen zusammen die Risse und Spaltungen in der Partei überwinden.

Sie sind ab diesem Wochenende die Führungsfigur der CDU im Land. Warum werden Sie nicht auch stellvertretende Ministerpräsidentin?

Wir wollten keine unnötige Unruhe mit Veränderungen herbeiführen, die jetzt nicht erforderlich sind.

Hat Ministerpräsident Kretschmann also nun mit Strobl und Ihnen immer zwei auf der CDU-Seite des Kabinetts, mit denen er sich abstimmen muss?

Die inhaltliche Koordination der CDU-Ministerien, die Abstimmung mit der eigenen Fraktion und den Grünen – diese Aufgaben liegen künftig bei mir. Thomas Strobl und ich werden das gut hinbekommen.

Können CDU und Grüne noch vernünftig miteinander regieren – oder müssen wir uns auf einen Dauerwahlkampf während der zwanzig Monate bis zur Wahl einstellen?

An uns soll es nicht liegen. Wir beginnen jetzt nicht mit dem Wahlkampf, sondern kümmern uns intensiv um inhaltliche Konzepte, und da haben wir noch einige Hausaufgaben zu erledigen.

Die CDU hat sich im letzten Wahlkampf genauso wie die SPD die Zähne am grünen Ministerpräsidenten ausgebissen. Wie wollen Sie gegen dessen hohe Popularität punkten?

Ich warte gelassen ab, ob Winfried Kretschmann antritt oder nicht. Dass er mit der Frage ringt, ob er weitermachen will oder nicht, das glaube ich ihm.

Aber wenn er es noch einmal wissen will?

Dann gibt es jedenfalls keinen Automatismus nach dem Motto: Wenn der oder die wieder antritt, dann hast du keine Chance. Wir haben doch bei einigen Oberbürgermeister-Wahlen der letzten Zeit erlebt, dass es ganz anders kommen kann. Und vielleicht sagt der Wähler nach zehn Jahren Kretschmann und vor Beginn einer neuen, fünfjährigen Legislaturperiode: eine Dekade des ruhigen Regierens mag dem Land durchaus gutgetan haben. Aber jetzt brauchen wir angesichts einer sich dramatisch verändernden Welt jemanden mit mehr Energie, mit mehr Gestaltungswillen.

„Mit dem Thema Bildung lassen sich keine Wahlen gewinnen, nur verlieren“, heißt es oft. Was macht Sie zuversichtlich, dass Sie als Kultusministerin die Wähler überzeugen können? Viel besser ist die Stimmung unter Schülern, Eltern und Lehrern unter Ihnen auch nicht geworden.

Von einer schlechten Stimmung kann doch nicht die Rede sein. Ich glaube, dass man aus diesem Ministeramt gut eine Spitzenkandidatur entwickeln kann: ich bin jeden Tag im direkten Gespräch mit Bürgern, die ihre Sorgen und Wünsche benennen. Dichter dran geht nicht.

Sie haben viele mit Ihrem entschiedenen Eintreten für ein Zentralabitur überrascht. Legen Sie da nicht die Axt an den Föderalismus?

Ganz im Gegenteil. Zentralabitur heißt für mich nicht zentral aus Berlin. Zentral heißt: einheitliche Standards in allen Ländern – übrigens nicht nur für die Gymnasien, sondern für alle Prüfungen. Wer den Bildungsföderalismus in die Zukunft führen will, muss beweisen, dass sich die 16 Länder weiter entwickeln können. Auf Initiative von Baden-Württemberg arbeiten wir seit zwei Jahren an einem Staatsvertrag, um der zunehmenden Mobilität der Eltern und Kinder über Landesgrenzen hinweg Rechnung zu tragen, aber auch um mehr Gerechtigkeit zwischen den Ländern herzustellen. Dieser Prozess läuft jedoch schlecht.

Wo sitzen die Bremser?

Überall. Bayern sagt, wir wollen kein Absenken der Leistungsstandards – das will ich auch nicht. Berlin und Bremen erklären, sie seien jetzt schon an der Grenze. Wenn es uns Ländern aber nicht gelingt, eine Lösung zu finden, schaffen wir den Föderalismus selbst ab. Entweder wir reformieren selbst oder wir werden reformiert durch den Bund.

Was spricht gegen eine Regelung aus Berlin?

Es stimmt einfach nicht, dass der Bund alles besser macht. Schauen Sie sich doch nur den Breitbandausbau an. Viel schlimmer geht es wohl nicht. Wenn ein Bundesbildungsminister etwa 40000 Schulen, also die kleine Grundschule im Allgäu wie die große Grundschule in Hamburg, im Blick haben soll, führt das nicht zu Verbesserungen, sondern zu einer Nivellierung auf unterstem Niveau. Bildung lebt von der Vielfalt, von regionalen Besonderheiten und unterschiedlichen Herangehensweisen der Länder.

Sie schließen eine Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren nicht mehr kategorisch aus. Ist das ein Bonbon für die anderen Länder?

Da interessieren uns die anderen Bundesländer nicht. Die Länder können G8 oder G9 haben, die vier- oder sechsjährige Grundschule. Nur das Ergebnis muss stimmen. Wir haben in Baden-Württemberg das gleiche Abitur für G8 und G9. Es gibt zur Dauer der Schulzeit viele Diskussionen, momentan ist eine Änderung aber für uns kein Thema. Für die weitere Zukunft sollte man aber nie etwas ausschließen.

Bei den Europa- und Kommunalwahlen haben die Grünen mit dem Thema Klimaschutz viele Stimmen geholt. Die grün-schwarze Koalition streitet heftig über Fahrverbote, weil sich die Christdemokraten auf die Seite der Autofahrer schlägt. Braucht die CDU einen Kurswechsel bei diesen Fragen?

Wir brauchen keinen Kurswechsel, wir brauchen erst mal ein Konzept…

Das ist ja noch schlimmer!

Wie schön, dass ich Sie überraschen kann. In der Umweltpolitik sagen wir als CDU im Moment zu oft: Dies wollen wir nicht – und das wollen wir nicht. Wir müssen deutlicher sagen, was wir stattdessen wollen. Da erwarten die Bürger eine klare Führung.

Wohin wollen Sie denn in dieser Frage führen?

Wir haben unbestreitbar einen großen Handlungsbedarf, um die Erderwärmung zu bremsen, unsere natürlichen Ressourcen besser zu schützen und eine umweltschonende Mobilität zu ermöglichen. Dabei dürfen wir die soziale Komponente nicht außer Acht lassen. Klimaschutz darf nichts sein, das sich nur Wohlbetuchte leisten können.

Der grüne Landesverkehrsminister Winnie Hermann will eine radikale Wende in der Verkehrspolitik – unter anderem mit einem großen Umbau der Städte zugunsten von Bus, Bahn und Fahrrad. Dort, wo bisher zweispurige Fahrbahnen sind, soll eine dem Autoverkehr genommen und für alternative Verkehrsmittel reserviert werden. Gehen Sie bei solchen Plänen mit?

Das ist ein klassischer Vorschlag des Kollegen Hermann, der sich mit meinen Vorstellungen nicht deckt. Nur mit Verboten und Einschränkungen gewinnen wir nichts. Einfach den Pendlern das Leben zu erschweren unter dem Motto „Schaut doch selbst, wie ihr zu euren Arbeitsplätzen kommt!“, das kann nicht der richtige Weg sein.

Hermann ist der Auffassung, dass ohne radikale Eingriffe die ehrgeizigen Klimaschutzziele nicht zu erreichen sind.

Da frage ich mich natürlich, warum nicht schon früher mit dem Umsteuern begonnen wurde. Dieses Land hat seit 2011 einen grünen Ministerpräsidenten, einen grünen Umweltminister und einen grünen Verkehrsminister. Was da jetzt von den Grünen kommt, wirkt auf mich panisch und nicht durchdacht.

Und welche Alternative bieten Sie an?

Wir brauchen ein Mobilitätskonzept, das weniger auf Verbieten als auf Ermöglichen setzt. Das schließt einen starken Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs ein. Wir müssen die E-Mobilität erhöhen, aber dürfen sie nicht zum allein seligmachenden Mittel überhöhen. Das heißt: Offenheit auch für andere technologische Möglichkeiten. Und alles, was wir tun, darf nicht zu neuen Spaltungen in der Gesellschaft führen. Deshalb ist ein einseitiges Belasten der Pendler falsch.

Umweltminister Franz Untersteller, ebenfalls ein Grüner, hat gerade CDU-Plänen für eine Klimaschutzstiftung des Landes eine deutliche Absage erteilt. Mit einer solchen Stiftung will die CDU klimafreundliche Vorhaben wie etwa die Renaturierung von Flächen oder die energetische Sanierung von Gebäuden unterstützen. Halten Sie an der Stiftungsidee fest?

Im Bund haben die Grünen eine ähnliche Lösung vorgeschlagen. Hier im Land wird es mit Pauken und Trompeten abgelehnt. Das finde ich sehr merkwürdig. Da haben wir noch intensiven Gesprächsbedarf.