Sein neues Album „57th & 9th“ erschien zwei Tage nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten. Die USA zu verlassen, kommt dem in New York lebenden Sting trotzdem nicht in den Sinn – es sei denn, für Tourneen durch Europa. Ende März gastiert der Popstar in Stuttgart.
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Berlin - Der Bart ist ab. Sting alias Gordon Sumner hat ihn seiner Gattin Trudie Styler zuliebe jüngst abrasiert. „Ich tue alles, was meine Frau mir sagt“, sagt der Brite, als wir ihn im „Soho House“ in Berlin treffen. Der 16-fache Grammy-Gewinner wirkt beim Gespräch entspannt und charmant zurückhaltend. Zu dunklen Jeans und lässigen Boots trägt er ein helles T-Shirt, das den Blick frei gibt auf seine drahtigen Oberarme. Dass er sich öfter die Hand an die Ohrmuschel hält, weil er die Frage akustisch nicht versteht, zeugt von den Hörproblemen eines Rockmusikers reiferen Alters. Trotzdem klingt sein neues Album „57th & 9th“ eher nach dem jungen Sting, der mit The Police Weltruhm erlangte. Im Interview äußert sich der 65-Jährige zu seiner Arbeit mit syrischen Flüchtlingen, zum Coming-Out seiner Musiker-Tochter, seiner Liebe zu Bienen und Yoga-Übungen im Flugzeug.
Mr. Sumner, haben Sie heute schon Yoga gemacht?
Nein, ich war ja im Flugzeug. Aber ich habe fast den ganzen Flug von London nach Berlin meditiert. 45 Minuten in tiefster Meditation zu verbringen, halte ich für eine wichtige Übung. Denn der menschliche Verstand ist wie ein kleiner, ungezogener Hund.
Wie muss man sich das im Flugzeug vorstellen?
Ich schließe meine Augen und versuche, das wilde Hündchen in meinem Kopf davon abzuhalten, loszulaufen. Ich konzentriere mich dann ausschließlich auf eine einzige Sache. Es geht nicht darum, einzuschlafen. Du musst den Geist fokussiert halten. Das ist alles, was es braucht. Und das geht überall.
Also muss es auch für Sie nicht immer Yoga sein?
Für mich ist alles Yoga! Gehen ist Yoga, Sitzen ist Yoga, Essen ist Yoga. Yoga ist eine bewusste Bewegung und Atemtechnik. Das kann ich überall praktizieren.
Ist Ihre körperliche Fitness mit viel Arbeit verbunden?
Ich war Athlet, als ich jünger war. Ich war ein sehr guter Läufer über 100 und 200 Meter. Das ist wohl der Grund, warum ich immer auf mich geachtet habe. Es ist zum einen eine gewisse Eitelkeit, die mich dazu antreibt, zum anderen aber auch einfach die Disziplin.
Ist es schwer, als Rockstar zu altern?
Vermutlich ist es so hart wie für jeden anderen Menschen auch. Ich gebe nicht vor, dass ich jünger bin, als ich wirklich bin. Ich bin nun mal 65. Ich mache allerdings noch denselben Job wie damals mit 25. Und ich sehe noch ziemlich gut dabei aus.
Bereitet das Alter trotzdem Kummer?
Mir hilft mein Hang zur Philosophie. Ich denke, wenn man älter wird und dem Tod immer näher rückt, muss man eine Lebensphilosophie für sich finden, um Dinge zu erklären und Erkenntnisse über den Sinn des Lebens zu gewinnen. Ich bin überzeugt, dass es den Sinn des Lebens gibt.
Sie waren in den vergangenen Jahren ständig auf Tour. Sie haben ganz unterschiedliche Alben veröffentlicht und waren auch am Broadway aktiv. Ist der Yoga-Fan Sting doch eher der rastlose Typ?
Künstlerisch bin ich rastlos, ja. Aber das muss auch so sein. Für mich ist ein wichtiger Aspekt der Kunst, konstant auf der Suche zu sein. Der erste Song der neuen Platte heißt „I Can’t Stop Thinking About You“. Das klingt erst mal romantisch. Aber eigentlich handelt das Lied von Kreativität, konkret: vom Schreiben. Wie ein Künstler oder Autor jeden Tag ein weißes Blatt vor sich hat. Es ist wie beim Schnee: Es gibt keine Hinweise, was sich darunter verbirgt. Ist da eine Straße oder einfach nur ein Weg? Ist da ein Tier oder eine Muse? Und wenn es eine Muse ist: Ist es eine romantische oder eine spirituelle Muse? Wir wissen es nicht. Das Problem haben wir Schreiber ja täglich. Trotzdem huldigen wir der Obsession, uns mit Worten ausdrücken zu wollen.
Hatten Sie denn eine Schreibblockade, von der Sie sich befreien mussten?