Ursula von der Leyen hat kurz nach ihrem Antritt als Verteidigungsministerin eine familienpolitische Debatte angestoßen. Foto: dpa

Ein Stabsfeldwebel spricht im Interview mit den Stuttgarter Nachrichten über die Nöte in der Truppe und ferne Generäle.

Ein Stabsfeldwebel spricht im Interview mit den Stuttgarter Nachrichten über die Nöte in der Truppe und ferne Generäle.
Stuttgart – - Herr Hüttel, erst wird eine Frau oberste Chefin der Bundeswehr, dann stößt sie gleich eine familienpolitische Debatte an. Kann das in der Bundeswehr-Führung gut ankommen?
Jedenfalls kommt es bei den einfachen Soldaten sehr gut an. Wir haben den Eindruck, dass die Ministerin gleich ein Thema in den Mittelpunkt rückt – und nicht sich selbst. Ein wohltuender Unterschied zu ihren beiden Vorgängern.
Holger Hüttel ist Vorstandsmitglied des Arbeitskreises Darmstädter Signal, das sich als kritisches Sprachrohr von ehemaligen und aktiven Offizieren und Unteroffizieren der Bundeswehr versteht. Foto: StN
Hat Frau von der Leyen mit ihrem Vorstoß einen wunden Punkt getroffen?
Unbedingt. Das Thema brennt uns bei der Bundeswehr auf den Nägeln. Überall in der modernen Arbeitswelt ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein großes Thema. Bei der Bundeswehr liegt da noch viel im Argen. Zumal jetzt auch immer mehr Frauen zur Bundeswehr kommen.
Wo drückt denn den Soldaten der Schuh?
Durch die Bundeswehr-Reform haben sich die Probleme dramatisch verschärft. Die Soldaten müssen sich als Verfügungsmasse vorkommen. So wie Material von einem Depot zum nächsten verschoben wird, so werden auch Menschen hin und her geschoben. Die Zahl der Versetzungen hat sich extrem gesteigert. Die Soldaten werden aus sozialen und familiären Zusammenhängen herausgerissen. Es gibt immer mehr Pendler, die ihre Familie von Montagmorgen bis Freitagabend nicht sehen.
Werden bei den Versetzungen die familiären Situationen der Soldaten nicht berücksichtigt?
Unsere Hauptkritik ist, dass die Versetzungen nach Aktenlage erfolgen, nicht nach Wissen und Können oder Interessen und Talenten. Oft muss an den Standorten nachgeschult werden, weil die versetzten Kräfte bestimmte Fähigkeiten nicht haben, die woanders vorhanden gewesen wären. Familie und Kinder – das steht weit im Hintergrund. Es ist kein Zufall, dass die Scheidungsquote bei den Beschäftigten der Bundeswehr so hoch ist. Die Kommandeure vor Ort haben bei den Entscheidungen keine Mitsprache. Dadurch geht Fachwissen verloren. Den Soldaten muss es so vorkommen, dass über die Versetzungen irgendwo hoch oben über den Wolken entschieden wird.
Die Opposition wirft der Ministerin vor, sie werfe da ein neues Thema auf, das Geld kostet, das einfach nicht da ist. Das Ministerium meint dagegen, mehr Familienfreundlichkeit sei keine Frage des Geldes.
Natürlich wird das Geld kosten. Man muss eben das Geld des Bundeswehr-Etats richtig nutzen. Man kann natürlich auch weiter das Geld der Rüstungslobby in den Hals stecken, wie das in der Vergangenheit regelmäßig geschehen ist, oder es für sinnlose oder völkerrechtlich fragwürdige Kriege ausgeben. Oder aber man verwendet es zugunsten der Soldaten.
Was ist Ihr Vorschlag?
Wir vom Darmstädter Signal sehen die neue Truppenstärke der Bundeswehr von 185 000 Soldaten kritisch. 120 000 würden völlig reichen, und dann wäre auch genügend Geld vorhanden. Das Geld im Etat reicht, wenn die richtigen Prioritäten gesetzt werden.
Sie setzen also große Hoffnungen auf die neue zupackende Ministerin?
Ja. Wir wünschen uns, dass Frau von der Leyen Veränderungen in der Truppe durchsetzt – gegen die Generalität, die in erster Linie ihre eigene Karrieren zum Maßstab ihres Handelns macht. Jetzt müssen den Worten auch Taten folgen. Uns fällt positiv auf, dass die Ministerin auch eine Neubewertung des Themas Drohnen angekündigt hat. Auch das ist wichtig. Wir lehnen als Darmstädter Signal Kampfdrohnen ab. Und wenn Aufklärungsdrohnen Informationen beschaffen, die dann andernorts zum Einsatz von Kampfdrohnen führen, ist das ebenfalls hoch problematisch. Offensichtlich sieht die Verteidigungsministerin auch da einen Redebedarf.