Beim Blick aus ihrem Bürofenster hat Corinna Clemens die Innenstadt vor Augen. Ein Luftbild gewährt detaillierte Einblicke für die Planung. Foto: factum/Simon Granville

Die erste Amtszeit der Sindelfinger Baubürgermeisterin Corinna Clemens läuft aus. Im März stellt sie sich dem Gemeinderat zur Wiederwahl. Sie lobt ihren vielfältigen Job und sagt, die Entwicklung der Innenstadt steht in den nächsten Jahren ganz oben auf ihrer Agenda.

Sindelfingen - Mit ihrem stadtplanerischen Profil hatte Corinna Clemens vor acht Jahren die Sindelfinger Stadträte von sich überzeugt. Sie wählten sie zur neuen Baubürgermeisterin der Stadt. Nun geht ihre erste Amtszeit zu Ende. Clemens stellt sich erneut zur Wahl. Doch im Gremium gibt es viele Unzufriedene. Über einen ernst zu nehmenden Konkurrenten, der sie ablösen könnte, ist jedoch bisher nichts bekannt. Im März wird gewählt. Im Interview mit unserer Zeitung zieht sie eine Bilanz ihrer Arbeit.

Frau Clemens, viele Stadträte kritisieren, Sie hätten keine Konzepte zur städtebaulichen Entwicklung.

Das wundert mich etwas. Fakt ist, dass es bei meinem Amtsantritt vor acht Jahren für die wichtigsten Themen der Stadtentwicklung keinerlei Konzepte gab. Wir haben nun eine ganze Reihe aufgestellt.

Welche?

Als erstes das Handlungskonzept Wohnen 2025. Da sind wir als Stadt wirklich vorbildlich. Wir haben dabei miteinander ein umfassendes Paket aus Zielen und Maßnahmen geschaffen, sowohl für die Entwicklung von Neubaugebieten als auch für die Konversion und die Verdichtung im Bestand. Was ich besonders schätze: Das alles hat mit großer Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger stattgefunden.

Welche anderen Planungen haben Sie vorangetrieben?

Wir haben eine Wirtschaftsflächenstrategie vorgelegt, ein Radwegekonzept und Handlungsempfehlungen zur Innenstadt-entwicklung. Das alles wird nach und nach umgesetzt. Wir haben mit dem Gemeinderat viel und produktiv gearbeitet in den vergangenen Jahren.

Bei der Innenstadtgestaltung, ein großes Thema bei Ihrer Wahl vor acht Jahren, sind Sie aber nicht wirklich vorangekommen.

Die Innenstadt ist ein Dauerthema seit Jahrzehnten – passiert ist viel, auch wenn einige Dinge nicht auf den ersten Blick erkennbar sind. Wir kommen nach intensiver Diskussion an einen Punkt, dass sich ein Konsens über strittige Themen abzeichnet. Zum Beispiel das Thema Autoverkehr in der Altstadt. Da setzt langsam ein Bewusstseinswandel ein. Nur wenn wir zumindest Teile der Altstadt autofrei bekommen, kann sich dort die ja von allen gewünschte Qualität entwickeln.

Wie wollen Sie das angehen?

Es gibt verschiedene Achsen in der Altstadt. Eine ganz bedeutende ist die Lange Straße. Dort müssen wir die parkenden Autos verbannen und den öffentlichen Raum für Fußgänger attraktiver machen. Wenn man am oberen Ende der Langen Straße in einem Restaurant mit Panoramafenster sitzt und direkt davor Lieferwagen parken – das habe ich erst kürzlich wieder selbst erlebt –, entsteht bei niemandem der Eindruck, dass wir unsere Altstadt wertschätzen.

Manches ist bei der Innenstadtbelebung schiefgegangen. Das grüne Möbel Meterle, das Sie auf der Planie platziert hatten, hat für viel Spott und Häme gesorgt.

Ja, das nehme ich auf mich. Das war sicher ein Flop in meiner Amtszeit. Die Farbe war wirklich gewöhnungsbedürftig, und die Tauben, die alles verschmutzen, hatten wir nicht bedacht. Das war ein Realexperiment – aber wir hätten es als solches anders vorab kommunizieren müssen. Aber es war ein Projekt, aus dem wir für die Zukunft lernen konnten.

Wie wollen Sie die Stadträte davon überzeugen, Sie wiederzuwählen?

Ich führe mit allen Fraktionen Gespräche. Bei den Grünen, die das Vorschlagsrecht für den Baubürgermeisterposten haben, war ich schon.

Denen sind Sie nicht grün genug.

Das habe ich auch vernommen. Aber ich verstehe mich nicht als Grüne oder sonstige Parteipolitikerin. Ich sehe meine Aufgabe darin, im Sinne der Stadt die Interessen aller Gemeinderäte und damit letztlich der Bürger unter einen Hut zu bringen und für möglichst viele Themen möglichst gute Lösungen zu finden.

Zugute kommt Ihnen im Bewerbungsverfahren sicher die momentane Haushaltssituation, die ausgesprochen schlecht ist. Welcher ambitionierte Planer will in einer Pleitestadt Baubürgermeister werden. Da gibt es ja keinerlei Gestaltungsspielraum.

Für jemanden, der sich hier rein als Architekt verwirklichen möchte, ist das eh der falsche Posten. Das Baudezernat hat ein riesiges Spektrum an Aufgaben – von ganz kleinem, aber aufwendigem Tagesgeschäft bis zu gesamtstädtischen Strategien ist alles dabei. Um ein solches Dezernat zu leiten, braucht man Erfahrungen in Projektsteuerung, Kreativität, Durchsetzungsvermögen und vor allem fitte Führungskräfte und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In jedem Bebauungsplan, in jedem Bau- und Vergabebeschluss, den wir dem Gremium vorlegen, steckt sehr viel Arbeit der beteiligten Ämter drin.

Was aber wollen Sie bauen, wenn Sie in den kommenden Jahren kein Geld für die Projekte haben?

Ich bin froh, dass wir in den vergangenen finanziell guten Jahren sehr viel saniert und auch viele Neubauprojekte, etwa Kitas, umgesetzt haben. Da haben wir gute Vorarbeit geleistet. Wichtige Sanierungen und Reparaturen müssen natürlich auch in den kommenden Jahren umgesetzt werden. Und wir haben gesagt: Die Planungen für die großen Projekte wie die Sanierung der Galerie und das Kultur- und Bürgerzentrum betreiben wir weiter. Dann müssen wir nicht bei null anfangen, wenn die Finanzlage besser ist, sondern können dann gleich mit der Umsetzung beginnen.

Was schätzen Sie an Ihrer Arbeit?

Baubürgermeisterin ist ein unglaublich spannender Job, weil er so vielfältig ist. Ich komme jeden Tag gerne ins Büro, weil jeder Tag anders ist. Und ich komme mit sehr vielen komplexen Themen in Berührung. Neu war für mich beispielsweise anfangs die Feuerwehr, die ja auch in meinem Aufgabenbereich liegt. Mittlerweile habe ich die Arbeit des Amtes und der Ehrenamtlichen viel besser kennengelernt. Es ist unglaublich, was da geleistet wird. Ich war zuvor über zehn Jahre lang Planerin auf dem Flugfeld. Ich wollte bewusst eine Stelle, in der ich wieder direkten Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern und damit zu viel mehr Themen der Stadtentwicklung habe.

Sie wären zu nachgiebig bei der Gewährung von Freigaben, monieren manche Räte.

Manche meinen, wir seien zu streng in der Auslegung. Wir haben Vorschriften, an die sich alle halten müssen. Aber es gibt auch berechtigte Interessen Einzelner. Das schauen wir uns dann genau an. Auch da geht es für mich darum, einen Konsens zu finden, mit dem alle leben können. Diesen Ausgleich gilt es auch in anderen Bereichen zu finden: Einige fordern mehr Konzepte, andere meinen, dass wir uns mehr auf das Tagesgeschäft konzentrieren sollten. Wir haben in den vergangenen acht Jahren erfolgreich beides geschafft: strategische Grundlagen entwickelt und die Alltagsarbeit gut und transparent erledigt.

Wie ist Ihr Verhältnis zum Gemeinderat aus Ihrer Sicht?

Ich schätze die Zusammenarbeit mit allen und finde sie konstruktiv. Das heißt natürlich nicht, dass es nicht auch mal Diskussionen gibt. Ein auch mal kritischer Dialog ist eine gute Quelle für Innovation.

Auch mit dem Oberbürgermeister Bernd Vöhringer? Er gilt als schwieriger Chef.

Auch innerhalb der Verwaltungsspitze, zu der auch der Finanzbürgermeister Christian Gangl gehört, sind wir natürlich nicht immer einer Meinung. Wir diskutieren dann offen, und ich habe kein Problem damit, meine Meinung deutlich zu vertreten, aber auch keins, wenn andere meine Sicht der Dinge nicht teilen und ein Kompromiss gefunden wird. Stadt und Verwaltung leben von der Vielfalt. Die Bürger wissen durchaus, dass wir es uns nicht einfach machen und dass hinter großen Projekten ein großes Team steht. Unser gemeinsames Ziel ist es, Sindelfingen weiterhin fit für die Zukunft zu machen – etwas, das in den nächsten Jahren nicht leichter wird, aber eine spannende Aufgabe bleibt.