Der neue Agrarbericht des Bundesamtes für Naturschutz sieht schwarz für viele Tiere und Pflanzen auf landwirtschaftlichen Flächen. Agrarminister Peter Hauk (CDU) dagegen nimmt die Bauern in Schutz: In Baden-Württemberg trügen sie zum Erhalt der Arten bei.
Herr Hauk, es ist ein Dilemma: Die Bauern müssen wachsen, um auf dem Weltmarkt mithalten zu können – doch die intensive Nutzung des Landes verstärkt den Rückgang und das Aussterben vieler Pflanzen und Tiere. Lässt sich diese Entwicklung überhaupt noch aufhalten?
Gerade bei uns ist die Herausforderung noch lösbar. In Baden-Württemberg haben wir eine sehr viel kleinteiligere Landwirtschaft als zum Beispiel im Norden und Osten. Die Artenvielfalt ist bei uns im Südwesten noch deutlich höher. Unsere Landwirte tragen durch ihre Arbeit zum Erhalt der Artenvielfalt bei und nicht, wie ihnen ständig unterstellt wird, zu deren Schwund.
Das Bundesamt für
Naturschutz bezeichnet im
Agrarbericht 2017 die Lage als dramatisch. Der Bestand des Rebhuhns etwa ist seit 1994 um 84 Prozent zurückgegangen.
In Baden-Württemberg erarbeiten wir gerade eine groß angelegte Biodiversitätsstrategie, die wir im Herbst vorstellen wollen. Dabei handelt es sich um ein gemeinsames Projekt von Landwirtschafts- und Umweltministerium. Um bei Ihrem Beispiel zu bleiben: Hierbei wird auch das Rebhuhn eine Rolle spielen. Es könnten zum Beispiel noch kleinteiliger Blühstreifen angelegt werden. Ist eine hohe biologische Qualität der Feldränder vorhanden, wurde für die Artenvielfalt schon viel gewonnen.
Ein großes Problem sind auch die Pestizide. Der Agrarbericht geht von einem Rückgang der Insektenmasse um 80 Prozent aus.
Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wird bei uns minimiert. Ein Pestizid ist ein Pflanzenschutzmittel, das flächendeckend wirkt und wenig spezifisch ist. Es gibt eigentlich nur eines, über das gesprochen wird:
Glyphosat. Aber meiner Meinung nach beeinträchtigt Glyphosat den Artenschutz in Baden-Württemberg kaum. Denn es wird von unseren Landwirten in Baden-Württemberg verantwortungsvoll eingesetzt.
Es ist nachgewiesen, dass etwa Bienen durch Glyphosat die Orientierung verlieren und nicht mehr in den Stock zurückfinden.
Glyphosat ist als nicht bienengefährlich eingestuft. Bei uns werden in der Regel nur spezifisch wirkende Pflanzenschutzmittel benutzt. Diese sind notwendig, weil etwa mit Pilzen belastetes Getreide für den Menschen gesundheitsschädlich sein kann.
Sie würden also sagen, dass der Einsatz von Spritzmitteln insgesamt ausgewogen ist?
In Baden-Württemberg gehen Landwirte mit dem Thema Pflanzenschutz professionell und verantwortungsbewusst um. Unsere Experten arbeiten gemeinsam mit der Landwirtschaft stetig daran, den Einsatz weiter zu reduzieren und zu spezifizieren.
Ein drittes Problem ist die Gülle. Die Nitratbelastung in Flüssen und im Grundwasser ist im Land sehr unterschiedlich, aber nicht wirklich beruhigend. Wird die neue Düngeverordnung des Bundes die Lage verbessern?
Das Thema Nitratbelastung ist eine Daueraufgabe. Was mich stört an der neuen Düngeverordnung des Bundes: Man schert alle Bauern über einen Kamm. Ich hätte mir vorstellen können, dass Landwirte dort, wo die Nitratwerte in Ordnung sind, von bürokratischen Auflagen entbunden bleiben. Jetzt muss jeder Bauer aufwendige Stoffstrombilanzen führen, was völlig unangemessen ist. Am Ende werden sich dies nur noch große arbeitsteilige Betriebe leisten können, und kleinere Betriebe hören auf. Das ist die Politik der grünen Landwirtschaftsminister in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen, die dazu führt, dass die Agroindustrie gefördert wird und kleinere Betriebe ins Hintertreffen geraten.
An manchen Grundwasser-Messpunkten auch in Baden-Württemberg wird der Grenzwert dauerhaft überschritten. Dem können Sie doch nicht zusehen.
Das tun wir auch nicht. Es gibt nur wenige Brunnen, die über dem Grenzwert liegen, und dort arbeiten wir daran, die Situation weiter zu verbessern. Aber das Trinkwasser selbst ist nirgendwo belastet.
Das hört sich ein wenig so an, als sei alles in Ordnung. Die Landeswasserversorgung sieht die Werte durchaus als bedenklich an. Der Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter sei kein Wert, den man ausschöpfen darf.
Da sind wir uns ja einig. Und deshalb setzen wir auch in den wenigen Ausnahmen alles daran, den Wert weiter zu unterschreiten.
Naturschützer sehen die EU-Fördermittel für die Bauern als wichtigsten Hebel für Veränderungen – die 60 Milliarden Euro jährlich sollen stärker an ökologische Vorgaben gebunden werden. Was müsste sich für Sie ändern?
Es muss bei den Direktzahlungen angesetzt werden. Konkret: Die ersten Hektare müssen deutlich stärker gefördert werden.
So wollen Sie die kleinen Betriebe stärken?
Das hat etwas mit Kostendegression zu tun und wäre nur gerecht. Ich war vor kurzem in Irland. Die Iren haben das national schon längst geregelt. Es gibt dort eine nationale Obergrenze von 150 000 Euro. Wir haben im Osten Betriebe mit Millionenzuschüssen. Daneben müssen wir die natürlichen Strukturen stärken. Ein Beispiel: 98 Prozent der Landwirte bei uns haben Flächen, auf denen sie ihr Futter selbst anbauen. Und auf dieser Fläche bringen sie die Gülle als natürlichen Dünger wieder aus. Diese Form der Landwirtschaft droht auszusterben. Dieser Kreislauf ist in Niedersachsen und in Teilen Westfalens über 40 Jahre sträflich vernachlässigt worden. Dort ist eine Agroindustrie entstanden, die jetzt riesige Probleme hat. Wir leiden in Baden-Württemberg unter der Lauheit dieser Politiker.
Die bessere Förderung kleinerer Betriebe ist für Sie bereits Naturschutz?
Natürlich. Kleinteilig ist immer besser als großteilig. Ein weiterer Punkt: In jenem Teil des EU-Landwirtschaftsetats, der an besondere Aufgaben für die Bauern gebunden ist, sollten wir den Fokus stärker auf Landwirtschaft und Naturschutz richten. Ich habe im Bundesrat dafür geworben, den Anteil dieses Haushaltsanteils von 4,5 auf sechs Prozent zu erhöhen.
Die Naturschützer verlangten 15 Prozent…
Ich habe gar nichts gegen eine weitere Erhöhung. Wir werden zum Beispiel auch mehr Geld brauchen, um die Folgen des Klimawandels in der Landwirtschaft zu bewältigen. An einem Punkt bin ich mit den Naturschützern einig: Die Landwirtschaft fährt gut damit, zukunftsfähig zu sein. Wir alle müssen beweglicher werden, wenn wir die Zukunft gestalten wollen.
In Ihren Reden geben Sie sich meist als Freund der Landwirte.
Was heißt Freund der Bauern? Ich bin ein Freund einer naturnahen Landwirtschaft. Wenn man den Schutz der mittelständischen Betriebe ernsthaft betreiben will, dann muss man den Bauern Vertrauen entgegenbringen. Man darf sie nicht ständig in die Pfanne hauen und ihnen nicht ständig sagen, dass sie beispielsweise zu viele Pflanzenschutzmittel ausbringen. Die Bauern haben die Sachkenntnis, während andere ganz ohne diese oder rein emotional argumentieren. Die Bauern in Baden-Württemberg haben Vertrauen und Unterstützung verdient.