Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer Foto: dpa

Seit 2014 ist der Rheinländer Hans Peter Wollseifer deutscher Handwerkspräsident. In einem Interview spricht er von vollen Auftragsbüchern, fehlenden Fachkräften und dem drohenden Fahrverbot in Städten für Fahrzeuge mit Dieselmotoren, die Enteignungen gleich kämen.

Berlin - Das deutsche Handwerk erwartet, dass sich der Aufschwung 2017 fortsetzt. Das Wachstum werde aber dadurch gebremst, dass es vielen Branchen an Fachkräften mangelt.

Herr Wollseifer, die deutsche Konjunktur wird von der guten Inlandsnachfrage getragen. Setzt sich der Aufschwung für das Handwerk 2017 fort?
Das Handwerk erreichte 2016 ein konjunkturelles Allzeithoch. Das Wachstum wird im nächsten Jahr weitergehen. Wir erwarten ein Umsatzplus von zweieinhalb Prozent.
In der Bauwirtschaft erleben wir einen Boom. Muss Ihnen nicht Sorge bereiten, dass es hier zu Überhitzungen kommen könnte, was negative Folgen für das Handwerk hätte?
Es werden vor allem neue Wohnungen in Ballungsgebieten gebaut. Bei Aufträgen der öffentlichen Hand oder der Wirtschaft ist noch viel Luft nach oben. Aber die insgesamt gute Auftragslage bekommen Kunden leider schon zu spüren – Wartezeiten von zwei bis drei Monaten kann es regional geben. Der Markt für Fachkräfte ist in vielen Branchen bereits leer gefegt, die Betriebe können also auch nicht so wachsen wie gewünscht.
In der Bundesregierung wird über Fahrverbote für Dieselfahrzeuge diskutiert, um die Stickoxidbelastung in den Städten zu senken. Das typische Handwerkerfahrzeug ist ein Diesel. Was sagen Sie zu den Plänen?
Sofort stoppen. Das Handwerk hat bis vor wenigen Monaten nur Euro-5-Nutzfahrzeuge angeboten bekommen und darauf vertraut, dass sie umweltgerecht sind. Fahrverbote für diese fast neuen Fahrzeuge kommen einer Enteignung der Betriebe gleich. Die Politik muss sich auch fragen, wer dann Dienstleistungen und Bau in den Städten übernehmen soll.
Die Fahrzeugmodelle mit den neuesten Dieselmotoren sollen vom Fahrverbot ausgenommen sein. Warum kann das Handwerk nicht umrüsten?
Weil die Industrie das nicht anbietet und ja selbst neue Euro-6-Dieselmotoren die Grenzen oft nicht einhalten. Uns fehlt Rechts- und damit Planungssicherheit. Die Industrie muss die für den Klimaschutz wichtige Dieseltechnologie schnell weiterentwickeln. Außerdem fehlen adäquate leichte Nutzfahrzeuge mit Elektro-, Gas- oder Wasserstoffantrieb, auch für Flottenlösungen. Hier hat die Industrie viel nachzuholen.
Die Politik muss etwas tun, um die hohe Abgasbelastung für die Bürger zu senken. Was schlagen Sie vor?
Ich frage mich, warum viele Kommunen weiterhin uralte Dieselbusse, Müllfahrzeuge, Reinigungs-, Rettungs- und Feuerwehrwagen laufen lassen. Im Gegensatz zu Handwerkerfahrzeugen, die hohe Standzeiten beim Kunden haben, sind diese, den ganzen Tag unterwegs. Das gilt auch für Taxen. Hier besteht viel Entlastungspotenzial. Und wir brauchen ein Gesamtkonzept, brauchen Unterstützung für betroffene Kommunen. Das muss vom Bund kommen, der zusammen mit der Industrie die Zwangslage zu verantworten hat.
Im Bundeshaushalt gibt es Überschüsse. Einige Parteien denken über Steuersenkungen nach. Welche Erwartungen hat das Handwerk für die Zeit nach der Wahl?
Die Meldungen über neue Steuer-Rekordeinnahmen kommen zweimal pro Jahr so sicher wie das Amen in der Kirche. Da sind doch Entlastungen drin. Als Erstes muss der Soli auslaufen. Der war zweckgebunden. Die Politik darf nicht einfach einen neuen Zweck erfinden, nur um die Zusatzmilliarden festzuhalten. Auch kleine und mittlere Einkommen müssen entlastet werden. Der Finanzminister muss hier die kalte Progression weiter zurückführen. Pläne liegen längst in der Schublade. Ganz wichtig für Betriebe: Die Grenze für die Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter muss auf mindestens 1000 Euro erhöht werden.