„Klare Kante zeigen“: Gökay Sofuoglu Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Gökay Sofuoglu, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland und in Baden-Württemberg, fordert einen „Zusammenhalt der Demokraten“ gegen die AfD. Die anderen Parteien müssten ihr jetzt mit klarer Haltung begegnen.

Herr Sofuoglu, was ist für Sie das auffälligste Ergebnis der Landtagswahl?
Dass die AfD vor der SPD liegt. Man muss diese Partei jetzt deutlich ernster nehmen. Viele Leute sehen in ihr ja nur eine Protestpartei. Ich stelle fest: Bei der AfD hat das in der Gesellschaft latent vorhandene rechtsradikale Gedankengut eine neue Heimat gefunden. Der AfD ist es gelungen, dieses Potential auszuschöpfen. Der Rechtsradikalismus hat jetzt eine Partei im Parlament.
Bisher war es üblich, dass die drittstärkste Kraft im Landtag – künftig also die AfD – einen stellvertretenden Landtagspräsidenten stellt. Wie sollten die anderen Parteien darauf reagieren?
Man darf dieser Partei nicht noch zusätzliche Möglichkeiten geben, sich zu präsentieren. Wenn die anderen Parteien sagen, dass sie eine Zusammenarbeit mit der AfD ausschließen, muss das beinhalten, dass man ihr keine Posten gibt. Die anderen Parteien müssen das natürlich genau begründen. Aber diesen Zusammenhalt wünsche ich mir unter Demokraten.
Wie bewerten Sie die bisherigen Anstrengungen der politischen Parteien, gegenüber der AfD Haltung zu zeigen?
Ich bin damit gar nicht zufrieden. Es reicht nicht aus, zu sagen, dass man mit der AfD nicht zusammenarbeitet. Man muss die Themen eindeutig besetzen. Die AfD hat auch deshalb so viele Stimmen erhalten, weil etablierte Parteien versucht haben, den rechten Rand zu bedienen. Das geht nicht. Man muss eine klare Haltung beim Kampf gegen Rassismus einnehmen und aufzeigen, wie die Probleme im Land gelöst werden können.
Was bedeutet der AfD-Erfolg für das politische Klima in Stuttgart, einer Stadt, in der viele Migranten leben und die auf Internationalität Wert legt?
Das wird sich natürlich auswirken. Die AfD wird versuchen, das Klima der Vielfalt zu stören, dass sich Stuttgart über die Jahre hinweg erarbeitet hat. Das darf nicht passieren. Wir müssen das Klima der Vielfalt erhalten. Der Wahlerfolg der AfD ist zweifellos bitter für Stuttgart. Aber auch für Baden-Württemberg und – mit Blick auf Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz für ganz Deutschland.
Erledigt sich das Thema AfD irgendwann von selbst?
Die AfD wird nicht einfach wieder verschwinden. Wir haben jetzt die Situation wie in Frankreich und anderen europäischen Ländern, dass wir auf längere Zeit mit Rechtsradikalen in den Parlamenten rechnen müssen – eventuell auch im Bundestag. Entscheidend ist wie die anderen Parteien darauf reagieren. Klare Kante zeigen ist jetzt angesagt.
Die Türkische Gemeinde hatte vor der Landtagswahl dazu aufgerufen, das Deutschtürken von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen sollten. Wie war die Resonanz?
Wir haben sehr viele Menschen mobilisieren können. Das Thema Wahlen in Deutschland war in der türkischen Community so präsent wie nie zuvor. Das ist eine neue und gute Entwicklung.
Sie sind auch SPD-Mitglied. Was sagen Sie zum Abschneiden Ihrer Partei?
Die Landes-SPD braucht dringend ein neues Profil.
Auch einen neuen Kopf?
Wichtig ist das Profil. Nils Schmid war ein guter Wirtschaftsminister, aber die SPD punktet eher mit Sozialpolitik. Die gute Arbeit der bisherigen Sozialministerin Katrin Altpeter hat im Wahlkampf leider keine Rolle gespielt.
Von wo aus sollte die SPD sich denn um ein neues Profil bemühen – von der Regierung aus, wenn sie Gelegenheit dazu bekäme, oder auf den Oppositionsbänken?
In dieser Frage möchte ich mich nicht festlegen. Wichtig ist, dass sich die Koalitionsvereinbarung dadurch auszeichnet, dass sich die künftigen Regierungsparteien darin für Vielfalt in Baden-Württemberg aussprechen und dann auch dafür engagieren. Sie müssen sich klar von den Positionen der AfD abgrenzen.

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