Gerhard Heim (links) und Rainer Krause möchten der Stadt etwas zurückgeben, wie sie im Interview erklären. Foto: KS-Images.de

Gerhard Heim und Rainer Krause wollen der Stadtverwaltung bei städtebaulichen Problemen unter die Arme greifen – ehrenamtlich.

Marbach - Etwas Wind unter die Flügel der Verwaltung blasen wollen der ehemalige Erste Beigeordnete der Stadt Marbach, Gerhard Heim, und Immobilien-Fachmann Rainer Krause. Deshalb sind die beiden aktuell dabei, eine Projektentwicklungsgesellschaft zu gründen. Unter deren Dach wollen sie – erst einmal unentgeltlich – Projekte wie etwa die Gartenschau vorantreiben.

Sie haben beide Großes vor. Lassen Sie uns teilhaben an Ihren Plänen.

Heim: Herr Krause und ich sind seit rund einem Jahr im Gespräch darüber, eine Projektentwicklungsgesellschaft zu gründen. Es gibt in jeder Stadt oder kleineren Gemeinde städtebauliche Probleme und Missstände. Es gibt Grundstücke, die falsch, gar nicht oder unzureichend genutzt sind, was vielfältige Ursachen hat. Vielleicht sind es schwierige Eigentumsverhältnisse, steuerliche Probleme oder es passt der Bebauungsplan nicht. Und da denken wir, dass wir die Stadt weiterbringen können, indem wir solche Probleme versuchen zu lösen.

Wann soll es losgehen?

Heim: Wir sind schon gestartet.

Das bedeutet, die Stadtverwaltung und der Gemeinderat sind bereits in Kenntnis gesetzt?

Heim: Für uns war immer klar: Ohne die Stadtverwaltung kann das nicht gehen. Solche Probleme kann man nur mit der Stadt zusammen lösen. Wir haben mit Bürgermeister Jan Trost und mit den Zuständigen der Verwaltung sowie einzelnen Gemeinderäten schon Gespräche geführt. Die Resonanz war durchweg positiv. Es wird begrüßt, dass wir versuchen wollen, solche Aufgaben anzugehen. Denn nur gemeinsam werden wir erfolgreich sein. Wir denken, dass wir die Stadt da insgesamt weiterbringen können.

Die von Ihnen angesprochenen städtebaulichen Problemstellen hat jede Kommune – meist macht die Stadtspitze das Lösen solcher Missstände zur Chefsache, wenn es ums Verhandeln mit Grundstückseigentümern oder Hausbesitzern geht. Ist das in Marbach anders?

Heim: Eine Stadtverwaltung stößt da irgendwann an Grenzen und muss beim ein oder anderen Punkt sagen: Wir kommen da jetzt nicht mehr weiter. Wir beide haben große Vorteile. Wir haben sehr viel Erfahrung, wir kennen Marbach, wir kennen die Bürger, wir kennen die Verwaltung und wir haben in verschiedenen Bereichen ein gutes Fachwissen. Herr Krause bei allem, was bauliche Dinge angeht. Die kennt er im Effeff. Hinzu kommen noch rechtliche Sachen wie Beitragsrecht, Stadtplanungsrecht, Baurecht und so weiter. Da glauben wir, dass wir sehr viel Know-how mitbringen, um die Probleme lösen zu können. Der Bürgermeister kann nicht alles machen. Die Stadt Marbach hat sehr viele Aufgaben, die anstehen – und er muss erst mal seine Kernaufgaben realisieren. Und für solche teilweise sehr schwierige Projekte hat er aus unserer Sicht nicht die nötige Zeit, um sie umsetzen zu können. Da sind wir natürlich in der komfortablen Situation, dass wir auch beruflich nicht mehr groß eingespannt sind. Wir haben die nötige Zeit und können deshalb solche Aufgaben angehen.

Aber Sie sind sich der möglichen Außenwirkung – gerade nach den vergangenen Monaten – bewusst, oder?

Krause: Als wir uns zusammengesetzt und die Überlegungen angestellt haben, war die Situation noch nicht so, wie sie sich jetzt darstellt. Zumindest nicht so spitz. Wir machen das aus Leidenschaft für unsere Stadt. Herr Heim hat viel von dieser Stadt profitiert und ich auch. Mein ganzes Leben hat sich in dieser Stadt abgespielt. Mein beruflicher Werdegang – vieles hat mir diese Stadt gegeben. Und nun möchte ich etwas zurückgeben. Zusammen mit Herrn Heim. Wir haben uns schon immer geschätzt und gut zusammengearbeitet. Als Herr Heim sich dann verabschiedet hat, ging es schon los mit: Das gefällt mir nicht, da könnte man . . . Ich mit meinen Visionen und er mit seiner Sachlichkeit – da kommen zwei Elemente zusammen, die ganz gut zusammenpassen.

Heim: Bei mir ist es genauso. Ich habe es ja schon bei meiner Verabschiedung gesagt: Marbach war ein Glücksfall für mich. Es hat gepasst. Wenn wir jetzt der Stadt etwas zurückgeben können, sind wir froh, das machen zu können.

Haben Sie Sorge um die Weiterentwicklung der Stadt?

Krause: Sagen wir es einmal so: Wir wollen etwas Wind unter die Flügel der Verwaltung blasen. Marbach stehen große Aufgaben bevor. Wir haben ein Jahrhundert-Ereignis vor der Brust. Es ist eigentlich jetzt schon der Zeitpunkt gekommen, wo wir handeln müssen.

Sie reden von der Gartenschau?

Krause: Ja! Die Gartenschau ist in vollem Gange. Es wäre mir recht, es würde ein richtiger Ruck durch die Stadt gehen. Eine Aufbruchstimmung da sein, die uns da nach vorne treibt. Wir müssen die Menschen ja auch mitnehmen. Die Entwicklung in Richtung Osten, die Chance, die sich auftut – oder die zum Neckar runter – ist eine Jahrhundert-Chance. Wir können diese Stadt neu aufstellen. Und da gibt es Punkte, da muss sich was tun. Wenn ich mit dem Schiff nach Marbach komme und will in die Stadt, da habe ich meine Probleme, sage ich jetzt mal ganz bescheiden.

Ein Areal, ein Punkt, für Ihre Projektentwicklungsgesellschaft sollte die Oehler-Kreuzung sein.

Heim: Ich glaube, es wäre falsch, wenn man jetzt erste Projekte nennt. Wir haben natürlich Projekte im Hinterkopf, die wir angehen wollen. Und klar, das ist ein neuralgischer Punkt.

Krause: Jeder kann eine Gartenschau planen, der in diesem Beruf tätig ist. Man legt einen Plan auf ein Gebiet und los geht es. Doch dieses Gebiet muss vorher bearbeitet sein. Und wir glauben, dass es da große Probleme geben wird. Probleme, die nicht aufgearbeitet werden können. Denn: Wer soll das in der Stadt machen? Wir beide wollen solche Probleme angehen und es mit den Leuten besprechen, die Projektentwicklungsgesellschaft ist im Hintergrund. Das, was wir hier machen, ist ehrenamtlich. Wir machen das nicht, um uns finanziell zu verbessern. Das könnte sich allerdings auch anders entwickeln, das geben wir offen zu. Aber das, was wir zunächst hier machen, wird überwiegend ehrenamtlich sein.

Sie wollen also vorrangig das Feld für die Gartenschau richten?

Krause: Ja – und zwar mit höchster Dringlichkeit. Es sind noch etwas mehr als zehn Jahre bis dahin. Aber sie brauchen allein fünf Jahre, um das Geplante baulich umzusetzen. Jetzt müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Sollte es einen Punkt geben, der nicht umsetzbar ist, dann wird es eng. Es ist extrem wichtig, dass die Aufgaben, die vor uns liegen, jetzt begonnen werden. Die Zeit, die wir jetzt vertrödeln, holen wir nicht mehr ein.

Also Flächenerwerb beispielsweise . . .

Heim: Grunderwerb gehört bestimmt auch dazu, ist allerdings nur ein Teilbereich bei der Umsetzung der geplanten Projekte. Die Gartenschau ist bestimmt eines der Schwerpunktthemen. Allerdings sehe ich in Marbach viele weitere Projekte, die in den nächsten Jahren umgesetzt werden könnten.

Krause: Es sind so viele Flecken. Wenn ich durch Marbach laufe, könnte ich Ihnen den ganzen Tag Dinge zeigen, wo ich sage: „Hallo, so kann es nicht sein.“ Für Marbach, wenn man es richtig macht, kann eine neue Zeitrechnung beginnen.

Zurück zu Ihrer Gesellschaft. Ist diese schon gegründet?

Krause: Wie sagt man immer so schön: Sie ist in Gründung.

Wie soll das konkret ablaufen? Gibt es regelmäßige Absprachen mit Stadtverwaltung und Gemeinderat?

Krause: Wir beide werden uns auf jeden Fall wöchentlich austauschen. Wir werden natürlich auch mit der Verwaltung reden, hauptsächlich mit Herrn Trost. Er hat dann die Aufgabe, es dem Gemeinderat zu vermitteln.

Dann gehen die Projekte aber eher von Ihnen aus und werden angestoßen und nicht von der Stadtverwaltung?

Krause: Genau. Wir sind nicht beauftragt von der Stadt, auf jemanden zuzugehen. Sondern wir gehen von uns aus auf die Leute zu. Ich sage es mal so: Wenn jemand von der Stadt auf die Leute zugeht, ist das Gespräch oftmals nicht ganz so flüssig. Da ist eine gewisse Zurückhaltung da.

Die Verzahnung mit dem Gemeinderat sollte jedoch auch eng sein, oder nicht? Sonst kommen Sie mit einer Vision an und dann heißt es: Hier hatten wir ganz andere Pläne.

Krause: Zunächst einmal glaube ich, dass es da keine Ideen gibt.

Das wäre aber schlecht.

Krause: Mir sind keine bekannt.

Heim: Die Stadt hat die Planungshoheit, bei allem. In den meisten Gebieten gibt es einen Bebauungsplan und der legt ja fest, was zulässig ist und was nicht. Wir werden jetzt mal auf die Leute zugehen und abklopfen, was aus ihrer Sicht die richtige Lösung wäre. Die Rückkoppelung muss stattfinden, ganz klar. Wenn wir andere Ideen umsetzen wollen, brauchen wir die Stadt. Eventuell muss der Bebauungsplan geändert werden oder es braucht baurechtliche Befreiungen. Herr Trost wird die Sachen dann im Gemeinderat einbringen müssen. Das ist seine Aufgabe.

Das heißt: Sie beide reden darüber, was Sie sich vorstellen, gehen dann los und klopfen ab und gehen erst im nächsten Schritt wieder auf die Stadt zu?

Heim: Ja, wir müssen ja erstmal eruieren, was überhaupt möglich ist. Ob eine Lösung erreicht werden kann, also ob die Grundstückseigentümer an einer Veränderung interessiert sind. Mit Herrn Trost alles zu besprechen und dann danach zu merken, es geht nicht, wäre nicht gut. Diese Gespräche können wir uns sparen.

Krause: Nehmen wir mal fiktiv ein Beispiel. Hoch Richtung Schillerhöhe gibt es zwei Tankstellen. Das kann doch nicht langfristig die Strategie der Stadt sein. Hier muss ich mir überlegen, sind die da richtig platziert? Oder wie soll das Gelände aussehen? Klar könnte die Stadt jetzt auf die Eigentümer zugehen. Sinnvollerweise sollte allerdings zunächst der Sachverhalt aufgearbeitet und überlegt werden, was an dieser Stelle realisiert werden kann. Dies natürlich in Abstimmung mit Stadtverwaltung und den Eigentümern.

Mir fällt sofort das Betz-Gelände ein.

Krause: Kontakte zu Lidl & Schwarz habe ich. Ich weiß, mit wem ich da reden muss. Wir wollen die Ressourcen aus der Stadt ausschöpfen und mit ins Boot holen. Wir haben hier so ein großes Potenzial, das man nutzen könnte. Wir wollen versuchen, eine Stadtentwicklung voranzutreiben, die nicht in die falsche Richtung geht.

Heim: Die städtebaulichen Probleme in Marbach gab es auch schon vor zwei Jahren, als ich noch bei der Stadt beschäftigt war. Aber auch ich war damals nicht in der Lage, alles zu erledigen. Man versucht, manche Dinge zu lösen, aber gibt dann irgendwann auf, wenn man nicht weiterkommt. Und da ist der große Vorteil von uns, dass Vertrauen da ist und wir bekannt sind und auch, dass wir Zeit haben. Auch wenn wir in einer Sackgasse sind, können wir noch weiterbohren. Diese Zeit hat der Bürgermeister nicht.

Was sind denn Ihre Visionen?

Krause: Wenn man sich aus M21 die Bilder noch einmal vor Augen führt: Die Menschen brennen darauf, dass sich etwas entwickelt. Dieser Wettbewerb hat die Bürger der Stadt begeistert. Wir müssen die Menschen wieder mitnehmen und in die Stimmung bringen, in der sie schon einmal waren. Thema Neckar-Anbindung: Wir holen uns den Neckar wieder zurück. Hier steigen 40 000 Menschen jeden Sommer aus. Marbach ist ein Hauptbahnhof für die Personen-Schifffahrt. Aber jetzt versuchen Sie doch mal, in die Marbacher Innenstadt zu kommen. Wo verirren Sie sich da? Ist das ein Zustand? Solche Dinge beschäftigen uns. Da kann man nicht immer sagen: Was liefert mir der Bürgermeister, was liefert mir der Gemeinderat? Wir sind doch auch Bürger und damit verantwortlich und ein Teil dieser Gesellschaft. Man muss sich nicht beklagen, dass etwas schlecht ist, wenn man sich selbst nicht einbringt.

Zu den Personen

Gerhard Heim
ist 60 Jahre alt, verheiratet, wohnt in Benningen und hat zwei erwachsene Kinder. Er ist Vorstand des TSV Benningen und nebenberuflich in der Landwirtschaft und im Weinbau tätig. Gerhard Heim war fast 30 Jahre lang Erster Beigeordneter der Stadt Marbach – von 1990 bis zum 31. Mai 2019.

Rainer Krause ist 70 Jahre alt, verheiratet, wohnt in Marbach und hat zwei erwachsene Kinder. Er gründete 1978 die Rainer Krause GmbH, im Jahr 2006 dann die Marbacher Immobiliendienst GmbH. Rainer Krause war von 1994 bis 1998 Vorsitzender des BDS und war sowohl Gründungsmitglied als auch von 2001 bis 2015 1. Vorsitzender des Stadtmarketingvereins Marbach.