Erich Viehöfer auf einem Prügelbock im Strafvollzugsmuseum Ludwigsburg Foto: factum/Bach

Kaum einer kennt sich wohl so gut mit Gefängnissen in Baden-Württemberg aus wie Erich Viehöfer. Der Leiter des Strafvollzugsmuseum in Ludwigsburg verrät im Interview, welches der Ausstellungsstücke im Museum er besonders schätzt.

Ludwigsburg - Etwas versteckt und doch direkt an der Schorndorfer Straße 38, im ehemaligen Ludwigsburger Gefängnis, befindet sich das Strafvollzugsmuseum. Seit mehr als 30 Jahren ist dies die zweite Heimat von Erich Viehöfer. Der promovierte Historiker und Germanist leitet das Museum und hat es mit aufgebaut. Viele der Exponate hat er selbst beschafft und deren Geschichte nachverfolgt. Seit zwei Jahren ist Viehöfer allerdings in Rente und arbeitet nur noch in Teilzeit. Ein Nachfolger wird bereits gesucht.

Herr Viehöfer, wie sind Sie an den Job im Strafvollzugsmuseum gekommen?
Wie die Jungfrau zum Kinde. Nach meiner Promotion habe ich mich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet. Dann hat man mir den Job angeboten. 1985 war ja schon bekannt, dass das Gefängnis in Ludwigsburg geschlossen werden sollte. Historische Stücke, die dort noch lagerten, drohten verloren zu gehen. Die Container waren zumindest schon bestellt. Ein paar Leute haben daraufhin einen Förderverein gegründet – und ich wurde ins Boot geholt.
Und sind bis heute geblieben.
Ja, im Strafvollzug ist das oft der Fall. Mache kommen einfach nicht mehr weg. Ursprünglich sollte ich nur die Exponate sichten und den Aufbau des Museums mitgestalten.
Viele der Exponate haben Sie selbst beschafft. Haben Sie ein Stück, auf das sie besonders stolz sind?
Ja, auf den Pizzaofen von Andreas Baader aus einer umgebauten Keksdose. Der war schon auf Sonderausstellungen in Genf, Lyon und in Stuttgart. Das ist ein Ausstellungsstück, mit dem auch jüngere Menschen heute noch was anfangen können. Und es stammt aus Stammheim. Außerdem ist die Guillotine aus Rastatt etwas Besonderes und ein Teil der baden-württembergischen Geschichte. Sie war von 1946 bis 1949 im Einsatz und ist eines der ersten Exponate des Museums.
Bei welchen Exponaten läuft Ihnen ein Schauer den Rücken runter?
Bei Selbstmordgeräten. Wenn ich Stricke bekomme, mit denen sich ein Mensch in seiner Zelle erhängt hat, dann wird mir manchmal noch mulmig.
Und welche Exponate faszinieren Sie?
Die Sachen, die wir noch nicht ausstellen dürfen, weil sich andere Gefangene etwas davon abschauen könnten. Da gibt es Dinge, bei denen einem der Kiefer runterfällt. Vor einiger Zeit zum Beispiel habe ich einen Rasierapparat gesehen, der wie ein funktionierender Rasierer klang. Allerdings befand sich im Inneren ein funktionsfähiges Handy. Auch Drohnen, mit denenversucht wird, etwas in die Anstalten zu schmuggeln, sind interessant.
Wie viele Ausstellungsstücke gibt es denn?
Etwa 5000. Davon sind allerdings nur 200 in der Ausstellung. Der Rest ist eingelagert. Ab und an tauschen wir die Exponate aus, damit den Besuchern nicht langweilig wird.
Würde es nicht Sinn machen, mehr Werbung für das Museum zu machen?
Jetzt in der Übergangszeit die Werbetrommel zu rühren, wäre schlecht. Im Moment haben wir ja nur sehr unregelmäßig geöffnet, weil noch kein Nachfolger für mich gefunden ist. Außerdem will ich dem neuen Museumsleiter nicht dreinreden, was er wie machen soll. Das soll dieser ruhig selbst entscheiden können. Auch was die Ausstellung an sich angeht. Gerade die neue Geschichte müsste allerdings dringend einmal überarbeitet werden.
Wieso das denn?
Es ist ja nicht so, dass man einfach mal nach Stammheim spazieren und sich das Gefängnis anschauen kann wie einen Zoo. Wenn man wissen will, wie eine Gefängniszelle von innen aussieht, dann kann man das Strafvollzugsmuseum besuchen.
Wie kommt es, dass Sie die Anstalten so gut kennen?
Ich bin regelmäßig dort. Treffe mich mit den Leitern und nehme von so manchem Besuch ein neues Exponat mit.
Sie kennen die Speisepläne aller Strafvollzugsanstalten im Land.
Ja, die bekomme ich wöchentlich per Mail. Sie hängen im neuen Teil der Ausstellung. Aber ich kann Ihnen auch sagen, in welcher Anstalt das Schnitzel am besten schmeckt. Ich habe es ausprobiert.
Und wo ist das?
Schnitzel kann man eigentlich in keiner Anstalt essen. Schließlich haben die Köche lediglich zwei Euro am Tag für die gesamte Verpflegung pro Person und Tag. Aber das beste Essen wird in Schwäbisch Gmünd und Karlsruhe serviert.
Was muss ihr Nachfolger können?
Wie in vielen Ein-Mann-Betrieben muss er oder sie die berühmte eierlegende Wollmilchsau sein. Ein Fachwissenschaftler wäre hier fehl am Platz. Denn man muss auch mit den Besuchern klarkommen, pädagogische Arbeit leisten, Inventuren machen und Recherche zu den Gegenständen anstellen. Außerdem ist die Kontaktpflege zu den Strafvollzugsanstalten wichtig.
Wie soll die Übergabeaussehen?
Im Moment arbeite ich in Teilzeit, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Sonst wäre das Museum ja geschlossen. Aber ich muss das Museum ja nicht in den Orkus stoßen, nur weil ich 67 Jahre alt geworden bin. Es pressiert mich nicht zu gehen, aber ewig will ich das auch nicht machen. Trotzdem werde ich meinen Nachfolger einarbeiten müssen. Es muss vermittelt werden, was hier in 30 Jahren entstanden ist. Und ich bin der einzige, der einen Überblick hat.
Was wünschen Sie sich für das Museum?
Dass es mich überlebt. Das ist ja nicht so selbstverständlich. Glücklicherweise hat die Stadt sich kürzlich bei den Verhandlungen zur Fortbestand des Museums so für dieses eingesetzt. Stadt und Land tragen jetzt die Zusatzkosten. Dass die Stimmung aber schnell kippen kann, sieht man beispielsweise am Landeskirchlichen Museum. So einen schnellen Untergang kann man nie ausschließen.
Verfolgt sie der Strafvollzug?
In gewisser Weise schon. Vor Kurzem war ich auf den Äolischen Inseln in Italien zum Wandern. Eine der Inseln soll früher einmal von Strafgefangenen bewohnt gewesen sein, die dort Schwefel abbauten. Die Geschichte habe ich dann aber nicht weiter verfolgt oder beim Reiseführer nachgebohrt. Die Besteigung des Stromboli war anstrengend genug.
Können Sie sich denn ein Leben ohne das Strafvollzugsmuseum vorstellen?
Irgendwann werde ich nicht mehr ins Strafvollzugsmuseum kommen. Aber ob das Thema einen irgendwann loslässt, weiß ich nicht. Ich könnte mir aber vorstellen, weiterhin beratend für Stadtführer und Ausstellungen zur Verfügung zu stehen.