Dorothea Wehrmann vom Institut für Entwicklungspolitik in Bonn. Foto: Universität Bielefeld

Die Welt braucht Solidarität: Über die Bedeutung von privater Hilfe berichtet die promovierte Politikwissenschaftlerin Dorothea Wehrmann vom Institut für Entwicklungspolitik in Bonn.

Bonn - In Stuttgart gibt es mindestens drei private Organisationen, die sich weltweit um Entwicklungshilfe kümmern. Die Stay-Stiftung, die am Dienstag nächster Woche ein Gala-Spenden-Dinner in Stuttgart gibt, die Regenwaldschützer von Fairventures sowie die Stiftung Manager ohne Grenzen, die Fachkräfte zur Beratung von Firmen in ärmere Länder schickt. Über die Bedeutung von privater Hilfe berichtet die promovierte Politikwissenschaftlerin Dorothea Wehrmann vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik in Bonn.

Frau Wehrmann, Bill Gates schickt Milliarden nach Afrika, aber auch kleine private Organisationen – wir haben drei davon in Stuttgart – engagieren sich in der Entwicklungszusammenarbeit. Ist das nicht eigentlich Sache der Staaten? Was bringt private Hilfe?

Die Bill- und Melinda-Gates-Stiftung arbeitet vor allem im Gesundheitsbereich und ist ein sehr einflussreicher Akteur in der Entwicklungszusammenarbeit geworden, weil sie viele Ressourcen in Projekte investiert, längerfristig arbeitet und natürlich eine ganz andere Reichweite hat als ein kleines Projekt. Das heißt nicht, dass die „Kleinen“ nicht wirksam sein können. Ich forsche auf der internationalen Ebene und kenne die Stuttgarter Projekte nicht. Wichtig ist immer zu überblicken, was ist das Ziel und inwiefern ist es für die Menschen und Regionen nützlich. Engagement ist gerade in der aktuellen Zeit des aufstrebenden Nationalismus und den Schwierigkeiten im multilateralen Bereich von großer Bedeutung, wir sollten die Solidarität erhalten und das Bewusstsein, dass Menschen sich weltweit gegenseitig unterstützen können. Aber Entwicklungszusammenarbeit sollte nicht allein auf die Bekämpfung von Armut reduziert werden, denn das ist ein vielschichtiges Problem, das an verschiedenen Stellen adressiert werden muss, unter anderem in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Infrastruktur.

Wie messbar sind die Erfolge in der Entwicklungszusammenarbeit (EZ)?

Über die Wirksamkeit von EZ wird seit langem diskutiert. Seit 2003 haben vier hochrangige Foren zur Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit stattgefunden und in der Erklärung von Paris aus dem Jahr 2005 haben sich Industrie- und sogenannte Entwicklungsländer auf fünf Grundprinzipien der wirksamen Zusammenarbeit geeinigt. Wir haben in Bonn das Deutsche Evaluierungsinstitut der EZ, abgekürzt DEval, dessen Arbeit in diesem Zusammenhang sehr zuträglich ist. Aber es gibt immens viele Akteure in der EZ und selbst der Begriff „Entwicklungszusammenarbeit“ ist nicht eindeutig definiert. Manch ein privatwirtschaftlicher Akteur investiert in die Infrastruktur eines afrikanischen Landes und sagt, das sei EZ. Darüber kann man streiten.

Aber noch mal: Welchen Sinn hat das globale Engagement kleiner, lokaler Organisationen?

Deren Arbeit kann sinnvoll sein. Wir brauchen für die sehr komplexen Probleme in unserer Lebenswelt vielschichtige Lösungen – und die können von überall her kommen. Wenn ein Problem mit einem innovativen Ansatz in Stuttgart erfolgreich angegangen wird und dieser Ansatz auch in anderen Regionen Verbesserungen erwirken kann, dann ist das doch großartig. Aber die Länder dieser Welt sind sehr heterogen, eine Lösung XY von einem Land aufs andere zu übertragen ist oft problematisch. Man kann in einer Krisenregion beispielsweise nicht einfach ein wohlfahrtsstaatliches Programm installieren, das zwar wünschenswert wäre, aber aufgrund der Krisensituation gar nicht funktioniert. Lokale Akteure sollten den Austausch pflegen und sie tun das auch. Es gibt für die Umsetzung der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele bis 2030 beispielsweise eine Knowledge-Plattform, auf der sich Initiativen, die zur Umsetzung dieser Ziele gemeinsam beitragen wollen, registriert haben. Es sind aktuell 5000. Steckbriefartig wird da skizziert, was die Gruppen machen, mit welchen Partnern und wie. Das Anliegen ist, globale Partnerschaften zu gründen, um viele Akteure zusammen zu bringen. Das ist natürlich toll, man kann schauen, was wird woanders schon gemacht, und kann Erfahrungen in die Konzeptionalisierung neuer Projekte einbeziehen.

Welche Rolle spielt das Geld?

Staatliche Akteure allein bringen leider nicht die finanziellen Ressourcen auf, die für die EZ nötig wären, um die großen Herausforderungen zu meistern. Wir diskutieren seit Jahren über das 0,7-Prozent-Ziel der EZ am Bruttoinlandsprodukt, das Deutschland nicht einhält. Eine Frage im Hintergrund ist dabei auch immer, wie wirksam finanzielle Mittel eingesetzt werden. Neben dem DEval gibt es übrigens auch die Globale Partnerschaft für wirksame Entwicklungskooperation, die ein außergewöhnliches und innovatives Monitoring durchführt zur Wirksamkeit von EZ, da wird Transparenz geschaffen und das stärkt diejenigen, die Mittel einwerben müssen. Was die finanziellen Ressourcen anbelangt,ist es für private Akteure oder NGOs manchmal leichter sie aufzubringen als für die staatlichen. NGOs tragen im Austausch mit der Politik auch dazu bei, neue Themen zu setzen, Know How zu transferieren und können den Austausch zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen erleichtern.

Was hat in der Entwicklungspolitik der letzten Jahre gut und was weniger gut funktioniert?

Erfolgreich war der Verhandlungsprozess der Agenda 2030. Erstmals sind die Ziele einer internationalen Vereinbarung nicht nur von staatlichen Vertretern sondern auch von Nichtregierungs-Organisationen und des Privatsektors mit definiert worden – sie haben versucht, dem Ganzen einen realistischen Touch zu geben. Brot für die Welt war beispielsweise maßgeblich daran beteiligt. Die NGOs haben sich einen Stellenwert zugeschrieben, der hilfreich ist, um die Programme besser zu konzipieren und den Austausch mit den Menschen vor Ort zu stärken. Das ist ein positives Beispiel. Ein Negativbeispiel ist der Hype um Mikrokredite – leider. Man sah in Lateinamerika, dass mit ihnen eine riesige Kreditblase entstanden ist. Vor allem in Bolivien sind Mikrokredite als Juwel gefeiert und wahnsinnig viele aufgenommen worden – konnten dann aber auch aufgrund der hohen Darlehenszinsen nicht zurückgezahlt werden. Darunter hat die Kreditwürdigkeit des ganzen Landes gelitten. Auch aus Deutschland waren viele Kreditgeber beteiligt. Das Instrument ist nicht pauschal als negativ zu bewerten, nur klappt die Umsetzung in den Ländern nicht überall gleich gut – in Bangladesch, so hieß es lange Zeit, funktioniert das Instrument gut.