„Das ist ein gutes Gefühl, aber Triumph anderen gegenüber empfinde ich überhaupt nicht“: Frank Mastiaux über das erfolgreiche Jahr der EnbBW. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die EnBW ist wieder auf Erfolgskurs: Der Chef des Energiekonzerns, Frank Mastiaux, sagt, wie das Unternehmen wendiger geworden ist und in Zukunft Geld verdienen soll.

Stuttgart - Für EnBW-Vorstandschef Frank Mastiaux ist die Ergebniswende kein Grund, sich zurückzulehnen. In den nächsten Jahren sieht er seine Aufgabe darin, den Erfolg zu verstetigen und neue Geschäftsmodelle zu erschließen.

Herr Mastiaux, die EnBW hat 2017 die Ergebniswende deutlicher geschafft als erhofft. Ist das Unternehmen über den Berg?
Nach so vielen rückläufigen Jahren das Ergebnis in eine positive Richtung zu drehen, ist fraglos ein wichtiger Meilenstein. Wichtig ist, dass diese Wende keine Eintagsfliege bleibt, sondern Zeichen einer nachhaltigen Gesundung des Unternehmens ist. Ich denke, wir sind da auf einem guten Weg, was man unter anderem daran sieht, dass uns eine Ergebnissteigerung in jedem einzelnen unserer vier Segmente Netze, erneuerbare Energien, Vertrieb sowie Erzeugung und Handel gelungen ist. Das ist uns nicht geschenkt worden, sondern das Ergebnis einer klaren strategischen Neuausrichtung mit einem umfangreichen Paket von Maßnahmen zur Ergebnisverbesserung, die wir angekündigt und umgesetzt haben. Ich bin mit dem Ausdruck „über den Berg sein“ immer etwas vorsichtig – Wanderer wissen, dass nach dem ersten Berg oft ein zweiter kommt.
Sie stehen deutlich besser da als viele Konkurrenten. Empfinden Sie da Triumph?
Unternehmen gehen offenkundig sehr unterschiedliche Wege, mit der schwierigen Situation umzugehen, in der sich die Energiewirtschaft seit einigen Jahren befindet. Wir haben uns vorgenommen, einerseits wegfallende Geschäfte zu kompensieren und andererseits Geschäftsmodelle und Fähigkeiten zu entwickeln, mit denen man auch in der Energiewelt von morgen Geld verdienen kann. Wir hatten den Anspruch, uns sowohl inhaltlich als auch strategisch fortzuentwickeln. Und wir sind sehr froh, dass unsere Herangehensweise zum Erfolg geführt hat. Das ist ein gutes Gefühl, aber Triumph anderen gegenüber empfinde ich überhaupt nicht.
Eon und RWE haben nach ihrer jeweiligen Aufspaltung vor gut zwei Jahren nun erneutgroße Umwälzungen angekündigt. In diesem Zusammenhang soll RWE Interesse bekundet haben, EnBW-Kraftwerke zu übernehmen. Das passt zu Ihrem Ziel, sich aus der konventionellen Erzeugung zu verabschieden. Wie weit sind die Gespräche?
Ich kommentiere solche Gerüchte grundsätzlich nicht. Die wirtschaftliche Bedeutung der Erzeugung von Strom aus Kohle hat auch bei uns abgenommen und wird weiter zurückgehen. Im Vergleich zu 2012 haben wir inzwischen 40 Prozent unseres Erzeugungsvolumens aus dem Markt genommen und gleichzeitig unsere Kostenstrukturen an den Standorten stark optimiert. Solange es keine Alternativen gibt, die deutlich besser fürs Unternehmen, seine Mitarbeiter und Standorte sind, werden wir diesen Kurs fortsetzen.
Sie haben sich in jeder Sparte sehr konkrete Ergebnisziele gesetzt. Wo sind Sie besonders gut vorangekommen?
Von der Sichtbarkeit her vielleicht am stärksten bei den erneuerbaren Energien und bei den Netzen. Wir haben im letzten Jahr den stärksten Windzubau unserer Geschichte realisiert. Sowohl an Land als auch auf dem Meer ist der Zuwachs erheblich und geht sehr konsequent weiter. Zudem werden wir mit dem Windpark He Dreiht in der Nordsee erstmals einen Offshore-Windpark bauen, der ganz ohne Förderung auskommt. Und bei den Netzen nutzen wir die enormen Wachstumsmöglichkeiten, die durch den Umbau zu einem dezentralen Energiesystem entstehen, auch mit Blick auf den Wachstumsmarkt Netzausbau für die E-Mobilität.
Sie haben seit 2012 insgesamt 40 Prozent der beeinflussbaren Kosten reduziert. Wie ist das gelungen?
Durch eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen. Dazu gehörte leider auch ein Arbeitsplatzabbau, aber das stand nie allein im Vordergrund. Beispielsweise haben wir die Strukturen im Konzern stark vereinfacht. Früher bestand die EnBW aus sehr vielen formal getrennten Rechtseinheiten – die haben wir weitestgehend eliminiert, ohne dass es inhaltlich einen Unterschied macht. Aber alleine der Wegfall hoher administrativer Kosten summiert sich auf einen großen Betrag. Wir haben Prozesse verschlankt und die IT verbessert. Wir sind im Vertrieb viel effizienter geworden. Wir haben die Nutzung unserer Gebäude verbessert. Wir haben die Managementstrukturen erheblich vereinfacht. Und, und, und. . .
Wie hat sich die Zahl der Führungskräfte verändert?
Wir haben heute rund 30 Prozent weniger Führungskräfte. In den ersten Jahren gab es auch auf den Positionen zahlreiche Änderungen, jetzt steht die Führungsmannschaft seit einiger Zeit relativ stabil als Team. Auch den Vorstand haben wir verkleinert – von fünf auf vier Personen. Aber diese vier Personen sind seit 2012 die gleichen – das ist, wenn man auf andere Unternehmen schaut, eine Seltenheit und erlaubt eine enorm vertrauensvolle und effiziente Zusammenarbeit.
Und wie sieht es in der übrigen Mannschaft aus? Haben viele innerhalb des Konzerns neue Aufgaben gefunden?
Wir haben sehr vielen Mitarbeitern aus traditionellen Geschäften neue Arbeitsplätze in unseren Wachstumsfeldern angeboten. Viele Kompetenzen lassen sich durch Schulungen so ausbauen, dass wir beispielsweise einen Mitarbeiter aus der konventionellen Erzeugung in der Leitwarte eines Windparks einsetzen können. Aber wir haben auch viele Fachleute von außen ins Unternehmen geholt.
Bei Ihrem Antritt haben Sie gesagt, dass die EnBW nur noch sehr definiert im Ausland tätig werden will. Kürzlich haben Sie den Bau eines Meereswindparks in Taiwan angekündigt. Hat sich Ihre Strategie geändert?
Wir haben immer gesagt, dass das Wachstum der EnBW nicht auf einer generellen Internationalisierung basieren wird, sondern auf einer spartenspezifischen Strategie. Wir internationalisieren nur dort, wo es Sinn macht. Und von diesem Grundprinzip weichen wir nicht ab. In Taiwan einen Offshore-Windpark zu errichten macht für uns Sinn, in Taiwan einen Privatkundenvertrieb aufzubauen, wäre dagegen Unsinn. Taiwan ist eine hoch entwickelte Industrienation mit einem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, das über dem von Spanien oder Italien liegt, und mit entsprechendem Energiebedarf. Die Offshore-Technologie wird dort stark ausgebaut, das ist ein attraktiver Wachstumsmarkt. Und mit Macquarie Capital und Swancor Renewable haben wir einen weltweit anerkannten Infrastrukturinvestor und einen lokalen Partner, der sich mit der dortigen Regulatorik auskennt, an unserer Seite.
Laut Ihrer Strategie bis 2025 sollen künftig Infrastrukturprojekte eine größere Rolle spielen. Was meinen Sie damit?
Infrastruktur ist ein Thema, mit dem wir uns gut auskennen, und diese Kompetenz ist oft auch auf Bereiche außerhalb der Energie anwendbar. Grundsätzlich verstehen wir darunter Themen, bei denen Sicherheit und Verlässlichkeit von komplexen Systemen eine Rolle spielen. Das trifft auf fast alle Infrastrukturthemen der Zukunft zu: Verkehrsleittechnik, öffentliche Sicherheit, Quartiersentwicklung und vieles mehr. Und es trifft auf bestehende Infrastrukturen zu, die erneuert werden müssen: Seien es Straßen, Brücken oder Schleusen. Das sind enorme Wachstumsmärkte. Und mit dem Ausbau des Breitbandnetzes und der Infrastruktur für Elektromobilität haben wir die ersten auch schon in Angriff genommen.
Im letzten Jahr haben Sie die Öffentlichkeit mit der Nachricht aufgeschreckt, die Mitarbeiter müssten auf Gehalt verzichten. Bleibt das Thema auf der Agenda?
Wir hatten mit dem Betriebsrat die Möglichkeit vereinbart, die Mitarbeiterbeteiligung für die Jahre 2017 bis 2020 auszusetzen. Dazu ist es nun aber für das Jahr 2017 nicht gekommen. Unsere Mitarbeiter haben einen tollen Job gemacht, Ihnen ist es zu verdanken, dass die Ergebniswende gelungen ist. Deshalb haben wir ihnen noch vor Weihnachten gesagt, dass es eine Erfolgsbeteiligung geben wird. Wie das in den kommenden Jahren aussehen wird, kann ich noch nicht sagen, das hängt von unserem gemeinsamen Erfolg ab. Ich persönlich würde mich sehr freuen, wenn wir das auch künftig wiederholen könnten.