Die Eberspächer-Geschäftsführer Heinrich Baumann (links) und Martin Peters im Gespräch mit Wirtschaftsressortleiterin Anne Guhlich (rechts) und Wirtschaftsredakteur Ulrich Schreyer. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Der Esslinger Autozulieferer Eberspächer lebt vom Verbrennungsmotor – Doch er erprobt auch das Management von Batterien. Die Geschäftsführer Heinrich Bauman und Martin Peters nehmen zu den Herausforderungen für das Unternehmen Stellung.

Esslingen - Angesichts der Diskussion um die Elektromobilität will das Esslinger Unternehmen Erfahrungen im Management von Batterien sammeln. Doch auch bei Produkten wie Heizungen für Autos stehen die Geschäftsführer Heinrich Baumann und Martin Peters unter Druck. Die Herstellung älterer Heizungen soll nach Polen verlagert werden, in Esslingen werden Arbeitsplätze gestrichen.
Herr Baumann, Herr Peters, die Autoindustrie entwickelt sich weg vom Verbrennungsmotor hin zu alternativen Antriebsformen. Inwiefern beunruhigt Sie das als ein Zulieferer, der stark vom Verbrenner abhängt?
Baumann: Die Industrie und auch unser Unternehmen stehen in der Tat vor großen Herausforderungen. Am schwierigsten ist, dass wir heute nicht wissen, wie das Szenario im Jahr 2040 oder 2050 aussieht. Die große Frage ist, wie schnell wir nun in welche Technologien investieren sollen. Aktuell haben wir das Maximum der Unsicherheit erreicht. Das ist für unsere Kunden irrsinnig schwer, aber auch eine große Herausforderung für uns. Wir sind dafür ja sogar ein Paradebeispiel, weil wir tatsächlich zu einem hohen Teil am Verbrennungsmotor hängen.
Wie stark?
Baumann: Das bringt 85 Prozent unseres Umsatzes, und dieser Bereich wächst heute noch überproportional schnell. Da können wir nicht sagen: Wir hören jetzt auf. Durch das Wachstum des weltweiten Fahrzeugmarkts und die immer schärferen Abgasnormen werden die Abgasanlagen auch aufwendiger und komplizierter, so dass wir dies weiter als Wachstumstreiber sehen.
Sie haben auch Komponenten zur Abgasreinigung für die von der Schummelei betroffenen Fahrzeuge von Volkswagen geliefert. Wurden Sie von der amerikanischen oder der deutschen Justiz darauf angesprochen?
Baumann: Nein. Wir haben ja auch keinerlei Verantwortung für die Emissionen. Wir produzieren Komponenten wie Katalysatoren oder Partikelfilter nach Maßgabe des Herstellers. Wie er das Gesamtsystem einstellt, wissen wir gar nicht. Aber wir sind enttäuscht darüber, dass es zu einer solchen Situation gekommen ist. Man hätte selbstverständlich die Abgasvorschriften einhalten müssen.
Peters: Wir garantieren, dass unsere Abgasanlagen perfekt funktionieren. Bezogen auf den Feinstaub in großen Städten ist die Luft, die rausgeht, sauberer als die, die reingeht. Die Anlage wirkt als Filter.
Sie lösen also das Stuttgarter Feinstaubproblem?
Peters: Die modernsten Abgasanlagen tragen dazu bei, dass das Feinstaubproblem geringer wird. Der Anteil der Motorpartikel am Gesamtfeinstaub liegt bei acht Prozent. Wenn in den nächsten Jahren die Benzinpartikelfilter kommen, geht der Anteil noch weiter nach unten. Der Rest des Feinstaubs, der vom Verkehr kommt, entsteht beispielsweise durch die Verwirbelung von bereits vorhandenen Stäuben oder den Reifenabrieb beim Beschleunigen und Bremsen.
Dennoch erwägt Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn Fahrverbote, wenn der freiwillige Feinstaubalarm nicht reicht.
Baumann: Wir werden überrascht sein, wie wenig der Feinstaub bei einem Fahrverbot zurückgeht. Diese Fahrverbote müssten sehr umfangreich sein. Man dürfte eigentlich überhaupt nichts mehr zulassen und müsste den Verkehr vollkommen zum Erliegen bringen. Dann gäbe es vielleicht einen messbaren Effekt. Enttäuschend ist, dass die bisherigen Verbesserungen überhaupt nicht gewürdigt werden.
Was meinen Sie mit diesem Vorwurf?
Baumann: Die Qualität der Luft ist heute wesentlich besser als vor 30 Jahren. Am Stuttgarter Neckartor geht die Feinstaub- und Stickoxidbelastung Jahr für Jahr zurück. Man kann natürlich darüber diskutieren, ob das schnell genug geht. Irgendwann hält es die Industrie aber nicht mehr aus, wenn sie keinen klaren Fahrplan bekommt. Die Norm Euro 6 ist ausgemacht. Wenn man jetzt sagt, wir schieben ein Jahr später noch mal eine neue Abgasnorm nach, kriegen wir das nicht mehr hin. Wir brauchen immer Zeit, um etwas zu entwickeln. Fahrverbote werden eines Tages kommen, und wir werden sehen, was dabei herauskommt. Wahrscheinlich ziemlich wenig.
Auch Sie denken über die Elektromobilität nach. Sie haben in Kanada die Firma Vecture gekauft. Bringt Sie dies weiter?
Baumann: Vecture stellt Batteriemanagementsysteme her. Da geht es beispielsweise darum, dass die Batterien richtig laden oder entladen. Bisher ist Vecture vor allem in der Medizin- und der Industrietechnik aktiv. Wir haben Vecture gekauft, weil das Industriegeschäft sehr interessant ist. Gleichzeitig schauen wir uns an, inwiefern diese Technologie auf das Auto übertragen werden kann. Wir wollen keine Batterien herstellen, sondern nur das Batteriemanagementsystem. Darin sehen wir ein Zukunftsfeld.
Die Gewerkschaften befürchten, dass 250 000 Arbeitsplätze in Deutschland durch ein Ende des Verbrennungsmotors in Gefahr geraten.
Baumann: Das wäre das schlimmste Szenario. Wenn kein einziger Arbeitsplatz auf eine andere Technologie umgestellt werden könnte, dann könnte solch eine Zahl zustande kommen.
Peters: Unabhängig davon hat unsere Industrie in Deutschland aber noch ganz andere Themen. Heute ist es noch so, dass die deutschen Autobauer drei von vier Fahrzeugen exportieren. In Zukunft werden immer mehr Arbeitsplätze in den Märkten entstehen, in denen auch verkauft wird.
Muss man sich also Sorgen um die Arbeitsplätze in Deutschland und auch bei Ihnen in Esslingen und Neunkirchen machen?
Peters: Der Wettbewerbsdruck an unseren deutschen Standorten ist sehr groß. Wir sind verglichen mit Osteuropa weniger wettbewerbsfähig geworden. Eberspächer beschäftigt 46 Prozent seiner Mitarbeiter in Deutschland. Wir haben hier im Moment einen Verlust an einfachen Arbeitsplätzen in den unteren Lohngruppen. Andererseits haben wir in den letzten fünf Jahren auch 500 Arbeitsplätze in Deutschland aufgebaut, obwohl der Umsatz in Deutschland nicht gestiegen ist. Gerade in Forschung und Entwicklung setzen wir sehr stark auf Deutschland. Wir wollen in Deutschland außerdem noch mehr Prozesse automatisieren.
Es ist die Rede davon, in Esslingen seien 150 Jobs durch Verlagerungen bedroht, 95 bei festen Mitarbeitern und 55 bei Leiharbeitern.
Peters: Das ist so. Wir sind gerade mit unserem Betriebsrat in Gesprächen über einen Sozialplan. Das wollen wir so weit wie möglich sozial verträglich gestalten. Wir haben aber auch 50 offene Stellen in Esslingen.
Nach Studien verlagern immer mehr Zulieferer Arbeiten nach Osteuropa. Wie sieht es dort mit der Effizienz im Vergleich zu Deutschland aus?
Peters: In Deutschland haben wir seit 2009 durch die Lohnerhöhungen in der Metall- und Elektroindustrie etwa 23 Prozent Lohnstückkosten verloren. Wir haben die Löhne um 24 Prozent erhöht, aber nur ein Prozent bei der Steigerung der Produktivität herausgeholt. An Wettbewerbsfähigkeit haben also wir über 20 Prozent verloren. Im Vergleich zu Osteuropa ist die Produktion siebenmal teurer.
Das Werk in Rumänien soll 650 Menschen beschäftigen. Wird also der Anteil der Mitarbeiter im Inland kleiner?
Baumann: Ja, aber nicht eins zu eins. Nicht jeder Arbeitsplatz, der in Rumänien entsteht, fällt in Deutschland weg. Es gibt ja auch Wachstum. Aber wir müssen uns ganz genau anschauen, was in Deutschland produziert werden kann und was nicht.
Was heißt dies für Eberspächer?
Baumann: Aus Esslingen werden Produkte im nächsten Jahr nach Polen verlagert. Das sind teilweise Produkte, die seit 20 Jahren gefertigt werden. Die modernen Heizungen werden weiter in Esslingen produziert. Die Autoindustrie wird auch in fünf Jahren noch unser wichtigster Kunde sein. Wir bieten aber auch schon heute Produkte für die Elektromobilität an und sind sogar weltweit Marktführer in der Beheizung elektrischer Fahrzeuge. Die Elektromobilität bietet Chancen. Das gilt auch für uns.