Zur verteidigungspolitischen Integration Europas fordert Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble Änderung am Parlamentsvorbehalt bei Einsätzen der Bundeswehr. Foto: Michael Ebner

Der Bundestagspräsident will über das hinausgehen, was Berlin bisher mit Paris vereinbart hat.

Berlin - Vor der Unterzeichnung des neuen Aachener Vertrages am Dienstag sieht Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble in der deutsch-französischen Zusammenarbeit „Vorbildcharakter“ für die Europäische Union – und bemängelt zugleich, dass die Berliner Europapolitik nicht ambitioniert genug ist. „Wir brauchen wieder konkrete und bedeutsame Integrationsprojekte, die den Menschen begreifbar machen, dass Europa Dinge in einer ganz anderen Dimension und Qualität hinbekommt als jedes Land für sich“, sagt der CDU-Politiker im Interview mit unserer Zeitung. Für den Bundestag, der ergänzend ein Abkommen mit der Pariser Nationalversammlung schließt, kündigte Schäuble diesbezüglich mehr politischen Druck an: „Wir werden die Regierungen kontrollieren, auf Umsetzung von Projekten drängen und um gemeinsame Positionen zur Europapolitik ringen.“ Die Möglichkeiten hierzu seien „unendlich groß“.

Konkret schlägt der langjährige Minister eine engere Kooperation in der Außen- und Sicherheitspolitik vor – mit allen Konsequenzen. „Der Gedanke eines europäischen Sitzes im Weltsicherheitsrat ist nicht originell, aber richtig.“ Die Folgen wären „nicht trivial“, da etwa die deutsch-französische Brigade schon jetzt nicht zum Einsatz komme, „weil Frankreich mit den Regeln unserer Parlamentsarmee nichts anfangen kann“. Diese könne man ändern, so Schäuble: „Wenn man Europa wirklich will, sollten wir das auch tun.“ Zudem braucht es seiner Ansicht nach Änderungen am EU-Wettbewerbsrecht, das global konkurrenzfähigen Unternehmen nicht im Weg steht. So verstehe er „die Enttäuschung, dass die Brüsseler Wettbewerbshüter das Bahnprojekt von Siemens und Alstom nicht genehmigen wollen – wir brauchen mehr und nicht weniger europäische Champions, um in der Welt zu bestehen.“

Die deutsche Flüchtlingspolitik habe zudem zur politischen Spaltung Europas beigetragen, so Schäuble weiter. „Ich war von Anfang an dagegen, eine gemeinsame Flüchtlingspolitik in erster Linie an der Frage der Verteilung von Flüchtlingen festzumachen.“ Das sei „im Nachhinein nicht klug“ gewesen und habe die AfD in den Bundestag geführt: „Vor allem in der Flüchtlingspolitik ist es uns nicht rechtzeitig gelungen, in der weltweiten Kommunikation die Balance zwischen Hilfsbereitschaft und der Begrenztheit unserer Mittel herzustellen.“ Dies sollte heute unumstritten sein: „Bei allem Respekt, da braucht es keine Aufarbeitungskommission.“

Die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer will die Flüchtlingspolitik Anfang Februar in einem „Werkstattgespräch“ bewerten. Nachdem sie und nicht Schäubles Favorit Friedrich Merz zur Vorsitzenden gewählt wurde, sieht Schäuble nun die Saarländerin in der Pflicht, die AfD klein zu kriegen: „Der Parteitag hat anders entschieden, und jetzt ist es Annegret Kramp-Karrenbauer, die das leisten muss“.

– „Wenn wir Europa wirklich wollen“