Bahnchef Grube plant massive Streichungen im Güterverkehr. Dagegen gibt es Protest. Foto: dpa

Der Chef des Europäischen Betriebsrats des größten deutschen Staatskonzerns, Jörg Hensel, kritisiert die Rotstiftpläne von Konzernchef Grube bei DB Cargo im Schienengüterverkehr und kündigt massive Proteste dagegen an.

Berlin - Der Chef des Europäischen Betriebsrats des größten deutschen Staatskonzerns, Jörg Hensel, kritisiert die Rotstiftpläne von Konzernchef Grube bei DB Cargo im Schienengüterverkehr und kündigt massive Proteste an.

DB Cargo, die größte Güterbahn Europas, fährt seit fünf Jahren Verluste ein. Woran liegt das?
Zum einen am Missmanagement, zum anderen an falschen politischen Weichenstellungen zum Vorteil des Lkw- und Straßenverkehrs. Bei DB Cargo wird seit Jahren umstrukturiert, es gibt wiederholt Führungswechsel, es fehlt eine klare Linie und Zukunftsstrategie. Politiker halten derweil Fensterreden, anstatt verbindliche Ziele für die dringend gebotene ökologische Verkehrswende festzuschreiben. Höhere Energiesteuern für Züge und eine abgesenkte Lkw-Maut sind sicher der falsche Weg. So wird der umweltschonende Schienengüterverkehr gewiss nicht wettbewerbsfähiger.
Konzernchef Grube und seine McKinsey-Berater wollen nun mit dem Sanierungsprogramm „Zukunft Bahn“ gegensteuern. Warum verweigert die Arbeitnehmerseite seit einem halben Jahr die Zustimmung im Aufsichtsrat?
Wir sehen darin keine zukunftsfähige Strategie, die bisherigen Pläne der DB-Spitze sind für uns falsch und inakzeptabel. Wer mehr Verkehr auf der Schiene haben will, muss dafür etwas tun und kräftig investieren. Stattdessen soll es erst mal weiteren Ab- statt Aufbau geben. Wir hören nur noch sparen, streichen, schrumpfen. Und die DB-Logistiktochter Schenker setzt nun sogar auf 25 Meter lange Riesenlaster, anstatt für mehr Bahntransporte und Gleisanschlüsse bei ihren Kunden und Logistikzentren zu sorgen.
Hat es Sinn, Verladestellen weiter zu betreiben, wenn sie kaum noch genutzt werden?
Natürlich gibt es Fälle, wo Gleisanschlüsse nicht mehr gebraucht werden, weil ein Industriegelände anders genutzt wird oder Kunden auf den Lkw umsteigen. Generell aber bedeutet jede Verladestelle eine Chance, mehr Verkehr auf die Schiene zu bekommen. Und dafür muss DB Cargo eine offensive, intelligente Wachstumsstrategie fahren. Stattdessen sollen mehr als 500 Stellen im Vertrieb und 210 von noch 1500 Gleisanschlüssen wegfallen, zudem weitere 150 Verladestellen nur noch bei Bedarf bedient werden. Das ist kein Zukunftskonzept, sondern eine Kapitulation.
Stimmt die Arbeitnehmerbank am 8. Juni bei der Sondersitzung des Konzern-Aufsichtsrats dem Sanierungskonzept zu?
In der bisherigen Form sicher nicht. Das habe wir schon bei der Sondersitzung des Aufsichtsrats von DB Cargo Ende März deutlich gemacht. Die Beschäftigten im DB-Konzern haben Millionen Überstunden angesammelt, allein 800 000 Stunden Mehrarbeit sind es bereits bei DB Cargo. Wer da mehr als 3000 Stellen streichen will, handelt verantwortungslos. Hinzu kommt das demografische Problem: ein großer Teil der DB-Beschäftigten ist älter als 50 und wir brauchen dringend mehr Nachwuchs.
Die DB ist eine Aktiengesellschaft und soll profitabel arbeiten. Wie soll das bei schrumpfenden Marktanteilen ohne geringere Kosten gelingen?
Durch eine klare, sofort wirksame Wachstumsstrategie für den Schienengüterverkehr und die Verlagerung von Transporten weg von den überlasteten Straßen auf unsere Züge. Wir bewegen uns doch in einem stark wachsenden Markt, bis 2030 prognostizieren alle Experten einen erneuten massiven Anstieg der Warenströme. Da kann der Schrumpfkurs, den die DB-Spitze verfolgt, auf gar keinen Fall der richtige Weg sein. Das ist doch auch verkehrspolitisch ein völlig falsches Signal!
In Deutschland liegt der Anteil der Schiene am Güterverkehr nur noch bei 17 Prozent, in Österreich ist es fast doppelt so viel und in der Schweiz rollen sogar mehr als 40 Prozent der Waren auf Gleisen. Warum hinkt unser Land so hinterher?
Deutschland ist eine autofixierte Nation, der Schienengüterverkehr wurde Jahrzehnte vernachlässigt. Viele Politiker scheinen bis heute nicht begriffen zu haben, dass nachhaltige Mobilität ohne den massiven Ausbau des Schienengüterverkehrs nicht machbar ist. Autos, Lkws und Flugzeuge belasten mit ihren Schadstoffen das Klima enorm. Wir brauchen klare, verbindliche Ziele für die Verlagerung von Verkehr auf die Schiene. Hier hat die Politik bis heute versagt.