Christoph Daum war sowohl Trainer beim 1. FC Köln als auch beim VfB Stuttgart. Foto: dpa

Der VfB Stuttgart startet beim 1. FC Köln (15.30 Uhr/Sky) seine Mission Klassenverbleib. Für Ex-Coach Christoph Daum (62) darf der VfB nicht den Fehler begehen, sich sicher zu fühlen.

Stuttgart –
Hallo Herr Daum, was macht das Geschäft?
Danke, alles gut. Ich bin viel im Vortragswesen unterwegs – für verschiedene Unternehmen, aber auch für den Bund deutscher Fußballlehrer. Langweilig wird es mir nicht.
Eine Ihrer Vortragsreihen lautet: Was die Geschäftswelt von der Welt des Sports lernen kann. Können Firmen denn auch etwas vom VfB Stuttgart lernen – außer wie es nicht geht?
Jetzt machen Sie meinen Ex-Club nicht so schlecht! (Lacht.) Natürlich lief in der Vergangenheit einiges schief, es waren aber auch brauchbare Geschäftsideen darunter.
Zum Beispiel?
Nehmen Sie den Bau der Jugendakademie oder den Umbau des Stadions, um das den VfB viele beneiden. Oder auch kleinere Dinge wie die Balanced Scorecard (ein Steuerungssystem zum effizienten Einsatz der Finanzen; d. Red.) des früheren Präsidenten Erwin Staudt. Mit seinem Ausscheiden wurde das aber leider zu den Akten gelegt.
Was aber sicher nicht der Grund ist, warum es mit dem VfB seit längerem abwärtsgeht.
Aber es war ein Mosaiksteinchen. Ein guter Ansatz, der durch personelle Wechsel nicht weiterverfolgt wurde. Der Stadionumbau spielt sicher eine größere Rolle. Er hat den VfB viel an sportlicher Qualität gekostet.
Man kann die Abwärtsentwicklung aber auch nicht nur aufs fehlende Geld schieben.
Natürlich nicht. Aber es erhöht den Druck, auf dem Transfermarkt nur Volltreffer zu landen. Dafür benötigst du die richtigen Strukturen auf Management-Ebene und im Scouting. Die habe ich in der Vergangenheit nicht erkennen können beim VfB.
Und jetzt?
Ist es noch zu früh, die Arbeit der aktuell Verantwortlichen zu beurteilen. Fakt ist, dass die Nummer mit Alexander Zorniger ein ziemlicher Fehlgriff war.
Hinterher weiß man es immer besser.
Mir war aber schon vorher klar, dass es – in dieser Situation – nicht funktionieren kann. Es ist ja nicht so, dass der VfB Stuttgart eine Mannschaft wie Bayern München hat, mit der man über Nacht einfach mal was komplett Neues ausprobieren kann.
Jetzt steht der VfB mal wieder mit dem Rücken zur Wand. Teilen Sie die Meinung vieler Experten, dass er von den Mannschaften im Keller immer noch die beste ist?
Diese Diskussion ist doch müßig. Es wäre sehr gefährlich, das selbst von sich anzunehmen. Was hilft es dir, wenn du als bestspielende Mannschaft absteigst? Für den VfB ist Überlebenskampf angesagt. Komplimente gab es genug in dieser Saison.
Wird es am Ende wieder reichen?
Es wird ein Tanz auf der Rasierklinge. Der Kampf gegen den Abstieg beginnt ab Platz zehn. Wobei sich meiner Meinung nach selbst Mainz als Achter und Köln als Neunter noch nicht sicher fühlen können. Für einige da unten wird der Relegationsplatz am Ende das Nonplusultra bedeuten. Mich würde es nicht wundern, wenn es dieses Mal einen renommierten Club erwischt. Die Bundesliga macht vor Namen keinen Halt.
Wie beurteilen Sie den Neuzugang Kevin Großkreutz? Passt er nach Stuttgart?
Vom Charakterlichen ist er genau der Richtige für diese Mannschaft, einer, der mal dazwischenhaut. Man muss ihn auf seinem Weg aber auch unterstützen und sollte die alten Geschichten ruhen lassen. Rein sportlich betrachtet, muss er nach seinem halben Jahr in Istanbul aber noch aufholen. Das Können wird mit dem Wollen bei ihm noch nicht Schritt halten.
Am Samstag trifft Ihr Ex-Club auf einen anderen Ex-Club von Ihnen – den 1. FC Köln. Würden Sie sagen, dass der FC dem VfB nicht nur sportlich, sondern auch strukturell voraus ist?
Es ist sicher kein Zufall, dass die Kölner zuletzt immer vor dem VfB Stuttgart gelandet sind. Sie haben in allen Bereichen aufgeholt, was vor allem mit Jörg Schmadtke verbunden ist. Er macht seinen Job wohltuend unaufgeregt – genau das Richtige für den FC.
Wie lange gibt sich der Kölner mit Mittelmaß zufrieden?
Der FC müsste dem Selbstverständnis seines Anhangs nach eigentlich dauerhaft international spielen. Davon wird sich der Kölner nie verabschieden (lacht).
Wann wird die Sehnsucht der VfB-Fans nach beständigem und dauerhaft erfolgreicherem Fußball gestillt werden?
Ich wünsche es dem Club von ganzem Herzen, vor allem seinen tollen Fans, dass dies möglichst bald der Fall sein wird. Aufgrund der Wechselwirkung zwischen aktuellem sportlichem Erfolg und der Akquise potenzieller Geldgeber wird dies aber kein Selbstläufer.
Wie meinen Sie das?
Das eine bedingt das andere. Das Image des VfB für Sponsoren war sicher schon einmal besser. In Stuttgart sind sie nicht in der Situation wie beim FC Bayern, neuen Interessenten erklären zu müssen: Sorry, die Profimannschaft ist voll, aber ihr könnt euch gern bei unseren Frauen oder den Basketballern engagieren. So ist es für den VfB unglaublich schwierig, vom Fleck zu kommen.
Der Club versucht es mit der Umwandlung der Fußballabteilung in eine Aktiengesellschaft.
Die Kommerzialisierung ist nicht aufzuhalten, insofern sind der Verein und seine Mitglieder gut beraten, sich diesem Schritt nicht zu verschließen. Mindestens genauso wichtig ist aber die Stärkung des Nachwuchsbereichs. Es muss das Ziel des VfB sein, seine besten jungen Spieler künftig nicht mehr so schnell verkaufen zu müssen. Oder auch mal zu versuchen, Topleute, die anderswo nicht zum Zug kommen, an sich zu binden – wie damals mit Philipp Lahm.
Ihr ehemaliger Spieler Karl Allgöwer mischt jetzt auch wieder mit.
Er ist sicher ein Gewinn für den Verein. Aber Namedropping allein hilft nichts. Du musst Karl verantwortlich mit einbeziehen und auch auf ihn hören.
Klingt, als vermuteten Sie eine PR-Nummer.
Das hoffe ich nicht. Aber Karl ist sehr geradlinig und hatte schon immer seine eigene Meinung – damit müssen die Verantwortlichen beim VfB klarkommen. Ich weiß, wovon ich rede.
Sie haben Ihre Erfahrungen mit ihm gemacht.
Nach der Saison 1990/91 habe ich auf ihn eingeredet wie auf ein krankes Kind, er solle doch noch ein Jahr weitermachen. Aber er ließ sich nicht beknien.
Dann wurden Sie 1992 eben ohne ihn deutscher Meister.
Ich wäre aber lieber mit Karl deutscher Meister geworden. Ich schätze ihn über alles.
Nach der Entlassung von Alexander Zorniger fiel auch Ihr Name beim VfB. Hätte Sie der Job gereizt?
Mir wurde über die Medien ein Interesse nachgesagt, aber das stimmte nicht. Es hat nie Gespräche gegeben.
Aber Sie wären nicht abgeneigt gewesen.
Ich bin prinzipiell offen für alles. Ich bekomme jede Woche Anfragen aus China oder dem arabischen Raum, aber da müsste viel zusammenkommen. Der deutsche Fußball reizt mich weiterhin. Wenn ein Angebot kommt, bei dem alles passt, werde ich wieder ins Fußballgeschäft einsteigen.
Für wen schlägt Ihr Herz am Samstag?
Ich habe mehrere Herzkammern, da ist genug Platz für mehrere. In Köln bin ich groß geworden, hier habe ich die längste Zeit meiner Karriere verbracht, hier lebe ich. Insofern habe ich eine enge Bindung zum 1. FC Köln. Genauso aber zum VfB. Wenn du die Schwaben einmal gewonnen hast, hält diese Verbindung lebenslänglich. Die Zeit in Stuttgart, auch wenn sie lange her ist, bedeutet mir immer noch sehr viel.