China-Expertin Marina Salland-Staib sieht sehr gute Chancen, dass Unternehmen aus Baden-Württemberg Aufträge im Rahmen des Obor-Projekts bekommen. Foto: privat

Obor ist keine chinesische Soloveranstaltung, sagt die China-Expertin Marina Salland-Staib. Sie sieht gerade für den Mittelstand im Südwesten Chancen, sich bei dem Projekt einzubringen. Es sei jedoch wichtig, in den richtigen Provinzen aktiv zu sein.

Stuttgart - Frau Salland-Staib, warum sollte sich ein Mittelständler aus dem Land dafür interessieren, wenn Chinesen in Kirgisistan Straßen bauen?

Weil die Obor-Initiative gerade in Zentralasien sehr gute Chancen für Aufträgebietet und Entwicklungspotenzial besitzt. In Kirgisistan entstehen gerade Hochgeschwindigkeitsverbindungen und Straßen. Es gibt kaum lokale Bauunternehmen, die das stemmen können. Das machen dann meist chinesische Großkonzerne, die aber bei technisch und geologisch komplexen Abschnitten Spezialisten brauchen, vorzugsweise aus Deutschland.
Wie wird die Initiative hier angenommen?
Bis jetzt schlummert sie unter der öffentlichen Wahrnehmung. Man weiß zu wenig darüber. In der Tat bräuchte der Mittelstand mehr Unterstützung, durch Politik und Verbände. Viele scheuen sich vor dem Risiko.
Manch ein Projekt in China startet mit großen Ambitionen und fällt dann in sich zusammen. Ist das auch hier zu erwarten?
Projekte, die nicht umgesetzt werden, gibt es nicht nur in China. Sicher wird es auch bei dieser Initiative Teile geben, die nicht wie gewünscht verwirklicht werden. Für das Gesamtkonstrukt glaube ich das nicht. Obor ist ein Prestigeobjekt des Präsidenten. Es bietet sogar die Möglichkeit, gescheiterte Projekte neu anzupacken, so wie in Pakistan.
Was ist da geschehen?
Die Infrastruktur des Landes sollte vor Jahren erneuert werden. Das ist misslungen, aus politischen und wirtschaftlichen Gründen. Nun stehen die Projekte unter besonderer Fürsorge und Beachtung der chinesischen und pakistanischen Regierung, sprich: sie werden finanziert und unterstützt.
Kritiker sagen, chinesische Firmen exportieren so ihre Arbeiter in alle Welt?
Dieser Vorwurf verengt die Dimension der Initiative, die ist keine chinesische Soloveranstaltung. Ein Beispiel: In Pakistan werden gerade Windräder von Chinesen gebaut, die Turbinen dazu kommen aus Deutschland. Und das ist nur eine Form der Zusammenarbeit.
Zusammenarbeit mit Partnern in China verläuft nicht nur reibungslos. Stichwort Know-how-Diebstahl.
Für viele Mittelständler ist eine Partnerschaft mit chinesischen Firmen Erfolg versprechend, weil dies einen Preiskampf verhindern kann. Man muss dabei nicht immer seine allerneuesten Entwicklungen auf den Tisch legen. Wichtiger ist es, auf Wünsche und Bedürfnisse einzugehen, quasi eine Grundausstattung mit Extras zu bieten. Das gilt nicht nur für den Mittelstand, sondern inzwischen auch für Start-ups. Diese werden verstärkt umworben.
Was hat das noch mit Obor zu tun?
China denkt anders. Wir sehen Einzelprojekte, China baut Dächer, unter denen die Kräfte gebündelt werden, um die eigenen strategischen Ziele zu erreichen. Die finden sich in den Fünfjahresplänen. Das ist die beste Gebrauchsanweisung für deutsche Firmen. Wer dann noch einen chinesischen Partner findet, der bei Obor mitmacht, oder in den richtigen Provinzen aktiv wird, hat Möglichkeiten.
In den baden-württembergischen Partnerprovinzen?
Liaoning und Jiangsu gehören nicht zu den von China definierten Schlüsselprovinzen für die Korridore, aber natürlich gibt es dort potenzielle Kooperationspartner für bestimmte Projekte.