Oberst Bernd Prill leitet seit Anfang Dezember und noch bis Anfang Juni das multinationale Ausbildungskontingent in Erbil. Dann wird der 51-jährige Norddeutsche von einem italienischen Offizier abgelöst. Foto: Schiermeyer

Rund 125 deutsche Soldaten beteiligen sich im Nordirak an der Ausbildung der kurdischen Peschmerga – dies und die deutschen Waffenlieferungen haben schon geholfen, den „Islamischen Staat“ in die Defensive zu zwingen.

Erbil - Oberst Bernd Prill führt noch bis Anfang Juni das deutsche Kontingent sowie das multinationale Trainingscenter für die Peschmerga in der kurdischen Hauptstadt Erbil. Die mediale Aufregung über deutsche Waffen in den Händen des IS hält er für überzogen.

Herr Oberst Prill, wie ist die Sicherheitslage in der Region Kurdistan? Gibt es Fortschritte im Kampf gegen den IS?
Die gibt es. Man merkt vor allem am Frontverlauf, dass der IS zurückgedrängt wird und kaum mehr fähig ist, richtig offensiv zu werden, sondern nur noch nadelstichartig. Tiefgreifende Operationen scheinen sie nicht mehr durchführen zu können. Das zeigt sich an der Frontlinie seit Ende 2015 und verstärkt auch in diesem Jahr im gesamten Nordirak. Was die Sicherheitslage für deutsche Soldaten im Einsatzraum angeht, hat sich nichts geändert.
Ist der IS demnach auf dem Rückzug?
Der sogenannte IS wird von allen Seiten angegriffen, sowohl durch die irakischen Streitkräfte, als auch durch die internationale Koalition gegen den IS.
Ist seine Kampfkraft geschwächt?
Mit Sicherheit. Allerdings haben sie noch Kräfte und sind offensichtlich immer noch in der Lage, neue Anhänger zu rekrutieren. Es scheint so, dass die Lage zu Gunsten der Koalition gegen den IS umschlägt.
Die Peschmerga haben einen gewichtigen Anteil daran?
Ja. Zumindest halten sie seit über einem Jahr die Frontlinie von gut 1000 Kilometern. Sie haben weder eigene Luftunterstützung noch Artillerie noch weitreichende Waffen mit Ausnahme der Panzerabwehrwaffe Milan. Die Offensive gegen den IS führen derzeit in erster Linie die Streitkräfte der irakischen Zentralregierung.
Ist der gute Ruf der Peschmerga gerechtfertigt?
Der Mythos der Peschmerga, die früher zäh in den Bergen gekämpft haben, ist vielen Kurden als Ideal noch heute präsent. Viele nicht hauptberufliche kurdische Soldaten in einer Altersspanne von 18 bis 60 fühlen sich gerade in der heutigen Situation berufen, an die Front zu gehen. Das sind Milizen – nur 30 Prozent sind Kämpfer mit einer militärischen Vorausbildung. Die anderen gehen im Frieden einer normalen beruflichen Tätigkeit nach, sind Bäcker oder Taxifahrer. Die jungen Kurden möchten diesem Mythos gerne nacheifern, haben aber in vielen Fällen deutlich weniger Kampferfahrung. Diese Kenntnisse müssen sie sich erst aneignen und manchmal auch durch die Ausbildung „durchbeißen“.
Welche Auswirkungen hat die Offensive in Richtung Mossul auf Ihre Arbeit?
Wir bilden für den Kampf gegen den IS aus – und dass die Peschmerga ihre militärischen Fähigkeiten etwa in der Befreiung Mossuls professionell einbringen können. Die Kurden haben den Willen, bei der Befreiung Mossuls eine aktive Rolle zu spielen. Ihre aktive Einbindung muss zwischen den Koalitionspartnern, der Zentralregierung in Bagdad und der kurdischen autonomen Regierung abgestimmt werden – ein politisch sehr komplexer Vorgang.
Fühlen Sie sich von der Regionalregierung ausreichend unterstützt?
Ja. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten zeigen sie auf allen Ebenen die Bereitschaft, dass wir die Ausbildung gewährleisten können. Das ist unser Auftrag. Sie sind dankbar für die gesamten Hilfslieferungen im Kampf gegen den IS und für jede Ausbildung durch uns.