Audi-Vertriebschef Dietmar Voggenreiter war selbst neun Jahre verantwortlich für das China-Geschäft des Autobauers. Foto: Audi

Es gehe für Audi in China nicht darum, „die Marktführerschaft um jeden Preis weiter auszubauen“, sagt der Vertriebschef des Ingolstädter Premiumherstellers, Dietmar Voggenreiter, im Interview mit dieser Zeitung. Stattdessen soll die günstige Position nachhaltig ausgebaut werden. Doch die Verkaufszahlen gingen zuletzt zurück.

Herr Voggenreiter, sie sind ein alter China-Kenner und haben reichhaltige Erfahrungen auf diesem Markt gesammelt. Viele Jahre ging es stürmisch aufwärts, doch dies ist vorbei. Was ist da passiert?
Als ich 2007 die Verantwortung für unser China-Geschäft übernahm, hat Audi hier rund 80 000 Autos im Jahr verkauft, als ich nach neun Jahren den Stab übergeben habe, waren es 570 000 Autos. Es war abzusehen, dass diese extrem hohen zweistelligen Wachstumsraten pro Jahr nicht endlos weitergehen können, sondern dass eine Normalisierung eintreten wird. Das hat uns nicht überrascht. Bei meinem Start in China haben viele Kunden zum ersten Mal ein Auto gekauft. Heute geht es zunehmend auch um Ersatzkäufe oder um den Zweit- oder Drittwagen. China wird jetzt Schritt für Schritt ein aus unserer Sicht „normaler“ Markt wie die USA oder Europa.
Im vergangenen Jahr sind Sie aus China zurückgekommen nach Ingolstadt und zum Audi-Vertriebschef aufgestiegen. Das war eine Beförderung. Dennoch gab es in den Medien Irritationen, es gab Spekulationen, ob der China-Chef ausgetauscht wird, weil es schlecht läuft, während Mercedes kräftig Gas gibt.
Aus diesen Spekulationen war ja dann sehr schnell die Luft raus. Wir haben 2015 in China angesichts des enorm großen Vorsprungs vor unseren deutschen Wettberbern ganz bewusst als Konsolidierungsjahr gefahren. Als sich die Delle im Gesamtmarkt abzeichnete, sind wir unserer Strategie erst recht treu geblieben. Wir haben auf Profitabilität und Kundenzufriedenheit gesetzt anstatt Volumen um jeden Preis zu machen, auch im Interesse unserer Händler. Wenn ich sehe, dass anderswo die Händlerschaft in Schieflage geraten ist und massiv gestützt werden musste, dann bestätigt mich das einmal mehr, dass unsere Strategie richtig war. Beim Absatz haben wir 2015 fast das Rekordniveau von 2014 erreicht, das leichte Minus von 1,4 Prozent war für uns zu verschmerzen. Auch für die Zukunft geht es uns nicht darum, unsere Marktführerschaft um jeden Preis weiter auszubauen, wir wollen unsere starke Position nachhaltig sichern.
Und wie wird es dieses Jahr weitergehen?
Ganz robust. Ich bin optimistisch, dass wir in diesem Jahr ein solides Wachstum in China schaffen werden.
Worauf gründet sich diese Zuversicht?
Wir haben in den vergangenen Jahren einiges entschieden, das die Mega-Trends in China trifft. Die Mittelschicht wächst dynamisch und damit auch das Fahrzeugsegment der oberen Mittelklasse. Hier sind wir mit dem A4 und dem Q5 gut aufgestellt. Mit dem neuen A4 in der für China verlängerten Version legen wir jetzt in diesem wichtigen Segment die Latte noch einmal deutlich höher, vor allem in Sachen Connectivity. Und auch der A3 ist sehr gut gefragt, in China ist das Segment der kompakten Premiumautos noch jung und bietet starkes Potenzial. Insgesamt haben wir in den ersten drei Monaten ein schönes Wachstum von fünf Prozent eingefahren, obwohl wir derzeit in China bei vielen wichtigen Modellen einen Generationswechsel durchlaufen. Was mich besonders freut: Eine Untersuchung von J.D.Power hat wieder bestätigt, dass wir sowohl im Verkauf als auch im Service die Premiummarke mit der höchsten Kundenzufriedenheit in China sind.
Beim weltweiten Absatz hat Mercedes-Benz im vergangenen Jahr Audi überholt. Für dieses Jahr hat Mercedes ein deutliches, Audi jedoch nur ein moderates Absatzplus angekündigt. Wie kann Audi da bis zum Ende des Jahrzehnts zur weltweit führenden Premiummarke werden?
Wenn wir über die Verkaufszahlen sprechen, dann bin ich überzeugt, dass sich unsere Modelloffensive in den kommenden Jahren auszahlen wird. Wir haben hier noch sehr spitze Pfeile im Köcher. Zusätzlich gilt für uns unverändert, dass wir unseren Erfolg nicht allein am Absatz messen. Markenstärke, Kundenzufriedenheit und Profitabilität sind für uns genauso wichtige Tugenden, die eine Nummer eins auszeichnen.
Auf der Autoschau in Peking feiert die verlängerte Variante des Audi A4 Premiere. Wie wird sich dies auf das Wachstum auswirken?
Der lange A4 ist einer unserer Top-Seller in China. Er ist eine absolute Erfolgsgeschichte. Wir haben in den knapp sieben Jahren Laufzeit der bisherigen Generation dieses Modells rund 700 000 Autos verkauft. Daran wollen wir anknüpfen. Ich sage immer: Wir haben das Auto für China um 88 Millimeter verlängert. In China ist die 8 eine Glückszahl. Was soll da schon schiefgehen?
Mercedes-Benz hat mit dem Maybach in China einen sensationellen Erfolg und verkauft von dieser Top-Variante 500 Autos im Monat. Wie wollen Sie mit Ihrem Flaggschiff A8 kontern?
Warten Sie’s ab.
Was heißt das?
Im nächsten Jahr präsentieren wir den neuen A8. Das wird erneut ein bärenstarkes Auto.
In China wird viel über Elektroautos und alternative Mobilität diskutiert. Tesla ist hier vorgeprescht und hat ein eigenes Netz von Ladestationen aufgebaut, Daimler hat mit dem chinesischen Partner BYD das Elektroauto Denza ins Rennen geschickt, das bisher jedoch nicht so recht ankommt, weil es zu teuer ist. Audi jedoch fehlt bisher in diesem Rennen. Wird das dem Anspruch „Vorsprung durch Technik“ gerecht?
Auch und gerade in China gilt: So lange es keine flächendeckende Lade-Infrastruktur gibt, haben es rein batterieelektrische Autos schwer, trotz staatlicher Kaufanreize. Vieles, was wir heute in den Schaufenstern stehen sehen, bleibt im Markt eine kleine Nische. Bei Audi setzen wir deshalb auf unsere Plug-In-Hybride mit vollem Komfort und Alltagsnutzen. Den A3 e-tron haben wir bereits bei den chinesischen Händlern, noch in diesem Jahr folgt der speziell für China entwickelte A6L e-tron, in 2017 dann der Q7 e-tron. Der nächste Schritt wird 2018 die Weltpremiere für unseren vollelektrischen sportlichen Geländewagen, dann werden Batterietechnologie und Infrastruktur auf einem ganz anderen Level sein. Auf der IAA 2015 haben wir mit der Studie Audi e-tron quattro concept schon einen sehr konkreten Ausblick gegeben. Die Resonanz auf dieses wunderschöne Auto ist überwältigend.