Marius Tünte vom Deutschen Tierschutzbund Foto: Deutscher Tierschutzbund

Marius Tünte vom Deutschen Tierschutzbund erklärt die Hintergründe zu den finanziellen Nöten von Tierheimen.

Schorndorf - Tierschutzvereine kümmern sich im Auftrag von Kommunen um gefundene Tiere sowie um von Behörden beschlagnahmte. Doch die Kosten bekommen sie nur teilweise erstattet, sagt Marius Tünte vom Deutschen Tierschutzbund.

Herr Tünte, wer ein Tier findet, bringt es ins Tierheim. Aber wie sieht es mit den Kosten aus, die der Findling verursacht? Wer hat diese zu tragen?
Grundsätzlich ist es so, dass Fundtiere wie Fundsachen behandelt werden. Die Tierheime übernehmen sie stellvertretend für die Kommunen. Einige Kommunen haben auch städtische Einrichtungen für die Fundtierbetreuung, aber viele lagern sie auch an Tierheime aus. Die Kosten tragen dann erst einmal die Tierheime, die diese dann aber den Kommunen in Rechnung stellen. Und da fängt die Herausforderung an. Denn es gibt keinen einheitlichen Rahmen. Jedes Tierheim verhandelt mit seinem Landkreis und seiner Kommune selbst. Einige zahlen dann Pauschalen, andere für jedes einzelne Tier. Wir haben dabei bei Befragungen von Tierheimen die Erfahrung gemacht, dass die meisten Kommunen nicht kostendeckend zahlen. Fundtiere machen 80 Prozent der Kosten aus, von denen im Schnitt aber nur 20 Prozent von den Kommunen gedeckt werden. Den Rest müssen die Vereine selbst aufbringen. Das ist der Kern, der zu der Schieflage geführt hat, welche die Existenz von Tierheimen bedroht.
Das heißt, die Kommunen drücken sich mitunter um die Kosten?
Ja, das kann man sagen. Uns ist bewusst, dass es vielen Kommunen nicht gut geht. Aber sie machen es sich einfach, indem sie Fundtiere den Tierheimen überlassen und nur die Grundkosten erstatten, oft auch nur für die ersten sechs Monate wie bei einer Fundsache. Jedoch ist ein Tier nicht unbedingt nach dieser Zeit vermittelt. Zudem entstehen auch Tierarztkosten und sobald es da spezieller wird, reicht das Geld nicht mehr aus. So sind die ersten Monate abgedeckt, und danach müssen die Tierheime selbst schauen, wie sie klar kommen. Viele Tierheime können daher gar keine Rücklagen bilden.
Aber es gibt ja nicht nur Fundtiere . . .
Ja, es gibt auch immer mehr Tiere, die von Behörden beschlagnahmt werden, etwa von Animal-Hoarder, also von Menschen, die krankhaft Tiere bei sich horten, oder aus illegalem Welpenhandel. Im Tierheim müssen diese Tiere dann oft gepäppelt werden. Dabei gehen die Kosten in die Tausende. Ein weiteres Thema ist die Gesetzgebung. In den Bundesländern gibt es Hundeverordnungen, welche die Haltung von so genannten Kampfhunden erschweren. Diese werden dadurch vermehrt in Tierheimen abgegeben, wo sie kaum vermittelt werden können. Ein weiterer Punkt ist, dass es keine bundesweite Katzenschutzverordnung mit einem Kastrationsgebot für Freigängerkatzen gibt. So können diese sich draußen mit frei lebenden Tieren vermehren und die Jungen kommen dann meist ins Tierheim. Erst ein paar hundert einzelne Kommunen haben eine Registrierung und Kastration von Katzen vorgeschrieben. Gleichzeitig nehmen die Kommunen durch die Hundesteuer enorm viel ein. Das Geld ist nicht zweckgebunden und geht null in den Tierschutz. Für einen Investitionstopf, um die Infrastruktur von Tierheimen bundesweit zu stärken, würden 50 Millionen Euro benötigt. 300 Millionen Euro nehmen die Kommunen an Hundesteuer jährlich ein.
Nun haben manche Länder bereits Fördertöpfe eingerichtet. Baden-Württemberg wendet etwa 330 000 Euro in diesem Jahr für Tierheime auf. Reicht das oder ist das mehr ein Tropfen auf den heißen Stein?
Das ist so eine Mischung für uns. Wir sind froh, dass jetzt Bundesländer aktiv werden und erkannt haben, dass Hilfe benötigt wird. Jedoch sollte das nicht nur ein Alibi vor Wahlen sein und die Summe sollte hoch genug sein, damit der Topf nicht nach zwei Tierheimen schon leer ist. Denn dann wäre es nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Letztlich ist es aber erst einmal wichtiger, dass die Thematik erkannt wurde, als die konkrete Summe. Diese hängt ja auch von der Struktur der Bundesländer ab. Da muss man schauen wie groß der Bedarf ist.
Was müsste sich ändern, dass sich die Situation von Tierheimen langfristig verbessert?
Für uns ist es wichtig, dass es einen bundesweit einheitlichen Rahmen gibt, der vorgibt, wie Kostenerstattung von Leistungen aussehen kann, mit einem Mindest- und meinetwegen auch einem Maximalbetrag. Denn die Tierheime sind oft ehrenamtlich organisiert und haben keine Liga von Anwälten für oft schwierige Verhandlungen mit den Kommunen. Ein Rahmen würde sowohl den Kommunen als auch den Tierheimen Sicherheit geben. Das ist der zweite Kernpunkt neben dem schon erwähnten Investitionstopf. Und dann gibt es noch Details wie eine Katzenschutzverordnung und Regelungen zur Haltung von Exoten. Denn wir sehen in den Tierheimen, dass dort nicht mehr nur Hund, Katze, Maus und Vogel abgegeben werden, sondern auch Warane, Bergagamen und Schildkröten. Für diese Tiere sind jedoch spezielle Terrarien nötig. Da braucht es eine flankierende Gesetzgebung. In Hessen gibt es schon eine sehr strenge, in Nordrhein-Westfalen gar keine.
Und in Baden-Württemberg?
Dort hat die Landesregierung bisher keine Anstrengungen unternommen. Lediglich in einzelnen Kommunen gibt es Polizeiverordnungen zum Halten gefährlicher Tiere, zum Beispiel in Stuttgart, Vaihingen oder Bietigheim-Bissingen.