IG-Metall-Bezirksleiter Roman Zitzeslberger verteidigt im Interview den Aufruf zur Großdemonstration gegen TTIP. Foto: dpa

IG-Metall-Bezirksleiter Roman Zitzeslberger lässt die Kritik des Maschinenbauerverbandes VDMA nicht lange auf sich sitzen.

Berlin -
Herr Zitzelsberger, der Maschinenbauverband VDMA kritisiert, dass die IG Metall zur Großdemonstration gegen TTIP aufruft. Was stört Sie daran?
Ich halte die Kritik für unbegründet und haltlos. Es ist ureigene Aufgabe einer Gewerkschaft sich zu wehren, wenn sie befürchtet, dass Sozialstandards unter die Räder kommen. Im Übrigen ist die IG Metall ja nicht die einzige Organisation, die sich zum Protest berufen fühlt. Wir befinden uns in bester Gesellschaft.
Sie müssen sich aber die Frage gefallen lassen, welche Bündnispartner Sie dabei haben?
In wie fern? Was haben Sie gegen den Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND)? Was spricht gegen die Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Erzeuger? Ich halte auch den Industrieverband Kleine und Mittlere Unternehmen gegen TTIP für untadelig. Das sind ja keine Verrückten, die gegen alles sind, sondern honorige Organisationen, die berechtigte Kritik äußern.
Sie gehen aber auch mit erklärten Gegnern des Freihandels auf die Straße. Attac zum Beispiel und andere, die die Globalisierung rundheraus ablehnen …
Es gibt Mitveranstalter, deren Positionen wir nicht komplett unterschreiben würden. Dies verbietet es mir aber nicht, gemeinsam Kritik zu üben. Ich muss nicht in jedem Detail überein stimmen.
Bekommen Sie als Industriegewerkschaft da nicht einen Interessenskonflikt mit Ihren Mitgliedern, zum Beispiel einem Daimler-Arbeiter am Band, der existenziell darauf angewiesen ist, dass Autos in die USA exportiert werden?
Die IG Metall lehnt Freihandel nicht ab, sondern macht sich für einen fairen, gerechten und freien Welthandel stark. Wir kritisieren aber diejenigen, die blauäugig TTIP befürworten und nicht die Risiken eines derartigen Abkommens sehen. Die Verhandlungen müssen endlich transparent geführt werden. Zudem darf TTIP nicht mit überzogenen Versprechungen von neuen Jobs verknüpft werden.
Niemand aus dem Lager der TTIP-Befürworter fordert etwa, dass hierzulande Sozialstandards gesenkt werden. Dumpinglöhne passen doch gar nicht zum Geschäftsmodell der hiesigen Metall- und Elektro-Branche…
Gut, dann sollten sich die Befürworter mit uns zusammensetzen und konstruktiv zum Beispiel zum Investorenschutz Vorschläge entwickeln. Dazu gehört dann auch, dass man sich von den privaten Schiedsgerichten verabschiedet. Das wäre auch sehr im Interesse der Mittelständler in der Provinz. Im Gegensatz zu den Weltkonzernen können es sich Familienbetriebe etwa nicht leisten, für Millionen einen Anwalt einzuschalten, wenn es Konflikte mit einer US-Behörde gibt. Ich sage ganz klar: Im Gegensatz zu einigen Mitveranstaltern der Großdemonstration wollen wir Freihandel. Aber die Bedingungen müssen stimmen. Ich bin im Übrigen überzeugt: Unsere Kritik hat schon dazu beigetragen, dass die EU-Kommission sich in einigen Punkten bewegt hat.
Gibt Ihnen der Diesel-Abgasskandal nicht zu denken? So schlecht kann es um die Verbraucherinteressen in den USA dann doch nicht bestellt sein.
Ich habe die Geschichte mit dem Chlorhühnchen schon immer für Quatsch gehalten. Ich will auf meinem Teller kein Huhn, das wie in den USA gechlort ist, und auch kein Huhn, das wie hierzulande mit Antibiotika vollgepumpt ist. Es gibt nun einmal einen grundsätzlichen Unterschied der Rechtssysteme in den USA und Europa: Drüben ist alles zulässig, solange nicht bewiesen ist, dass es schädlich ist. Bei uns muss zunächst nachgewiesen werden, dass ein Stoff oder ein Verfahren unschädlich ist, bevor es zum Verbraucher geht. Das sind kulturelle Unterschiede, die hierzulande zu Misstrauen führen.
Strich drunter, für Sie ist also ein Freihandelsabkommen durchaus verhandelbar?
Selbstverständlich, wir haben nie etwas anderes gesagt. Die IG Metall und etwa die Betriebsräte der Automobilunternehmen unterstützen ausdrücklich das Ansinnen, technische Standards diesseits und jenseits des Atlantiks zu vereinheitlichen. Wir sind auch für den Abbau von Zöllen und nicht-tarifären Handelshemmnissen.
Aber der Tenor der Groß-Demonstration lautet: TTIP unfairhandelbar. Das klingt doch etwas anders…
Antwort: Wenn sich mehrere Organisationen für eine Großveranstaltung zusammentun, dann benötigt man ein knackiges Motto. Unter einer Überschrift lässt sich nicht jede einzelne Position darstellen. Ich sage für die IG Metall: Wir haben einen differenzierten Blick auf TTIP. Fairer Welthandel ist eine gute Sache. Bis es so weit ist und die IG Metall das Freihandelsabkommen unterstützt, müssen die berechtigten Kritikpunkte aber endlich ausgeräumt werden.