Sabine Mezger und Jörg-Michael Bohnet bei der Probe Foto: Eva Funke

Was ist Liebe? Im 19. Jahrhundert wurde sie anders gelebt als heute. Eine Veranstaltung am Dienstag, 9. Juli, im Augustinum am Killesberg macht das deutlich.

Die Stuttgart - Werke von Robert und Clara Schumann sind hoch romantisch, wie viele ihrer Briefe. Bei einem Liederabend im Augustinum am Killesberg lesen Sabine Mezger, Bezirksvorsteherin in Stuttgart-Nord, und Jörg Bohnet, Pfarrer in Stuttgart-Rot, Passagen aus den Briefen vor. Die beiden sind ein Paar. In einem sehr persönlichen Interview sprechen sie über Liebe und Romantik.

Frau Mezger, Herr Bohnet, wer hatte die Idee, an dem Liederabend mitzuwirken?

Mezger: Die Sopranistin Marit Kuhlo, die mit ihrem Mann den musikalischen Teil gestaltet, hat mich gefragt, ob wir das machen könnten. Ich hab sofort ja gesagt.

Bohnet: Und ich folge ihr – wenn es mein Terminkalender zulässt.

Immer?

Mezger: Mir zuliebe ist er sogar im Spaßbad die Wasserrutsche runter gerutscht.

Bohnet: Das war schrecklich. Nie wieder.

Mezger: Ich fand es super. Aber es hat ewig gedauert, bis du angerutscht kamst. Hinter dir standen schon alle Schlange.

Nach welchen Kriterien suchen sie die Texte für den Liederabend aus?

Mezger: Wir stellen die Liebesbeziehung von Clara und Robert in den Vordergrund. Ich finde es außergewöhnlich für die Zeit, dass beide ihre Ehe gegen den Willen von Claras Vater gerichtlich durchgesetzt haben. Der war gegen die Heirat, unter anderem, weil er durch die Ehe mit Schumann die Pianistinnen-Karriere seiner Tochter gefährdet sah – übrigens nicht zu unrecht.

Clara schreibt vor der Ehe an Robert: „( . . . ) ich sehe ein, dass ich unglücklich sein würde, wenn ich nicht immerfort in der Kunst wirken könnte.“ Er schreibt ins Ehetagebuch: „Erreiche ich nur das, dass Du gar nichts mehr mit der Öffentlichkeit zu tun hättest, wäre mein innigster Wunsch erreicht.“ Das klingt nach Zündstoff in einer Ehe.

Mezger: Sie will arbeiten, er lehnt’s ab. Das kann heute noch zu Ehekonflikten führen. Bis in die 1970er Jahre durften Frauen nur mit Erlaubnis des Ehemanns arbeiten. Im 19. Jahrhundert war Berufstätigkeit für Frauen überhaupt nicht vorgesehen.

Bohnet: Robert und Clara Schumann standen künstlerisch auf einer Ebene. Doch sie konnte ihre Begabung nicht richtig ausleben und stand völlig zu unrecht im Schatten ihres Mannes.

Bezirksvorsteherinnen stehen auch in der Öffentlichkeit. Wie ist das bei Ihnen?

Bohnet: Ich hab quasi die Rolle des Prinzgemahls, vor allem, wenn wir mit dem Hund spazieren gehen. Sabine geht mit Levi vorn weg, ich komm hinterher.

Mezger: Nur beim Spazieren gehen. In Jörgs Gemeinde ist es umgekehrt. Ansonsten haben wir eine Atmosphäre, in der es nicht darum geht, wer der Stärkere ist. Jörg ist der eher Abwägende, ich bin die Zupackende, Spontane. Aber es gibt Situationen, da ist es auch andersrum.

Bohnet: Meine Schwerblütigkeit kommt vermutlich von meinen Vorfahren aus Bessarabien: sehr arme Bauern, die täglich ums Überleben kämpfen mussten.

Mezger: Schwerblütig? Bist du nicht. Ich würde sagen, sehr überlegt. Während ich die Dinge gleich anpacke und loslege, denkst du erst mal nach. Dass wir vom Temperament her so unterschiedlich sind, tut uns beiden gut.

Das Augustinum verspricht Romantik pur. Hat Romantik in Ihrem Leben Platz?

Mezger: Ich versuch’ so oft es geht, die Umgebung schön zu gestalten, zünde Kerzen an, stelle Blumen auf den Tisch, lege schöne Musik auf. Manchmal schreib ich Zettelchen mit einem Dankeschön, wenn er mich unterstützt hat.

Bohnet: Wenn Romantik Seelenüberschwang bedeutet, dann bin ich nicht romantisch. Aber. . .

Mezger: Aber du hast romantische Ansätze. Und er schreibt die wunderschönsten Liebesbriefe, zumindest war das am Anfang so. Ab und zu lese ich die wieder.

Weil Sie keine mehr erhalten?

Bohnet: Wir sind im Alltag angekommen. Da wir beide beruflich stark engagiert sind und wenig Zeit haben, müssen wir sehen, wo es Schnittmengen gibt. Da kommen handgeschriebene Liebesbriefe manchmal zu kurz. Aber die Gesten zählen.

Und wo bleibt die Liebe?

Mezger: Jörg ist gegen Katzenhaare allergisch. Trotzdem kümmert er sich um meinen Kater, wenn ich weg bin. Wenn das nicht Liebe ist . . .

Bohnet: Durch den ständigen Kontakt mit Kater und Hund durchlaufe ich quasi eine Desensibilisierung. Außerdem: Ohne Vertrautheit wäre es für Nicht-Schauspieler schwierig, fremde Liebesbriefe vor Publikum zu lesen.

Und mit der Gage für den Abend gönnen Sie sich ein Dinner bei Kerzenschein?

Bohnet/Mezger: Wird gespendet. Jeder spendet für einen anderen guten Zweck.